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Abreißkalender auf Rädern

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Das Jahresende regt zu Bilanzen auf den verschiedensten Gebieten an. So wollen wir auch auf dieser Seite das zu Ende gehende Jahr überschlagen und gleichzeitig einen Ausblick auf das kommende wagen. Wir haben keineswegs die Absicht, mit statistischem Material aufzuwarten, sondern auch auf dem ein wenig hektisch wirkenden Kraftfahrzeugsektor sollte das Jahr mit einer besinnlichen Betrachtung ausklingen.

Der Beginn des ablaufenden Jahres war gekennzeichnet durch das Schienenparkverbot, das, wie der Oberste Gerichtshof nunmehr festgestellt hat, eigentlich — wie vielfach vermutet — gesetzwidrig ist. Dieses Schienenparkverbot wurde, anfänglich eigentlich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, angepriesen. Vorerst wurde versichert, daß es ausschließlich auf die Wintermonate befristet sei und dem Zweck diene, den Schneeräumgeräten die Möglichkeit einer einwandfreien Fahrbahnreinigung zu geben. Aber so wenig Schnee und soviel Parkverbot wie heuer hat es wohl noch nie gegeben! Das konnte man bereits im Frühjahr feststellen. Dennoch kam man darauf, daß die segensreiche Einrichtung des Schienenparkverbots auch ohne Schnee anzuwenden ist, denn man hatte ja bereits im schneearmen Winter entsprechende Erfahrungen sammeln können, und so wurde dieses Verbot zur ständigen Einrichtung:, erklärt. Nun war die Begründung allerdings eine andere und lautete: Flüssigmachung des Verkehrs. War man zuerst wegen des Winters auf diese segensreiche Einrichtung verfallen, so mußte sie sich mit der wärmeren Jahreszeit „verflüssigen“. Also schuf man in Wien auf den meist starkbefahrenen Schienenstraßen den „flüssigen Verkehr“. Dieser hat nun für den Kraftfahrer den großen Nachteil, daß er so weitgehend verflüssigt wurde, daß es bereits ein Problem ist, stehenzubleiben, denn die zur Verfügung stehenden Parkflächen, soweit sie nicht durch Halteverbote zwecks Ladetätigkeit gesperrt sind, erweisen sich zumeist als überfüllt, so daß es oft beträchtlichen Zeitaufwandes bedarf, bis auch für ein kleines Fahrzeug ein entsprechender Parkraum gefunden werden kann. Die Fahrzeit von A nach B ist wohl kürzer geworden, die Parkfrage ist jedoch schwieriger und die Fußwege sind erheblich länger geworden, und somit wird die eingesparte Zeit nicht nur wieder aufgebraucht, sondern in den überwiegenden Fällen noch überboten.

Im Gegensatz zum Schienenparkverbot hat sich die Einführung der Kurzparkzone in der Inneren Stadt bewährt. Diese zweckmäßige Einrichtung wäre auch auf Schienenstraßen angebracht, namentlich, wenn sie so breit sind wie etwa die Mariahilfer oder die Landstraßer Hauptstraße. Für die Geschäftsleute in diesen und anderen Straßenzügen würde sich dies als wesentliche Verbesserung der Situation erweisen.

Im ausklingenden Jahr ist der Zuwachs an Kraftfahrzeugen weiterhin gestiegen und zeigt damit, daß auch die Konjunktur in der österreichischen Wirtschaft erhalten geblieben ist, eine Tatsache, die nicht genug gewürdigt und begrüßt werden kann.

Eine Reihe von Umleitungen, die der Kraftfahrer vorerst wohl als unangenehm empfindet, zeigt, daß auch im Straßenbau und Straßenverbesserung Erhebliches geschieht. Dies gilt nicht nur für die Stadtgebiete, sondern in noch weit größerem Maße auch für die Fernverkehrs- und Nebenstraßen, die zum Teil verbreitert, zum Teil überhaupt neu trassiert werden. Besondere Bedeutung hat das natürlich für den Fremdenverkehr, der ja mit Wohlstand und Gedeihen gleichbedeutend ist. Hier hat man die Möglich keit, die Straße dem einreisenden Fremden gleichsam zu verkaufen, wobei sie dennoch in unserem Besitz verbleibt — unserer Meinung nach ein sehr gutes Geschäft.

Auch in der landwirtschaftlichen Motorisierung ist ein stetiger Aufschwung merkbar, der nur begrüßt werden kann, bedeutet er doch Rationalisierung der Arbeit und damit mehr Ertrag bzw. Verbilligung oder doch zumindest keine Verteuerung der landwirtschaftlichen Produkte.

Der ansteigende Verkehr ist leider auch gleichbedeutend mit einer Erhöhung der Unfallszahlen. Jeder Oesterreicher, und wer hier die entsprechenden Umstände verfolgt, wird mit Entsetzen festgestellt haben, daß im relativ kleinen Oesterreich viel zu viele Unfälle stattfinden. Entsprechende Gegenmaßnahmen sind wohl im Aufbau. Wir denken hier nicht nur an die erwähnte Verbesserung des Straßennetzes, wir denken auch an die Schaffung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, an all die Aktionen, die einzig und allein den Sinn verfolgten, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Wir sind jedoch der Auffassung und haben sie immer wie der vertreten, daß es äußerst schwer ist, den erwachsenen Menschen zu erziehen. Es wäre wesentlich einfacher, alle Faktoren, die auf dem technischen Sektor, also beim Kraftfahrzeug, zu suchen sind, einer größtmöglichen Verbesserung zuzuführen. In Anbetracht der Tatsachen müssen wir daher feststellen, daß von seiten der Autoindustrie immer noch viel zuwenig in Richtung Insassenschutz eines Kraftfahrzeuges geschieht. Wir müssen hier die traurige Feststellung treffen, daß heute jede Automobilfabrik sehr wohl darüber orientiert ist, wie viele Unfälle allein durch entsprechenden Insassenschutz abzuschwächen bzw. deren Folgen zu vermeiden wären. Aus rein kaufmännischen Ueberlegungen heraus jedoch wird dieses wichtige Gebiet entweder nachlässig oder überhaupt nicht beachtet. Der Direktor einer deutschen Automobilfabrik hat anläßlich der Vorstellung eines Fahrzeuges seiner Firma in Wien die aus berufenem Munde besonders eigenartig anmutende Bemerkung gemacht, daß ein geflügeltes Wort in der Automobilindustrie laute: „Sicherheit verkauft sich schlecht." Wir sind hier völlig anderer Meinung. Es ist nicht unbedingt erforderlich, dem Kunden im Werbematerial einen Unfall, vor Augen zu führen und ihm damit zu zeigen, wie wichtig eine entsprechende Ausstattung des Fahrzeuges ist. Wenn man ihm dagegen erklärt, daß die Schutzmaßnahmen des betreffenden Fahrzeuges so ausgezeichnet sind, daß er unter den denkbar günstigsten Voraussetzungen am Verkehr teilnimmt und im Falle einer Karambolage in bestem Zustand daraus hervorgehen wird, dann kann ihn das nicht abschrek- ken. Darüber hinaus sind wir der Meinung, daß die Automobilfabriken über die entsprechenden Maßnahmen nicht viele Worte zu verlieren brauchten, sondern die einzige Pflicht hätten,

den Insassenschutz kompromißlos durchzuführen. Schließlich haben , die Fluggesellschaften der ganzen Welt in dieser Richtung nicht die geringsten Hemmungen, diese Unternehmungen, die auf reiner Wirtschaftlichkeit aufgebaut sind. Sie stellen die Sicherheit in jeder Form an die erste Stelle überhaupt. Warum sollte nicht end- lieh auch die Automobilindustrie vom gleichen Standpunkt ausgehen können? Wir können mit Fug und Recht nunmehr Fahrzeuge erwarten, die kompromißlos alle anderen Momente dem Faktor Sicherheit unterordnen. Das wäre so etwa ein Wunsch für das kommende Jahr, obwohl sich dergleichen bisher in keiner Weise abzeidhnet. Es ist jedoch zu hoffen, daß man in der Automobilindustrie nun endlich genügend Mut und vor allem Realismus findet, um endlich von zaghaften Ansätzen zur bewußten Lösung des Problems vorzudringen.

Diesen wichtigen Punkt in der Kraftfahrt voranzutreiben, wäre nicht zuletzt eine dankenswerte Aufgabe der Versicherungsgesellschaften,

die ja in letzter Zeit eine weitere Erhöhung der Haftpflichtversicherungsprämien fordern und ankünddgen. Wir haben darüber bereits berichtet. Falls diese Ansprüche berechtigt sind, dann wäre es zu Ende kommenden Jahres wohl unsere schönste Aufgabe, diese Prämienerhöhung den Versicherungsgesellschaften auf Grund von günstigeren Unfallsstatistiken als heute wieder abzuverlangen. Es ginge dabei noch weniger um die Beträge als vor allem um die Gewißheit, daß mehrere Menschenleben erhalten geblieben sind und Verlust von Gesundheit und Lebensfreude vermieden werden konnte.

Ein Ausblick auf das kommende Jahr kann nur auf Vermutungen basieren. Der derzeitigen Situation entsprechend aber wird der Kraftfahrzeugbestand wahrscheinlich weiter ansteigen, das Straßennetz eine weitere wesentliche Verbesserung erfahren, um weitere tausende Kraftfahrer möglichst klaglos in den Verkehr zu pumpen. Jeder der neuen Fahrer, der heute seine Prüfung besteht und sich mit .seinem Fahrzeug in den Verkehr wagt, steht praktisch einer schwierigeren Verkehrssituation gegenüber als jener Fahrer, der dies vor einigen Wochen unternahm. Die stets ansteigende Verkehrsdichte bringt eine ständige Verschärfung der Verkehrssituation mit sich. Allerdings, und das soll hier festgestellt sein, gibt es einmal einen Punkt, da die Unfallszahlen durch die große Verkehrsdichte wieder fallen, und zwar dann, wenn sich der Verkehr nur noch so langsam abwickelt, daß die Schwere der Unfälle durch den gemächlichen Verkehrsablauf gemildert wird. Was soll sich der Kraftfahrer nun wünschen?

Wir möchten den Lesern der Motorseite ein fröhliches Weihnachtsfest und ein glückliches neuer Jahr wünschen!

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