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Alles fur den Gast

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Im österreichischen Bauzentrum findet derzeit — bis zum 3. April 1967 — die Ausstellung „Gastronom“ statt; gleichzeitig wird im österreichischen Zentrum Produktform (Design Centre) in der eigenen Halle im Palais Liechtenstein die Hausgeräteschau „Der gute Tip“ mit der Sonderabteilung „Alles für den Gast“ gezeigt.

Eine Reihe von Veranstaltungen, Tagungen und Konferenzen hat in den letzten Monaten die Problematik des Fremdenverkehrs und die Probleme, die sich aus den Strukturveränderungen im Fremdenverkehr ergeben und zum Teil bereits alarmierende Erscheinungen gezeigt haben, systematisch untersucht. Als eine der wichtigsten Schlußfolgerungen aus der derzeitigen Situation ergab sich die Notwendigkeit einer zielgerichteten Planung auf lange Sicht und einer bewußten Steigerung der Qualität. Die Tatsache, daß Österreich nicht mehr als besonders billiges Reiseland gelten darf, aber auch der Zug, vom ausgesprochenen Massentourismus weg wieder zu einer anspruchsvolleren Besucherschichte vorzustoßen, bilden die Basis dieser Überlegungen. Es wird einiger Mühe und einer Vielzahl von Maßnahmen bedürfen, bis diese grundlegenden Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt und in der Praxis wirksam werden. Einiges Wird von Seiten der Behörden und der öffentlichen Hand beigetragen werden, bestimmte Maßnahmen werden von Vereinigungen der Unternehmer betrieben, Schwerpunktbildung und Werbung werden entsprechend berücksichtigt werden müssen.

Dennoch bleibt sehr viel für den einzelnen Unternehmer zu tun, Maßnahmen, die sich aus vielen kleinen Einzelheiten zusammensetzen, die aber durch außenstehende Stellen nicht mehr gesteuert werden können. Mit anderen Worten: es wird dem einzelnen Gaststättenbetrieb, dem Hotelier oder dem Inhaber einer Pension überlassen bleiben, wie er diese Qualitätssteigerung in seinem eigenen Bereich durchführt, und zwar so durchführt, daß sie dem Gast als Serviceleistung bewußt oder unbewußt vermittelt wird Gerade die Möglichkeit zu individuellen Maßnahmen kann aber auch zu jener individuellen Betreuung führen, die letzten Endes in dem Fremden das Gefühl aufkommen läßt, er sei in Österreich wie daheim.

Es wird also im Zuge dieser Bemühungen notwendig sein, zu überprüfen, wo noch Ansatzpunkte zu Verbesserungen bestehen, die bisher vielleicht nicht beachtet wurden, weil man zu wenig Zeit und vielleicht auch zu wenig Geld aufgewendet hat. In den meisten Fällen vielleicht aber auch nur, weil man es einfach nicht für nötig hielt. Dazu gehört vor allem die Einrichtung und Ausstattung der Fremdenverkehrsbetriebe. Die Zeit ist längst vorbei, da man sich noch darauf verlassen konnte, daß eine zufällig zusammengetragene oder übriggebliebene Einrichtung, behelfsmäßige Ausstattung für den zu einem kurfcen einmaligen Aufenthalt nach Österreich kommenden Gast ausreichend seien, wenn nur der österreichische Charme und die Landschaft ihre Wirkung tun könnten. Ganz abgesehen davon, daß gerade in Österreich nicht absolute Gewähr für gutes Wetter besteht, daß also der Besucher häufiger als anderswo gezwungen sein kann, einen Teil seines Aufenthaltes im Hotel zu verbringen — also dort auch zu wohnen — ist Charme und Improvisation bau dem herrschenden Personalmangel wicht genug: Die Ansprüche sind durch die zunehmenden Vergleichsmöglichkeiten mit dem in anderen Ländern Gebotenen gestiegen, sie steigen aueh durch den immer höher geschraubten Wohnkomfort im eigenen Heim, und sie werden nicht zuletzt durch eine Steigerung der Preise automatisch angehoben.

Patentrezepte können hier ebensowenig wie auf anderen Gebieten des Fremdenverkehrs geliefert werden. Unbedingt notwendig ist aber eine grundsätzliche systematische Überlegung, bevor Anschaffungen gemacht werden, und eine Überprüfung der Mittel, die man aufzuwenden bereit und in der Lage ist, sowie der Ziele, die man erreichen will. Es geht also darum, daß erst einmal entschieden wird, ob man etwa durch eine konsequente Neugestaltung und Umplanung den gesamten Stil eines Unternehmens ändern will und damit auch andere Besucher ansprechen möchte. Oder aber, ob eine komplette Neuausstattung einfach durch den Verschleiß notwendig geworden ist und nun nach Möglichkeit so durchgeführt werden soll, daß sie mit kleineren Ergänzungen durch längere Zeit verwendbar, zeitgemäß und funktionsfähig ist. In anderen Fällen wird es wieder nur darum gehen, Ergänzungen vorzunehmen — entweder die laufend notwendigen Ergänzungen oder aber, und dies ist wiederum eine grundsätzliche Überlegung, solche Ergänzungen, die zusätzliche Dienstleistungen oder dem Gast zusätzliche Möglichkeiten der Betätigung, des Ausruhens oder der Unterhaitung bieten. Der Umfang und der Spielraum solcher Entscheidungen ist sehr weitläufig: nehmen wir nur als Beispiel an, es soll entschieden werden, ob ein Betrieb in Zukunft einen ortsgebundenen Stil im Mobilar, in den Textilien, im Tischgerät usw. einhalten soll oder ob man sich etwa auf eine eher internationale Linie mit vielen leichtbeweglichen Einzelteilen festlegt. Es kann sich aber auch darum handeln, ein Spielzimmer einzurichten, eine Fruchtsaftbar oder einen Leseraum — vielleicht aber auch nur darum, bei der Neuanschaffung von Tischgeräten eine einheitliche Linie zu wahren und damit das „Gesicht des Hauses“ charakteristisch zu bestimmen.

Bei all diesen Überlegungen sollte nicht außer acht gelassen werden, daß es nicht nur ausschließlich auf den äußerlich sichtbaren Effekt ankommt, sondern daß ebenso wichtig das reibungslose Funktionieren hinter den Kulissen ist. Instandhaltung, tägliche Pflege und Aufbewahrung von Einrichtungsgegenständen und Geräten aller Art sind um so wichtiger, je schwerer es ist, geschultes Personal zur Betreuung zu bekommen. Besonders wichtig werden solche Überlegungen naturgemäß dann, wenn es sich um die Einrichtung von Küchen, Anrichten, Servier- oder Beförderungsvorrichtungen handelt, wo der Arbeitsablauf bis ins Kleinste geplant werden muß und auch jede Einzelheit diesem Plan angepaßt werden sollte. Die einwandfreie Funktion und gute Benützbarkeit hört indes nicht dort auf, wo der Gast die Gegenstände in die Hand bekommt. Auch er erwartet von den Dingen, die ihn in seinem 'orübergehenden Heim umgeben, daß sie ihne Mühe und womöglich zu seiner Freude unktionieren: von der Heizung und sanitären Anlagen angefangen bis wieder zum Eß-jesteck und Trinkglas. Der Gast, der im Jrlaub ja viel mehr Zeit zur Verfügung hat ils etwa beim kurzfristigen Restaurantbesuch zwischen Konferenzen und inmitten eines \rbeitstages, bemerkt viel schneller, als läufig angenommen wird, wo Mängel schiert oder nur notdürftig verborgen sind md wo man versucht, mit einer flüchtig auffrisierten Fassade über unzureichende Dienstleistungen hinwegzutäuschen.

Nicht ganz zu Unrecht hat man den österreichischen Unternehmern häufig vorgeworfen, daß sie im Vertrauen auf die erwiesene Qualität bestimmter Dienstleistungen Details außer acht lassen. Wer aber heute den Aufwand für eine gute Küche auf sich nimmt, sollte die zusätzlichen Kosten für sauberes Gedeck, einwandfreies Geschirr und, um nur ein Beispiel zu nennen, ordentliche Aschenbecher nicht scheuen, zumal es sich oft nicht einmal um wesentliche Kosten, sondern nur um organisatorische Maßnahmen handelt. In diesem Zusammenhang muß auch vom guten Design die Rede sein oder besser vom Design schlechthin: Manche mögen argumentieren, man dürfe nicht mit einem allzu hohen geschmacklichen Niveau der meisten Besucher aus dem Ausland rechnen. Nun, abgesehen davon, daß diese Behauptung nicht beweisbar ist, wäre es wohl in keinem Fall richtig, die Ausstattung und Einrichtung für den Gast auf das niedrigst mögliche Niveau einzustellen, denn bekanntlich werden Verbesserungen leichter akzeptiert als Unzulänglichkeiten. Im übrigen geht es aber auch nicht nur um die „gute Form“ auf dem geschmacklichen Gebiet, um das hübsche oder ansprechende Aussehen allein. Mit dem umfassenderen Begriff „Design“ werden die Funktion, der Gebrauchswert, Material und Verarbeitung ebenso wie die formale Gestaltung einbezogen, und Design in diesem Sinne ist nichts anderes als ein äußerlich sichtbarer und merkbarer Ausdruck tatsächlich vorhandener Qualität. Diese Qualität aber auch an allen jenen Dingen zu demonstrieren, die den Fremden während seines Aufenthaltes umgeben, kann nur im Sinne des österreichischen Unternehmers liegen. Höhere Anschaffungskosten sind damit keineswegs immer verbunden, und, wenn dies der Fall sein sollte, wären sie zweifellos durch die erzielte Wirkung und die damit verbundene Zufriedenheit des Gastes ebenso gerechtfertigt wie durch längere Lebensdauer und Erleichterungen im Gebrauch.

Vielleicht tragen die in letzter Zeit immer vernehmlicher geäußerten Sorgen und Befürchtungen aus Kreisen der Fremdenverkehrswirtschaft dazu bei, alle jene zum Nachdenken anzuregen, in deren Bereich eine Qualitätssteigerung durch besseres Design liegt: die Produzenten von Einrichtungsund Ausrüstungsgegenständen durch eine Anpassung an die Gegebenheiten und eine stetige Verbesserung des Niveaus; die Händler, die sich auf ihre Beratungsaufgabe besinnen könnten und ihrerseits wesentlich zur Wertschätzung guten Designs beitragen, ohne auf das bequeme Schlagwort vom schlechten Geschmack verweisen zu müssen; und schließlich die Unternehmer selbst, bei denen es letzten Endes liegt, durch ihre Wahl einerseits die Vervollkommnung der österreichischen Produktion zu beeinflussen und anderseits dem Gast echte Leistung zu bieten. Denn sie sind es auch, die als erste eine positive Reaktion als Erfolg für sich werden buchen können.

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