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Europäische Holzversorgung

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Der letzte Weltforstkongreß, der vor nicht ganz einem Jahr in den USA stattfand und die führenden Forstleute der ganzen Welt vereinigte, kam in vielen Arbeitssitzungen auf Grund eines umfassenden statistischen Materials zur Erkenntnis, daß der Holzbedarf der Welt ungefähr doppelt so schnell wächst wie die forstliche Produktion und daher eine immer größer werdende Holzknappheit bevorsteht.

Das rapide Ansteigen des Holzbedarfs hängt in erster Linie mit der Zunahme des Holzverbrauchs pro Kopf bei steigendem Lebensstandard zusammen. In den zehn wohlhabendsten Staaten der Erde beträgt der Nutzholzverbrauch pro Kopf und Jahr 1,5 Festmeter, in den zehn ärmsten dagegen nur 0,02 bis 0,05 Festmeter.

Im Papierverbrauch ist der Unterschied noch krasser: USA 196 Kilogramm, China zwei Kilogramm pro Kopf und Jahr!

Was für die Welt gilt, trifft auch für Europa zu. Der Holzverbrauch steigt von Jahr zu Jahr und verlagert sich gleichzeitig immer mehr vom Brenn- zum Nutzholz. Das europäische Nutzholzdefizit wird auf diese Weise immer größer.

Der europäische Schleifholzverbrauch ist in den letzten zehn Jahren um 73 Prozent, der Holzverbrauch der Plattenindustrie aber sogar um mehr als 400 Prozent gestiegen. Für die kommenden zehn Jahre rechnet man mit einem Anhalten dieser Entwicklung und erwartet für den OEEC-Bereich eine zweiundachtzigprozentige, für das hochindustrialisierte Westeuropa allein eine hundertvierzigprozentige Zunahme des Schleifholzbedarfs. Der Bedarf der Plattenwerke wird voraussichtlich um zehn bis fünfzehn Millionen Festmeter zunehmen; auch für Schnittholz ist ein steigender Verbrauch anzunehmen, und nur Gruben- und Brennholz lassen weiterhin rückläufige Verbrauchsdaten erwarten.

Auch in Österreich ist der steigende Holzverbrauch eine Tatsache: die jährliche Wachstumsrate in der Produktion seiner wichtigsten holzwirtschaftlichen Industriezweige lag im Durchschnitt der letzten zehn Jahre Für Schnittholz bei 4.7 Prozent, Zellulose 8.9 Prozent, Papier 10,2 Prozent, Isolierplatten 11,6 Prozent. Hartplatten 27,5 Prozent und Spanplatten (Fünfjahresdurchschnitt) 59,2 Prozent.

Die Forstwirtschaft kann mit dieser rapiden Entwicklung beim besten Willen nicht Schritt halten; sie kann die Wachstumsgesetze der Natur nicht ändern. Wohl steigen durch intensive Bewirtschaftung der Wälder, bessere Forstaufschließung. Entlastung des Waldes von der Weide- und Streunutzung usw. auch ihre Produktionsleistungen. Die Waldflächen nehmen zwar zu, denn in Europa werden nun im Durchschnitt jährlich 350.000 Hektar aufgegebene landwirtschaftliche Flächen (sogenannte „Grenzertragsböden“) und Ödland aufgeforstet, und im Rahmen des ..Flurholzanbaues" werden alljährlich etwa 50.000 Hektar außerhalb des Waldes mit raschwüchsigen Holzarten - Pappeln und Eukalyptus — bepflanzt. Demgegenüber macht der Verlust an Waldfläche durch Rodung jährlieh nur etwa 30.000 bis 3 5.000 Hektar aus. Es ist also durchaus auch mit einem Steigen der forstlichen Produktion zu rechnen, doch sind die meisten dieser Maßnahmen mittel- und langfristiger Natur und können erst in einer Reihe von Jahren die Situation bessern.

Bisher konnte der rasch steigende Nutzholzbedarf der europäischen Wirtschaft überwiegend noch durch Umschichtungen aus dem Brennholzsektor befriedigt werden. Viel früheres Brennholz ist zu Nutzholz geworden und viele Forst- und Industrieabfälle, die früher unbeachtet liegenblieben, werden heute von der Industrie auf genommen. Als Beispiel: Die österreichische Papier- und Zelluloseindustrie deckt heute nahezu die Hälfte ihres Holzbedarfs mit Kiefer, Laubholz und Sägespreißeln und konnte damit ihre Produktion bedeutend steigern, ohne den knappen Sektor des „klassischen“ Schleifholzes (Fichte, Tanne) stärker zu belasten.

Der Brennholzmarkt wird im Zeitalter der Kohlenkrise, des Heizöls und Ferngases weiterhin schrumpfen und damit zweifellos noch beträchtliche Holzmengen freigeben. Aber dieses Brennholz ist überwiegend schwaches L a u b h o 1 z, dessen Werbungskosten sehr hoch liegen, dessen industrielle Verarbeitung teuer ist und in der Regel keine hochwertigen Produkte liefert und dessen Einstandspreis daher unausweichlich niedrig liegt und liegen wird. Was die Wirtschaft braucht, ist Nadelholz; was die Forstwirtschaft gegenwärtig zusätzlich anbieten kann, ist vor allem schwaches Laubholz mit seinem Mißverhältnis von Kosten und Preis!

Raschen Erfolg erhofft man sich vom A n- bau schnellwüchsiger Holzarten auf landwirtschaftlichen Böden. Italien zum Beispiel hat den Pappelanbau außerhalb des Waldes schon so weit vorangetrieben, daß es 1960 bereits 1,5 Millionen Festmeter ernten konnte (zum Vergleich: der gesamte italienische Wald produzierte 5,7 Millionen Festmeter!). In den südeuropäischen Ländern geht man vielfach dazu über, nun auch beste Ackerböden mit Pappeln zu bepflanzen. Man ist der Meinung, daß die Pappelkultur weniger Arbeit erfordert und mehr trägt als zum Beispiel der Getreidebau, und weist auf den großen Holzmangel einerseits und die besorgniserregende Überproduktion an Weizen anderseits hin.

Für die weitere Zukunft kann die Intensivierung der Forstwirtschaft also zweifellos bedeutende Mehrerträge an Holz, und zwar auch an dem gesuchten Nadelholz, bringen. Allerdings müssen hierzu große Investitionen erfolgen,

die sowohl viel Geld als auch viel Zeit erfordern.

Von größter Wichtigkeit ist, daß die forstlichen Produktionsmöglichkeiten ständig gewissenhaft verfolgt werden. Diesem Zweck dienen die modernen kontinuierlichen Forstinventuren, wie eine solche eben in diesen Wochen für Österreich begonnen wurde. Sie werden heute schon in vielen Staaten durchgeführt und erlauben es, die Entwicklung der Forstwirtschaft laufend exakt zu messen und daraus die Nutzungsmöglichkeiten abzuleiten. Mehr und mehr bricht sich ja der Gedanke der „dynamischen Forstpolitik“ Bahn, der die Tatsache des „steigenden Waldertrages“ berücksichtigt.

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