Wege aus der Klimafalle

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Der Weltklimagipfel in Kopenhagen soll ein neues Klimaschutzprogramm bringen. Doch um das Dezember-Treffen zu einem Erfolg zu machen, braucht es eine politische Kehrtwende.

Was wären politische Gipfeltreffen ohne die Heerscharen von Redenschreibern und Beratern, die schon Wochen vor dem Ereignis die richtigen Worte für die Pressekonferenz danach vorbereiten, Worte, die dann den Obamas, Merkels und Sarkozys entströmen sollen: Ein kurzer Satz, ein paar Worte, um das Ergebnis auf den medial optimal konsumierbaren Punkt zu bringen und vielleicht gar in die Geschichtsbücher einzugehen wie damals JFK: „Today, in the world of freedom, the proudest boast is ‚Ich bin ein Berliner‘.“ Ja, so in der Art hätten sich das die Berater des US-Präsidenten auch vorgestellt beim G8-Gipfel in L’Aquila, als sie nach vollbrachter Klimaeinigung die Botschaft vom „historischen Konsens“ destillierten. Doch lange hielt die Freude nicht. Noch während Barack Obama sich wortreich darüber ergoss, dass die Industrie- und Schwellenländer sich verpflichten haben, bis 2050 die Erderwärmung nicht um mehr als zwei Grad Celsius steigen zu lassen, fuhr der UNO-Generalsekretär dazwischen. Ban Ki-Moon stutzte das Ergebnis auf „unzureichend“ zurück.

Hoffnungsschimmer oder Mogelpaket?

Aber sollte man nicht zufrieden sein? L’Aquila brachte immerhin erstmals ein Übereinkommen zwischen allen als Hauptverursacher der Erderwärmung geltenden Staaten – das erste positive Signal nach Monaten des Stillstandes auch für den im Dezember stattfindenden Weltklimagipfel in Kopenhagen. Doch wird das reichen? Die UNO mahnt jedenfalls dringend strenge mittelfristige Klimaziele bis 2020 ein, fordert eine Senkung der Emissionen um 25 bis 40 Prozent. Die Folgen des Klimawandels werden sich jedenfalls bis 2050 bereits in drastischer Weise manifestiert haben – auch in Österreich.

Bis 2040, so eine Studie des meteorologischen Instituts der Universität für Bodenkultur, wird es in Österreich je nach Bundesland drei- bis siebenmal mehr Hitzetage (über 30 Grad) geben als im Zeitraum 1963 bis 1990. Die Durchschnittstemperatur würde um bis zu 4 Grad steigen. Folgen: Dürren in den landwirtschaftlich intensiv genutzten Teilen Niederösterreichs und des Burgenlandes; Ernteausfälle bei Getreide, Kartoffeln und Raps; Austrocknung und Schädlingsbefall in Föhren- und Fichtenwäldern; eine Verschiebung der Vegetationsgrenzen, die zum Aussterben geschützter Pflanzen- und Tierarten führen würde; die saisonale Austrocknung kleinerer Flüsse, eine fortschreitende Gletscherschmelze (die Eismasse hat seit 1850 bereits um 50 Prozent abgenommen), Murenabgänge und Hangrutschungen aufgrund der schrumpfenden Permafrostböden. Dazu rechnen die Forscher der BOKU mit mehr Niederschlag in den Wintermonaten und einer Zunahme der Starkniederschläge (über 20mm/Niederschlag).

Das wären übrigens geradezu paradiesische Zustände im Vergleich zu den Folgen der Erderwärmung in Afrika. Ausgerechnet jene Länder, die den geringsten Ausstoß an Treibhausgasen verursachen, trifft die Umstellung des Klimas am härtesten (siehe Reportage Seite 22). Vergangene Woche veröffentlichte das „Millennium Institute Arlington“, ein der UN-Entwickungs- und der UN-Umwelt-Agentur zuarbeitendes Institut, eine alarmierende Datensammlung. Die US-Wissenschafter rechnen mit einer Halbierung der Ernteerträge für Afrika, der zunehmenden Wüstenbildung durch verzögerte oder ausbleibende Regenperioden und der Abholzung der Urwälder sowie einem Anstieg der an Hunger leidenden Menschen um 100 Millionen.

Umverteilung durch Zertifikathandel

Diese Ergebnisse decken sich mit Daten der Welternährungsorganisation und einer kürzlich veröffentlichten Studie der Berliner Humboldt-Universität, die dazu noch mit einer Verdoppelung der Lebensmittelpreise bis 2016 ausgeht (Furche Nr. 21/09). Die von den G8-Staaten zugesagte 15-Milliarden-Dollar-Hilfe für die Länder Afrikas werde in den kommenden Jahren jedenfalls nur einen Bruchteil der entstehenden Klimaschäden decken können. Die UNO und die Umweltorganisationen Greenpeace erhoffen sich deshalb von der Konferenz in Kopenhagen eine massive Umverteilung finanzieller Mittel über den Weg des Handels mit CO2-Zertifikaten. Demnach müssten die Industrieländer jährlich 100 Milliarden Euro für Energiezertifikate an jene Länder bezahlen, die kaum Treibhausgase produzieren, und gleichzeitig die Schwellenländer China und Indien mit Umwelttechnologie versorgen.

Es geht also in Wahrheit um etwa zehnmal soviel Geld, als die reichen Nationen den armen Ländern großzügig zugestehen wollen. Doch auch China, Indien, Brasilien und Russland können nicht einfach ungeschoren bleiben: Sie emittieren bereits 60 Prozent der pro Jahr anfallenden Treibhausgase. Alle Verhandlungen darüber scheiterten bisher. Russlands Regierung nannte jedes weitere Zugeständnis „unannehmbar“. Das ist es auch, was die deutsche Kanzlerin Merkel von einem „weiten Weg nach Kopenhagen“ sprechen lässt. Aber auch die Industrienationen selbst haben außer großen Worten nur wenig anzubieten. Ein Bericht des PEER-Networks, einer EU-gestützten Dachorganisation staatlicher Umweltbehörden, hat die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in sechs EU-Staaten, darunter auch Deutschland, Großbritannien und Spanien analysiert. Ihr Schluss: „Obwohl sich die Staaten seit Jahrzehnten zum Klimaschutz bekennen, geschieht real sehr wenig.“ Markante Fortschritte sind lediglich im Bereich der erneuerbaren Energie festzustellen (siehe auch Seite 23). Deren Anteil wächst in allen europäischen Staaten, stieg beispielsweise in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren von sieben auf 14 Prozent. Maßnahmen hingegen, die auf eine Beschränkung oder Verteuerung des Energiekonsums hinauslaufen würden, werden nur zögerlich gesetzt. Als negatives Beispiel führen die Studie Deutschland an, das trotz mehrerer Anläufe bis heute keine Ökosteuer auf fossile Energieträger eingeführt hat.

Die Angst vor dem Wähler

Andere Vorstöße scheitern kläglich an der mangelnden Vernetzung der EU-Staaten, so die Autoren des Berichts. Etwa führte die niederländische Regierung eine höhere Abgabe auf Flugbenzin ein. Weil die Ticketpreise in den Niederlanden deshalb stiegen, wichen die Passagiere auf Flughäfen in Belgien und Deutschland aus. Das Experiment musste abgebrochen werden.

In den vorbereiteten Dokumenten zum Gipfel von Kopenhagen wird deshalb auch Klage geführt, dass dort, wo einschneidende Maßnahmen notwendig wären, diese aus Angst vor Wirtschaftsnachteilen oder Wählerstimmenverlust nicht gesetzt werden. Dass diese Angst nicht unbedingt berechtigt ist, verdeutlicht die aktuelle Eurobarometer-Umfrage, wonach 50 Prozent der Befragten den Klimawandel als wichtigstes globales Problem sehen. Eine Einstellung übrigens, die sich im Energieverbrauch nicht niederschlägt. Der wächst kontinuierlich um 2,5 Prozent pro Jahr.

Wie sind nun die Erfolgsaussichten von Kopenhagen? Darüber gehen die Meinungen auseinander: Während die Regierungen von einer „drastisch gestiegenen“ Erfolgswahrscheinlichkeit ausgehen, ist die erfahrene Fachwelt sehr viel zurückhaltender. Und mit Grund: Selbst ein positives Verhandlungsergebnis würde noch keineswegs eine Ratifizierung in den über 180 Nationen bedeuten. Und wieder wendet sich hier der Blick sorgenvoll Richtung USA. Dort hatte der Senat 1997 mit 95 zu Null Stimmen gegen jedes Klimaabkommen gestimmt, das die Entwicklungs und Schwellenländer bevorteilt. Einen solchen Mechanismus würde aber auch das Kopenhagenprotokoll vorsehen. Auf Barack Obama wartet jedenfalls harte Überzeugungsarbeit: Von den 1997 amtierenden Senatoren sind 37 auch heute noch im Amt.

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