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Die Erde wird zum großen Glashaus

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Mehr Einsatz von künstlich erzeugter Energie bedeutet mehr Probleme für unsere Umwelt. Auch besorgniserregende Auswirkungen auf das Weltklima zeichnen sich ab.

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Mehr Einsatz von künstlich erzeugter Energie bedeutet mehr Probleme für unsere Umwelt. Auch besorgniserregende Auswirkungen auf das Weltklima zeichnen sich ab.

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Unser Energieverbrauch steht in vielfältiger Weise in Zusammenhang mit der Umweltproblematik. Das machte uns erst kürzlich die Katastrophe von Tschernobyl klar. Die Suche nach Ursachen für das Waldsterben weist in dieselbe Richtung: Abgase von Autos, Kraftwerken und Hausbrand spielen da eine prominente Rolle. Und hin und wieder hört man etwas über die Auswirkungen der Energieerzeugung auf unser Klima.

Da ist zunächst der unmittelbare Zusammenhang: Was immer wir an Energie einsetzen, es wird früher oder später in Wärme um-

gewandelt. Das ist ein Naturgesetz, an dem nicht zu rütteln ist.

Immer noch macht die Sonnenenergie den Löwenanteü am Energiehaushalt unserer Umwelt aus: Was Österreich in einem ganzen Jahr an künstlicher Energie verbraucht, das stellt uns die Sonne in nur einem Tag bereit. Dieser Durchschnittswert wird aber im Großstadtbereich von Wien deutlich überschritten: Hier macht die künstliche Energie bereits mehr als zehn Prozent der Sonnenenergie aus (FURCHE 10/1981).

Zwar nimmt-man-an, daß klimatische Auswirkungen sich erst bei einem Anteil von rund 15 bis 20 Prozent ergeben. Eine kürzlich bekanntgewordene Untersuchung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik zeigt aber, daß wir in Wien bereits Klimaveränderungen registrieren. Im Zentrum der Stadt ist es nämlich deutlich wärmer als am Stadtrand: Drei Grad beträgt der Unterschied im Jahresdurchschnitt.

An manchen Tagen ist das Gefälle enorm. Da gibt es Unterschiede bis zu elf Grad etwa zwischen Wien-Mariabrunn und dem Stadtzentrum. Und die Differenzierung nimmt zu. In den letzten drei Jahrzehnten vergrößerten sich die Unterschiede um 150 Prozent!

Nicht nur durch den hohen Energieverbrauch entwickelt sich langsam ein eigenes Großstadtklima, das das deutsche Umweltschutzbundesamt folgendermaßen kennzeichnet: In Städten mit mehr als einer Million Einwohnern

• regnet es um zehn Prozent mehr,

• gibt es um 100 Prozent mehr Nebel,

• scheint die Sonne um eine Stunde täglich weniger,

• gehen täglich 50.000 Tonnen Schmutz nieder und

• weht der Wind um 25 Prozent weniger.

Je nach Lage der Stadt hat dies unterschiedlich schwerwiegende Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bevölkerung. Manchmal werden bereits die Grenzen des Erträglichen erreicht, etwa am 18. Jänner 1985 im Ruhrgebiet, einer Agglomeration von mehreren Großstädten auf engstem Raum. Damals wurde Smog-Alarm der höchsten Stufe (III) gegeben: Fast völliges Fahrverbot für PKW, Produktionseinschränkungen für die Industrie, Betriebsstillegungen, dort wo besonders viel Verschmutzung entsteht.

Nicht übersehen darf man aber auch die Auswirkungen des bei jeder Verbrennung entstehenden Kohlendioxids (CO2). Dieses an

sich nicht giftige Gas kommt natürlicherweise in unserer Atmosphäre vor (sein Anteil betrug bis zum 19. Jahrhundert 0,027 Prozent am Volumen der Luft).

, Seit damals ist (im Zusammenhang mit der unehmenden, auf dem Einsatz künstlicher Energie beruhenden Industrialisierung). ein Anstieg der CÖ2-Konzentra-tion festzustellen. Die Schätzungen belaufen sich auf 15 bis 30 Prozent.

Dieser Umstand wäre dann nicht weiters bedenklich, hätte' er nicht Auswirkungen auf unser Klima. COj hat nämlich eine bemerkenswerte Eigenschaft: Es läßt zwar das Sonnenlicht durch, reflektiert aber Wärmestrahlen. Man spricht vom sogenannten Glaushauseffekt. Je mehr CO2 in der Atmosphäre ist, umso mehr wird die von der Erdoberfläche abgestrahlte Wärme wieder in unseren Lebensraum zurückgeworfen.

Seit dem Geophysikalischen Jahr 1957/58 gibt es genaue CO2-Messungen. Sie machen deutlich, daß bis zu Beginn der achtziger Jahre der C02-Gehalt der Luft um sechs Prozent gestiegen ist, wobei eine deutliche Beschleunigung zu verzeichnen ist. In den letzten beiden Dekaden dürften 50 bis 60 Prozent des künstlich erzeugten Kohlendioxids in der Atmosphäre verblieben sein.

Und die Temperatur? Sie ist natürlich schwer zu erfassen — und daher gehen diesbezüglich die Meinungen auseinander. In einem Untersuchungsausschuß des US-

Senats wurde kürzlich eine Arbeit präsentiert, die einen geringfügigen Anstieg in den letzten 100 Jahren erkennen läßt, zuwenig jedenfalls, um eingeschworene Lobbies zu beeindrucken. Dennoch wird in dieser Studie gewarnt, daß „die Temperaturen in den nächsten 15 Jahren Werte erreichen werden, die es auf unserem Planeten in den letzten 100.000 Jahren nicht gab.“

In eine ähnliche Richtung weisen auch die Ausführungen von Klaus Heinloth von der Deutschen

Gesellschaft für Physik. Er vermerkt, daß die Reaktionen auf bisherige Warnungen deswegen recht lahm waren, weil „die Korrelation zwischen C02-Gehalt der Luft und Temperaturveränderungen erst seit zwei oder-drei Jahren wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte.“

Auch Nasa-Experte Robert Watson blies in dasselbe Horn, als er kürzlich vor dem US-Kongreß erklärte: „In den kömmenden Jahrzehnten müssen wir mit signifikanten Klimaveränderungen rechnen:“

Was erwartet uns also? Hält der bisherige Trend bei der CÖ2-An-reicherung an, so wird sich der Kohlendioxidgehalt der Luft in den kommenden 50 Jahren verdoppeln. Experten rechnen dann mit einer mittleren Erwärmung von zwei bis vier Grad. Sie gehen dabei von den Beobachtungen aus, die an der Atmosphäre des Planeten Venus gemacht worden sind. Dort beträgt der COj-Gehalt 96 Prozent und die Durchschnittstemperatur 482 Grad.

Zwei bis vier Grad, was ist das schon, mag sich der an große Zahlen gewöhnte Zeitgenosse denken, halb so schlimm. Die Experten teilen ein solches Urteil jedenfalls nicht.

So harmlos nämlich dieser Durchschnittswert klingt, so beachtenswert wären jedenfalls die örtlichen Auswirkungen: Im Bereich des Äquators gäbe es zwar so gut wie keine Veränderungen, wohl aber sehr deutliche in den polaren Zonen: Sogar ein teilweises oder vollständiges Abschmelzen der Polareiskappen wird für möglich gehalten. Allein in der Antarktis aber sind Wassermengen in Form von Eis gebunden, die 1,5 Prozent des gesamten Meerwassers ausmachen.

Würden sich nur 75 Prozent davon in Form von Eisbergen auf den Weg in warme Gewässer machen und schmelzen, stiege der Meeresspiegel derart, daß Dänemark und Holland gänzlich von der Landkarte verschwinden und von England und Schottland nur

vereinzelte Inseln übrig blieben.

Mag sein, daß solche Szenarien übertrieben sind. Ganz aus der Luft gegriffen sind sie jedenfalls nicht. Eine vernünftige, zu Maßnahmen veranlassende Besorgnis ist jedenfalls angebracht, Umso mehr, als nicht nur CO2 Sorgen bereitet. Steigend ist nämlich auch der Methangehalt der Luft (jährlich um ein bis zwei Prozent) — und Methan begünstigt in gleicher Weise den Glashauseffekt.

Auch hier sind in den letzten 150 Jahren beachtliche Veränderungen eingetreten, wie die Untersuchungen von Schneeproben in Grönland zeigen. Sie geben nämlich Auskunft über die Luftzusammensetzung der letzten Jahrtausende und lassen erkennen, daß der Methangehalt heute doppelt so hoch liegt wie Jahrtausende hindurch.

All das sind Zeichen an der Wand, die wir lesen — und beherzigen sollten. Die Botschaft: Macht endlich Schluß mit der Energievergeudung, nützt die Sonnenenergie!

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