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Gefährden die Bauern das Budget?
Wenn also in den nichtagrarischen Wirtschaftszweigen so rationell gearbeitet wird — und sie haben zweifellos weitaus mehr Möglichkeiten zur Rationalisierung als die Landwirtschaft —, wieso sind dann gerade dort die Preisindizes so sehr angestiegen, während die Landwirtschaft bei einem — teilweise künstlich — viel niedriger gehaltenen Preisniveau noch immer irgendwie ihr Auslangen finden soll? Dabei muß festgestellt werden, daß auch die Ausgangsposition dieser Indexberechnungen (1938 = 100) für die Landwirtschaft keineswegs eine günstige ist. Bei Betrachtung dieser Zahlen verliert das Strukturproblem der Landwirtschaft, dem zweifellos eine entscheidende Stellung zukommt, jedenfalls jene alleingültige Bedeutung, die man ihm gelegentlich beizumessen gewillt ist.
Trotz der schwierigen Situation der Landwirtschaft, die sowohl in einer ständigen Produktionskostenerhöhung als ‘auch ‘ in ’léinè?,’Jiâüiriêhmenden Arbeitsüberlastung bei wachsenden finanziellen Anforderungen durch die notwendige Mechanisierung und Strukturverbesserung ihren Ausdruck findet, sind zahlreiche wichtige Agrarpreise seit 1952 völlig unverändert, andere haben nur geringfügige Veränderungen erfahren. Während Streikdrohungen etwa der Bäckerei- oder Molkereiarbeiter in der Zwischenzeit meist sehr rasch zur Erfüllung der Wünsche dieser Berufskreise führten, stoßen auch die bescheidensten Wünsche der Agrarier meist sofort auf geschlossene Ablehnung.
Hätte sich das gesamte Preisniveau in den vergangenen Jahren ebenso stabil erhalten wie das Niveau der Agrarpreise, könnte man die Unzufriedenheit der Bauern mit Recht bemängeln. So aber kann man das nicht. 5o muß es den Bauern gerade in dieser ihrer schwierigen Situation reichlich sonderbar erscheinen, daß angesichts einer Ausweitung des Budgets um mehrere Milliarden Schilling, wovon allein die durch Streikdrohung erreichte Gehaltsregulierung für die öffentlichen Bediensteten rund 1,5 Milliarden Schilling ausmacht, ausgerechnet die zwei- bis dreihundert Millionen Schilling, die sie zur Intensivierung des „Grünen Planes” für 1962 verlangen, den Staatshaushalt gefährden sollen.
Seit 1951 ist die Zahl der österreichischen Landwirtschaftsbetriebe um mehr als 30.000 zurückgegangen. Diese Entwicklung begünstigt, solange sie sich in normalen Bahnen bewegt, die Bestrebungen um die Strukturverbesserung bzw. um die Aufstockung lebensfähiger bäuerlicher Familienbetriebe. Wie jedoch die vorläufigen Ergebnisse der letzten Volkszählung beweisen, droht diese Entwicklung gebietsweise bereits zu einer wilden Flucht zu werden. Der Resignation und Abwanderung der Bauern folgt eine zunehmende Entvölkerung ganzer Bezirke, vor allem in den Grenzgebieten. Die Erregung greift um sich
Demonstrieren oder resignieren — so scheint gegenwärtig die Entscheidung zu lauten, vor die sich die Bauern gestellt sehen. Mit dem Landwirtschaftsgesetz haben die Bauernvertreter eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen. der klar dargelegten Situation der Landwirtschaft auch entsprechende Taten folgen zu lassen. Zu deren Verwirklichung bedarf es allerdings des Verständnisses und der Mitwirkung der gesamten Öffentlichkeit und aller zuständigen Stellen. So manches Beispiel der vergangenen Jahre mußte in den Bauern den Eindruck erwecken, daß dieses Verständnis leider selten durch sachliche Argumentation und zahlenmäßig bestfundierte Beweisführung, um so nachhaltiger aber durch massive Demonstrationen und Streikdrohungen erreicht werden könne.
Langjährige Vertröstungen haben die Erregung der Bauernschaft nunmehr bis zu einem Grad gesteigert, der weitere, unverbindliche Zusagen auf später nicht mehr verträgt. Die Österreichische Volkspartei hat sich in ihrer Gesamtheit zu den Forderungen der Bauern bekannt. Sollte es nicht doch zwischen Demonstration und Resignation noch einen dritten — fruchtbareren — Weg für die Bauern geben? Ein fester gemeinsamer Wille ließe diesen Weg zweifellos finden.
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