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Im Zeichen der Freihandelszone

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Die in den letzten Jahren durchgeführte Waldstandesaufnahme hat als erste umfassende Arbeit uns klar vor Augen geführt, wie es um unsere Wälder steht und welche Maßnahmen notwendig sind, um für diese das wirtschaftliche Gleichgewicht wiederzugewinnen. Zufolge des Sanierungsprogramms des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft werden innerhalb eines Zeitraumes von 30 Jahren insgesamt 5,6 Milliarden Schilling benötigt, wobei die Aufforstung rückständiger Schlag- und Kulturflächen im Vordergrund steht. Da sich aber entsprechend der Forderung auf eine 45-Stun* den-Woche eine relative Erhöhung der Löhne bei gleichbleibenden Soziallasten ergeben wird, muß mit einem wesentlich höheren Betrag gerechnet werden. Hierzu kommt die Tatsache, daß mit der Schaffung der Freihandelszone — angestrebt in längstens 15 Jahren — sich unser Wirtschaftsbild stark ändern wird, verbunden mit einer Anpassung von Preisen und Löhnen an Westdeutschland und der Schweiz. Wenn auch noch um die Freihandelszone und die damit verbundenen Bedingungen gerungen wird und vorerst lediglich Aussprachen erfolgen, so steht doch fest, daß zwischen den beiden großen Wirtschaftsblocks Amerika und Sowjetunion nur ein Dritter auf die Dauer seine Existenz sichern kann, und zwar Westeuropa einschließlich England.

Wie steht es nun heute mit den Entwicklungstendenzen unseres Waldbestandes? — Vorerst sei darauf hingewiesen, daß über 50 Prozent der 3,3 Millionen Hektar Waldfläche auf Kleinbesitze aufgeteilt sind und nur der restliche Wald als Großwaldbesitz bezeichnet werden kann, davon an 480.000 Hektar Bundesforste. Als Jahreseinschlag wurden 8,5 Millionen Festr meter zulässig erklärt, doch wurde diese Zahl in den letzten Jahren weit überschritten; für 1957 muß mit annähernd 13 Millionen Festmeter gerechnet werden, wobei die schweren Wind- und Schneebrüche eingerechnet sind. Schon diese Zahlen zeigen, daß eine weitgehende Intensivierung unserer Forstwirtschaft unbedingt notwendig ist, damit der Ertrag soweit als möglich erhöht wird; bei der angegebenen Waldfläche könnte ein solcher von mindestens 10 bis 12 Millionen Festmeter erreicht werden. Das große Sorgenkind ist heute der Kleinwaldbesitz, welcher vielfach bis zum Weißbluten ausgenutzt wurde, um die Kosten für eine Mechanisierung der Landwirtschaft zu tragen.

Heute aber steht der gesamte Waldbesitz in der Schere. Auf der einen Seite die neuen Einheitswerte, verbunden mit einer ganz gewaltigen Erhöhung der Grundsteuer und aller damit zusammenhängenden Steuern und Abgaben sowie der Erbschaftssteuer, und auf der anderen Seite ein ganz beträchtlicher Preisverfall von 50 bis 60 Schilling je Festmeter. In diesem Zusammenhange darf nicht vergessen werden, daß in den letzten Jahren jeder Ueberschuß wieder zur Intensivierung der Forstwirtschaft, vor allem zur Aufsohließung der Wälder durch Straßen und Wegebauten, verwendet wurde, was unbedingt notwendig war, da in den Jahrzehnten vor 1945 vor allem in bringungsgünstigen Lagen genutzt wurde.

Schließlich darf auch der Rückgang am Weltholzmarkt nicht übersehen werden. Vor allem zeigte der Absatz am britischen Markt in den vergangenen Monaten eine stark rückläufige Tendenz, wobei die Preisangebote sowjetischen Holzes mit entsprechenden Frachtbegünstigungen schwer in die Waagschale fielen.

Wie steht es nun nach diesen einleitenden Ausführungen mit unserem Waldbestand, vor allem unter Berücksichtigung der sich im Laufe der Jahre ergebenden Verhältnisse bei der Schaffung der Freihandelszone? — Es ist so, daß der Ertrag unserer Forste viel zu niedrig ist, wobei freilich nicht übersehen werden darf, daß dies zum überwiegenden Teil weder beim Großwald noch bei den Bundesforsten zutrifft. Wir wissen, daß in beiden Fällen geschulte Fachleute tätig sind, die das noch gültige Forstgesetz verpflichtet. Immerhin wird auch manchmal eine Zuwaohssteigerung möglich sein und dadurch eine Erhöhung des Jahreseinschlages.

Die zunehmende Belastung unserer Forste, verbunden mit dem Preisverfall und mit einer Herabsetzung des Exportes, mögen vorerst als Warnungszeichen angesehen werden, vor allem deshalb, weil die Erhöhung der Grundsteuer auf Basis der Einheitswerte kaum verhindert werden kann. Wenn wir aber die zu erwartende Entwicklung auf weite Sicht beurteilen wollen, so dürfen wir nicht vergessen, daß der Rückgang am Weltholzmarkt nicht andauern kann. In Oesterreich wird gerade die Entwicklung des Großwaldbesitzes von ausschlaggebender Bedeutung sein, und zwar schon deshalb, weil sich beim Kleinwald die “Intensivierungs- und Aufforstungsmaßnahmen erst nach vielen Jahrzehnten fühlbar machen. Die Umwandlung von Niederwald in Hochwald, der Uebergang von der Holzfeuerung auf Kohle oder elektrischen Strom, ebenso der Uebergang vom Holzbau auf Ziegelbau und noch weitere holzsparende Maßnahmen werden in Zukunft eine große Rolle spielen, so daß voraussichtlich von Jahr zu Jahr mehr Holz aller Sortimente auf den Markt kommen wird.

In diesem Zusammenhang spielt die Papierindustrie eine ganz besondere Rolle. Es ist bezeichnend, daß bei der Eingabe der Papierindustrien der Weststaaten nicht nur die Nordstaaten (Schweden, Norwegen, Finnland), sondern auch Oesterreich angeführt wurde. Man wies darauf hin, daß diese Staaten sowohl über große Holzreserven verfügen als auch über genügend Wasserkräfte, so daß sie in der Lage sind, die verschiedenen Papiersorten zu wesentlich billigeren Preisen zu erzeugen als dies in den Weststaaten der Fall ist. Außerdem sind letztere auf die Einfuhr ganz bedeutender Mengen von Rohholz angewiesen und sind die Papierimporte derzeit mit Zöllen bis zu 25 Prozent belastet. Was soll aber geschehen, wenn — um auf die äußerste Möglichkeit hinzuweisen — die Nordstaaten das gesamte Schleifholz verarbeiten und außerdem über billigen Kraftstrom verfügen?

Diese Tatsachen fordern direkt dazu auf, auch die diesbezüglichen Verhältnisse in Oesterreich eingehender zu untersuchen, und zwar schon deshalb, weil bei uns sich die Papierindustrie immer vor das Tor des Schleifholzexportes gestellt hat. Sollte es möglich sein, den Einschlag auf das im Wege der Waldstandsaufnahme festgelegte Soll von 8,5 Millionen Festmeter zu senken, würde unsere Papierindustrie nur zur Not mit der erforderlichen Menge von Schleifholz beliefert werden können und von einer Vollbelieferung der Sägeindustrie überhaupt nicht mehr die Rede sein. Hier spielt gerade der Großwaldbesitz eine ausschlaggebende Rolle. Er war immer schon sowohl für diese beiden Industriezweige als auch für Plattenerzeugung aller Art der Hauptlieferant. Daher ergibt sich die logische Folgerung: je intensiver hier die Bewirtschaftung in Verbindung mit zeitgerechten Durchforstungen durchgeführt wird, desto eher wird es möglich sein, zumindest den Anforderungen der Papierindustrie gerecht zu werden. Um unsere gesamte Forstwirtschaft wieder auf jene Höhe bringen, auf welcher sie sich vor dem Jahre 1918 befand, darf hier oben nicht übersehen werden, daß zahlreiche, einst landwirtschaftlich genutzte Flächen in Forste umzuwandeln sind, weil diese als ertragslos anzusprechen wären. Beim Großwaldbesitz, welcher meist mit landwirtschaftlichen Betrieben gekoppelt ist, ist dies auch der Fall. Es gibt zahlreiche Hutweiden; es gab einst — um nur ein Beispiel anzuführen — im Waldviertel eine ausgedehnte Schafzucht, welche durch die Einfuhr billigerer Schafwolle aus Uebersee aufgelassen wurde. Alle diese Hutweiden sind heute so ertragsarm, daß ihre Aufforstung dringendst geboten erscheint. Aehnliche Verhältnisse ergeben sich in den Alpen und auch im Alpenvorland. Es war bereits vor etwa einem Jahrhundert, daß in der Nordsteiermark zahlreiche Bergbauern ihre Besitzungen verkauften, um in den neu erstandenen Industrien Arbeit und Brot zu finden. Dieje Besitze gingen im Großgrundbesitz auf, wurden aufgeforstet, und noch heute kann man in den Wäldern so manchen verfallenen Bauernhof sehen. Schon die Waldstandsaufnahme zeigte eine Vergrößerung der Waldfläche gegenüber jener vom Jahre 1935. Eine weitere Zunahme wird die Zukunft bringen, wobei aber nach waldbaulichen Gesichtspunkten vorgegangen werden muß. Hier ist wieder der Großwaldbesitz Richtungsweiser für den Kleinen, wobei auch die Landesforstinspektionen und Landwirtschaftskammern beratend und fördernd mitwirken können.

Wenn man alle diese Zusammenhänge berücksichtigt, so ergibt sich, daß eine Beurteilung der Entwicklungstendenzen unseres Waldbestandes auf kurze Sicht ein unrichtiges Bild ergeben würde. Es ist richtig, daß sich derzeit unser Wald in einer Steuer-Preis-Schere befindet. Es ist aber mit Sicherheit anzunehmen, daß — auf weitere Sicht gesehen — eine Intensivierung unserer Forstwirtschaft nicht nur für diese selbst, sondern für unsere Wirtschaft im ganzen von besonderem Vorteil sein wird.

Freilich müßte als oberstes Gesetz gelten, daß unseren Wäldern und deren Besitzern, wobei ich den Großwaldbesitz besonders hervorheben möchte, die zur Höchstleistung erforderliche Freiheit zugesprochen wird, sowie klaglose Zusammenarbeit mit allen maßgebenden Stellen bis zur höchsten Instanz, dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft.

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