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Wald in Not

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Die Ausfuhr Österreichs an Holz und Holzerzeugnissen spielt im Handels erkehr eine außerordentlich große Rolle. Nach den „Statistischen Nachrichten (Heft 4) wurden beispielsweise im März ausgeführt, insgesamt also Erzeugnisse im ( orsichtig berechneten) Gesamtwert on 317.426 Millionen Schilling, da6 sind rund 34 Prozent des Wertes aller überhaupt aus Österreich ausgeführten Waren. Gewichtsmäßig steigt der Anteil sogar auf nahezu 42 Prozent an. Es sind dies Leistungen unserer Forstwirtschaft, die die ollste Beachtung und Wertschätzung aller erdienen sollten, die aber leider in krassem Gegensatz zu den Leistungen und Aufwendungen stehen, die ihr on allen Seiten zuteil werden.

Die Holzausfuhr Österreichs hat aber neben dieser so sehr beachtlichen Seite noch eine andere, weniger erfreuliche: sie wird nämlich nur dadurch ermöglicht, daß, um daneben auch noch den großen inländischen Holzbedarf zu decken, weit mehr Holz geschlägert wird, als in der gleichen Zeit zuwächst, daß also, da weit höhere Beträge aus der Sparkasse Wald entnommen werden, als Zinsen hinzukommen, schonungslos auch das Kapital — und zwar in immer höherem Maße — angegriffen wird. Auf diese Weise erringert sich, da auch die Aufforstungen mit den Schlägerungen nicht immer Schritt halten, der jährliche Zuwachs. Und so kommt es, daß insbesondere in der Nähe der die Holz erwertung so sehr erleichternden erkehrswege „richtige“ Wälder mit schlagbaren Beständen immer seltener werden und daß für sehr iele Jungwüchse ein neues Wort Geltung besitzt: „Ich sehe wohl einen Wald, aber keine Bäumel“

Zugegeben, es gibt noch — fernab on Straßen und Bahnen — gute Wälder. Man ist aber mit Eifer daran, auch diese mit neuzeitlichen Bringungs erfahren zu erschließen, das heißt — auch in diesen den Aus erkauf des Holzes in die Wege zu leiten. Ein hartes Wort! Aber es trifft zu! Denn wir sind auf dem besten Wege, einen unserer reichsten Schätze, das „grüne Gold“, einem Aus erkauf zuzuführen, und dies in einem Zeitpunkt, in dem der Holz orrat der Welt immer knapper, die Nachfrage imrper drängender wird!

Aber wir stehen nicht nur or einer argen Minderung unersetzlicher Werte, wie sie sich zur Zeit auch durch die Erschöpfung unserer meisten Kohlen orkommen ergibt — das wäre schließlich nur eine Angelegenheit der Waldbesitzer —, sondern auch or einer nicht wieder gutzumachenden Schädigung unserer gesamten Wirtschaft, um nicht zu sagen, or einem gefahrdrohenden Angriff auf unsere Daseinsbedingungen. Denn ergessen wir nicht: Der Wald hält die Erde und die Regengüsse über dem Gestein fest! Er erhindert so die erkarstung und das ersiegen der Quellen, das Entstehen on Hochwässern und darauffolgenden Dürrezeiten, on Lawinen und ermurungen. Dadurch macht er den Betrieb der Landwirtschaft möglich, die Gewinnung on Kraft und elektrischer Energie, die ersorgung der Siedlungen mit Wasser, kurz die gesamte Kultur.

Man wird diese Ausführungen ielleicht als übertrieben, ängstlich und schwarzseherisch ansehen. Leider besitzen wir aber Beispiele genug, die zeigen, wie jeder Wald erwüstung nur zu rasch eine öllige Zerstörung aller Lebensbedingungen folgt: im Karst der einstigen Kronländer südlich der Sa e, um nur ein besonders krasses Beispiel aus der österreichischen Nachbarschaft anzuführen, aber auch auf der Rax und dem Schneeberg! (Ansätze zu solchen erwüstungen können wir aber auch schon im Weichbild Wiens feststellen, so zum Beispiel auf dem Leopoldsberg.)

Soll nun das Wort „Gott schuf die Welt, der Mensch die Wüste“ nicht auch bei uns zur bitteren Wahrheit werden, so muß dringendst das Gleichgewicht zwischen Holz erbrauch und Holzzuwachs wiederhergestellt und ein Weg gesucht werden, um die in den Waldbeständen gerissenen Lücken nach Möglichkeit zu schließen, noch ehe größere Schäden entstanden sind.

Die Lage, in der wir uns befinden, ist außerordentlich schwierig, dazu auch nicht leicht zu übersehen, da die Schätzungen sowohl des Holzzuwachses als auch des Holz erbrauches ziemlich weit auseinandergehen. Man dürfte aber nicht sehr weit fehlgehen, wenn man den jährlichen Holzzuwachs mit 8 YK bis 8 2 Millionen Kubikmeter, den Umfang der Schlägerungen aber mit IO 2 bis 12 annimmt, wobei noch feststeht, daß die Tendenz beim Zuwachs eine weiter fallende, beim erbrauch aber eine weiter steigende ist.

Wie kommt es nun zu dieser unheil ollen Entwicklung, die auch dann noch immer gefährlich genug ist, wenn der Holzzuwachs ielleicht doch ein wenig größer, der erbrauch hingegen ein wenig geringer wäre?

Die Ursachen des steigenden Holz erbrauches sind im wesentlichen folgende:

1. Das hohe Interesse unserer Handelspolitik, die gerade hier, bei dem enormen und ständig steigenden Holzbedarf der ganzen Welt günstigste und überaus bequeme Möglichkeiten sieht, reiche Erlöse für ausgeführte Güter hereinzubekommen.

2. Der rasch zunehmende Bedarf der in den letzten Jahren stark ausgebauten holz erarbeitenden Industrie und der gesamten Bauwirtschaft, der sich aus der Tatsache ergibt, daß fast jede Erfindung, jedes neue Bau erfahren letzten Endes zu einem Mehr erbrauch on Holz führt

3. Die Not ieler Bergbauern, für die die Holzerlöse meist noch die sichersten Einnahmen darstellen.

4. Der stark angestiegene Holzpreis (Index gegen 1914: 21.0!), der hohe Abgaben günstig erscheinen läßt, denn „so hohe Preise kommen nicht wieder, sie müssen daher ausgenützt werden“!

5. Das gedankenlose Festhalten an einem iel zu hohen Holz erbrauch, der ielleicht in jener, nun aber schon so lange zurückliegenden Zeit erständlich war, als das Holz frei in beliebigen Mengen zur erfügung stand und tatsächlich unanbringlich war, jeder Nagel aber hingegen um das so rare Geld eingehandelt werden mußte.

Was kann nun unter den bestehenden erhältnissen getan werden, um die Lage wirksam zu erbessern?

Die Technik hilft Holz sparen

Eine fühlbare Einschränkung der Holzausfuhr wird sich unter den gegebenen erhältnissen kaum durchführen lassen, um die bestehende Kluft zwischen den Werten der Ein- und Ausfuhr nicht noch zu ergrößern. Nur müßte es unseren Handelspolitiken! klarwerden, daß sie mit ihren Bemühungen, die Holzausfuhr zu fördern, offene Türen einrennen, da ja der Bedarf der Welt riesengroß ist, der Wettbewerb der wenigen heute noch holzausführenden Staaten höchstens orübergehend störend wirken kann, und daß es dringendst an der Zeit ist, Holz überhaupt nur mehr in weitestgehend erarbeitetem Zustand auszuführen, um neben dem Rohstoff Holz tunlichst auch noch durch iele Arbeitsleistungen zu erdienen. (Es sollte zum Beispiel nicht mehr orkommen, daß — wie erzählt wird — die sich langsam entwickelte Ausfuhr on Bestandteilen fertiger Holzhäuser aufhörte, da diese heute in Italien aus österreichischem Holz hergestellt und on dort aus in die Welt erschickt werden.)

Auch die Belieferung der holz erarbeitenden Industrie darf — aus Gründen, die hier wohl nicht näher besprochen werden müssen — nicht gedrosselt werden. Es müßte nur — mehr als es zur Zeit der Fall ist — darauf gesehen werden, daß auch alle Abfälle, die sich zum Beispiel beim erschnitt ergeben, restlos ausgenützt werden, was beim heutigen Stand der Technik bei einer einigermaßen entwickelten Organisation sehr gut möglich wäre.

Leider lassen sich die Not erkäufe unserer Bergbauern auch nur schwer einschränken, da diese eben auf diese Eingänge angewiesen sind. Es ist nur notwendig, sie nach Möglichkeit zu unterstützen, damit sie durch Übernahme der Schlägerung und Aufarbeitung des Holzes an Stelle der bescheidenen „Am-Stock- Preise“ entsprechend höhere für gut ausgeformte, richtig sortierte, bis zur Säge oder zum Bahnhof gestellte Ware erhalten, wodurch sie — bei Schonung ihrer meist schon iel zu iel angegriffenen Waldbestände — zumindest den gleichen

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