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Wer hat was vom Landwirtschaftsgesetz?

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Nich jahrelangen Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien und oft heftigen, wenngleich nicht immer ehr sachverständigen Diskussionen in der Öffentlichkeit hat nun der Entwurf des Österreichischen Landwirtschaftsgesetzes den Ministerrat passiert und wird in der nächsten Woche dem Nationalrat zur Beschlußfassung vorgelegt xwerden. Dort werden wohl, wie das so den parlamentarischen Gepflogenheiten entspricht, die Vertreter aller Parteien und Interessenverbände ihr Verdienst am Zustandekommen des Gesetzes herauszustreichen wissen. Die einen, weil sie seine Verwirklichung schon aus politisch-strategischen Gründen nicht mehr verhindern konnten und jetzt gebührende Anerkennung für ihr endliches Ja erwarten. Peinlich wird die Sache dort, wo politische Funktionäre einer städtisch-industriellen Bevölkerung gegenüber selbst jetzt noch Opposition gegen das Landwirtschaftsgesetz spielen, kehrum die Hand aber hinausziehen in die Landgemeinden und dort ihr verdienstvolles Mitwirken am Zustandekommen des Gesetzes betonen. Das konnte aufmerksamen Beobachtern nicht verborgen bleiben. Kein Wunder aber auch, wenn unter solchen Umständen die Ansichten über das Landwirtschaftsgesetz in weiten Kreisen der Bevölkerung noch immer sehr unklar sind und manches Mißverständnis einer richtigen Beurteilung entgegensteht. Immer wieder kann man auf die Meinung stoßen, das Landwirtschaftsgesetz werde allein den Bauern gewisse Vorteile bringen, alle andern aber würden nur dafür bezahlen müssen. Um sich und ihren Lesern Klarheit über diese Fragen zu verschaffen, wandte sich die „Furche“ an Bundesminister Dipl.-Ing. Hart mann, als dem zuständigen Ressortchef, mit der Bitte um Auskunft über Zweck und Bestimmungen des Landwirtschaftsgesetzes; über seine voraussichtlichen Auswirkungen sowohl für die Erzeuger als auch für die Verbraucher heimischer Nahrungsmittel.

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Nich jahrelangen Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien und oft heftigen, wenngleich nicht immer ehr sachverständigen Diskussionen in der Öffentlichkeit hat nun der Entwurf des Österreichischen Landwirtschaftsgesetzes den Ministerrat passiert und wird in der nächsten Woche dem Nationalrat zur Beschlußfassung vorgelegt xwerden. Dort werden wohl, wie das so den parlamentarischen Gepflogenheiten entspricht, die Vertreter aller Parteien und Interessenverbände ihr Verdienst am Zustandekommen des Gesetzes herauszustreichen wissen. Die einen, weil sie seine Verwirklichung schon aus politisch-strategischen Gründen nicht mehr verhindern konnten und jetzt gebührende Anerkennung für ihr endliches Ja erwarten. Peinlich wird die Sache dort, wo politische Funktionäre einer städtisch-industriellen Bevölkerung gegenüber selbst jetzt noch Opposition gegen das Landwirtschaftsgesetz spielen, kehrum die Hand aber hinausziehen in die Landgemeinden und dort ihr verdienstvolles Mitwirken am Zustandekommen des Gesetzes betonen. Das konnte aufmerksamen Beobachtern nicht verborgen bleiben. Kein Wunder aber auch, wenn unter solchen Umständen die Ansichten über das Landwirtschaftsgesetz in weiten Kreisen der Bevölkerung noch immer sehr unklar sind und manches Mißverständnis einer richtigen Beurteilung entgegensteht. Immer wieder kann man auf die Meinung stoßen, das Landwirtschaftsgesetz werde allein den Bauern gewisse Vorteile bringen, alle andern aber würden nur dafür bezahlen müssen. Um sich und ihren Lesern Klarheit über diese Fragen zu verschaffen, wandte sich die „Furche“ an Bundesminister Dipl.-Ing. Hart mann, als dem zuständigen Ressortchef, mit der Bitte um Auskunft über Zweck und Bestimmungen des Landwirtschaftsgesetzes; über seine voraussichtlichen Auswirkungen sowohl für die Erzeuger als auch für die Verbraucher heimischer Nahrungsmittel.

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„Die Furch e“: Wann hat der Kampf um das Landwirtschaftsgesetz in Österreich besonnen und warum zog er sich so sehr in die Lange?

Minister Hartmann: Die Vorarbeiten für das österreichische Landwirtschaftsgesetz reichen bis zum Beginn der fünfziger Jahre zurück. Schon damals waren ähnliche Gesetzeswerke in zahlreichen europäischen und vielen außereuropäischen Staaten entweder bereits in Geltung oder in Verwirklichung begriffen. Man war sich in der freien Welt weithin der wirt-schafts- und gesellschaftspolitischen und nicht zuletzt auch der wehrpolitischen Bedeutung einer leistungsfähigen Landwirtschaft und eines gesunden Bauernstandes bewußt geworden und suchte der Erkenntnis Rechnung zu tragen, daß im Zeitalter der zunehmenden Industrialisierung die naturabhängige Landwirtschaft in eine volkswirtschaftliche Sonderstellung gedrängt wird. Ihr trotzdem die Erfüllung ihrer Aufgaben ohne allmähliche Selbstzerstörung bzw. Selbst-verzehrung zu ermöglichen, liegt durchaus im Interesse der Allgemeinheit und wird nur noch von einer überholten Wirtschaftstheorie kurzweg als „dirigistisch“ und „protektionistisch“ abgetan. Der kommunistische Weg, die andere Alternative, wie sie jenseits unserer Ostgrenzen praktiziert wird, müßte so manchem Besserwisser eigentlich längst die Augen geöffnet haben.

Die: österreichische Agrarpolitik hat in der Existenzfestigung der bäuerlichen Familienbetriebe eine ihrer Hauptaufgaben zu erblicken, der sie im Rahmen der Agrargesetzgebung auch schon bisher so weit wie möglich Rechnung zu tragen suchte. Nicht zuletzt die immer handgreiflichere Formen annehmende wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa und die daraus erwachsende Konkurrenzstellung für unsere Landwirtschaft machte die Verwirklichung des Landwirtschaftsgesetzes, das der Agrarwirtschaft innerhalb der Gesamtwirtschaft eine fest-umrissene Position einräumt, immer dringlicher erforderlich. Die Vertreter der Landwirtschaft verlangten mit der Schaffung dieses Gesetzes kein Experiment mit ungewissem Ausgang. Sie hatten die Agrargesetzgebung der Nachbarstaaten eingehend studiert und die Erfahrungen des Auslandes auch dem ersten Gesetzentwurf zugrunde gelegt, der bereits Anfang 1955 den zuständigen Stellen zur Begutachtung zuging.

Bedauerlicherweise wurde von Anfang an die Forderung nach dem Landwirtschaftsgesetz mit Gegenforderungen beantwortet, die meist mit der Sache an sich nicht das geringste zu tun hatten und im Laufe der Jahre verschiedentlich wechselten. Das hat die Verhandlungen wesentlich erschwert. Und obwohl die Forderung nach Verwirklichung des Landwirtschaftsgesetzes bereits 1956 in die Regierungserklärung aufgenommen worden war, bedurfte es noch unzähliger, teils aufreibender Verhandlungen, ehe eine Einigung erzielt werden konnte.

„Die Furche“: Und was würden nun Sie, Herr Minister, als das Hauptanliegen des Landwirtschaftsgesetzes bezeichnen?

Minister Hartmann: Es scheint mir manchmal, daß die Erfüllung der Vaterunser-Bitte nach dem täglichen Brot in unserer Zeit — keineswegs nur in Österreich — mehr und mehr als eine reine Angelegenheit der Landwirtschaft betrachtet wird, um die sich der Konsument weiter keine Sorgen zu machen braucht. Die Bauern und der liebe Gott — oder allenfalls die Mutter Natur — wären dafür allein zuständig. Und wenn sie im eigenen Land vorübergehend versagen, dann könnte man ja aus dem Ausland Nahrungsmittel importieren, die seien sogar manchmal noch billiger, Daß, allerdings in Krisenzeiten die Importe sehr bald ausbleiben würden und die Konsumenten beim Fehlen einer leistungsfähigen heimischen Landwirtschaft zum Verhungern verurteilt wären, bedenkt man oft kaum.

Das österreichische Landwirtschaftsgesetz hat sich die Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden Bauernstandes und gleichzeitig die bestmögliche Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln zum Ziele gesetzt. Es ist also für Erzeuger und Verbraucher gleichermaßen von Bedeutung. Es soll das tägliche Brot den Konsumenten im wörtlichen, den Produzenten auch im übertragenen Sinne sichern helfen und mit einem leistungsfähigen Bauernstand der übrigen Wirtschaft einen wertvollen Abnehmer erhalten.

Mit dem „Grünen Bericht“, dem Herzstück des Landwirtschaftsgesetzes, will die Landwirtschaft der Volksvertretung alljährlich über ihr Soll und Haben offen Rechnung legen und ihre Wünsche begründen. Ich halte es für besonders wichtig und dankenswert, daß damit der breiten Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben sein wird, sich mit den Sorgen um die Schaffung ihres täglichen Brotes vertraut zu machen. Darüber hinaus hoffe ich, daß es durch diese offene Rechnungslegung mehr als bisher möglich sein wird, in der öffentlichen Meinung Verständnis für die Situation und die Anliegen der Landwirtschaft zu wecken.

„Die Furche“: Wie viele Menschen leben in Österreich von der Landwirtschaft? Und wie will man ihnen ein entsprechendes Einkommen sichern?

Minister Hartmann: Es sind in Österreich noch weit mehr als eine Million Menschen, die aus einem landwirtschaftlichen

Einkommen ihren Lebensunterhalt bestreiten. Menschen, die mit Fleiß und Fortschrittswillen bestrebt sind, den Tisch des Volkes zu decken. Ihnen kann für ihre schwere, riskenreiche Arbeit auch der gerechte Lohn nicht vorenthalten werden. Es wäre ihnen kaum damit geholfen, etwa nach schweren Unwetterschäden oder Seuchenkatastrophen, vorübergehend Anteilnahme und Bestätigung ihrer Sonderstellung im Rahmen der Gesamtwirtschaft zu erhalten S'e bedürfen der Hilfe des Gesetzes, um diese Sonderstellung meistern und damit die Sicherung der Volksernährung gewährleisten zu können.

Daher dient das Landwirtschaftsgesetz nicht der Befriedigung eines Gruppeninteresses, sondern der gesamten Wirtschaft — und auch der Gesellschaft, weil es zur Erhaltung vieler zehntausend selbständiger Existenzen beitragen soll. Zählt doch in Österreich die Bauernschaft noch immer die größte Zahl an selbständigen Erwerbstätigen — 308.600 von insgesamt 58 5.300 laut letzter Volkszählung —, die bereit sind, ein hohes Ausmaß an persönlicher Verantwortung zu tragen.

Das Landwirtschaftsgesetz will durch Preisbestimmungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, durch die Erstellung von Richtpreisen und durch Maßnahmen zur Marktentlastung dem heimischen Produzenten einen angemessenen Lohn für seine Arbeit, gleichzeitig aber auch dem Konsumenten Preisstabilität und ordnungsgemäße Versorgung sichern. Die auf Grund des „Grünen Berichtes“ des Landwirtschaftsministeriums im „Grünen Plan“ vorzuschlagenden Maßnahmen sollen durch Mittel des Bundes gefördert werden und eine Hilfe zur Selbsthilfe der Landwirtschaft, wie etwa Rationalisierung und Strukturverbesserung der Betriebe, weitere Hebung der Fachausbildung, Kommassierung, Meliorierung, Güterwegebau usw. darstellen.

Die Bauernschaft erwartet sich vom Landwirtschaftsgesetz keine Geschenke. Es wird weiterhin ein starker Fortschritts- und Selbsthilfewille notwendig sein, damit die schwierigen Aufgaben, die unsere Zeit an die Landwirtschaft stellt, bewältigt werden können. Aber gerade der fortschrittliche Bauer weiß um die Notwendigkeit langfristiger Wirtschaftspläne für die Leistungsfähigkeit seines Betriebes. Auf der Basis kurzfristiger Agrargesetze läßt sich schwer fortschrittlich und weitblickend wirtschaften.

„Die Furch e“: Nun noch eine besondere Frage, Herr Minister. Ist anzunehmen, daß die Verwirklichung des Landwirtschaftsgesetzes nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die politische Position der Bauernschaft in Österreich und auch im Rahmen der Österreichischen Volkspartei sichern und festigen wird?

Minister Hartmann: Ich glaube, daß die Verwirklichung des Landwirtschaftsgesetzes, für die sich die gesamte Volkspartei und mit besonderem Nachdruck gerade bei den letzten, schwierigen Verhandlungen Bundeskanzler Ingenieur Raab persönlich eingesetzt hat, schon die Tatsache einer festen Position der Bauernschaft innerhalb der ÖVP bestätigt. Auch hat die Volkspartei alle Ursache, die geradezu grenzenlose Treue, die ihr die Bauern über alle Berufssorgen hinweg stets bewiesen haben und beweisen, entsprechend zu würdigen. Darüber hinaus aber glaube ich, daß gerade der nun alljährlich zur Debatte stehende „Grüne Bericht“ mpnehes Mißverständnis abbauen helfen wird und maßgeblich dazu beitragen kann, der Stellung der Bauern in Staat und Gesellschaft neues Gewicht zu verschaffen.

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