Treibhaus-Zeitbombe in Tundra und Meeren

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Wer trägt mehr schuld am Klimawandel? Wer soll die Konsequenzen daraus ziehen und zurückstecken? IPCC-Chef Rachendra K. Pachauri fordert im obigen FURCHE-Interview die Industrieländer auf, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden, und entschuldigt die ungenügende Klimapolitik der Schwellenländer mit deren wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Aufholjagd.

Chris Field, ein Mitglied des internationalen Gremiums zum Klimawandel des Weltklimarats IPCC, zieht einen anderen Schluss. Am vergangenen Samstag meldete sich Field auf einer Tagung der American Association for the Advancement of Science in Chicago mit einer Warnung zu Wort: Die Daten von 2000 bis 2007 zeigten einen weitaus stärkeren Anstieg der Treibhausgase als erwartet: „Wir sehen uns jetzt mit einem Klima konfrontiert, das über das hinausgeht, was wir je ernsthaft in Betracht gezogen haben. Den Grund dafür ortet Field im stark angestiegenem Ausstoß von Treibhausgasen in Schwellenländern wie Indien oder China. “ Die Erderwärmung könnte verheerende Großflächenbrände in tropischen Regelwäldern oder Eisschmelze in der Antarktis auslösen. Dies wiederum setze weitere Treibhausgase frei und treibe die Temperaturen weiter in die Höhe, erläuterte Field.

Aufgetaute Böden lassen Lachgas entweichen

Zur vermehrten Freisetzung von Treibhausgasen gab es am Wochenende auch eine besorgniserregende Meldung in der Zeitschrift Nature Geoscience: Jüngsten Studien zufolge steckt in den gefrorenen Böden der Tundren in Sibirien und Kanada eine Treibhaus-Zeitbombe. Laut dem Bericht zufolge könnten aus den auftauenden Permafrostböden Milliarden Tonnen klimaschädlicher Gase entweichen, die dort bisher sicher gespeichert waren.

Wissenschafter aus Finnland und Russland haben festgestellt, dass aus den so genannten Torf-Zyklus-Ökosystemen neben Kohlendioxid auch das etwa 300 Mal klimawirksamere Distickstoffoxid (Lachgas) entweicht. Pertti Martikainen von der Universität Kuopio fand mit russischen Kollegen bei Studien bei Workuta in Sibirien heraus, dass das Gas beim Auftauen und Wiedergefrieren der Böden freigesetzt wird.

Aber nicht nur die sibirische Tundra gibt Anlass zu Sorge, sondern auch die Fähigkeit der Ozeane auf der Südhalbkugel der Erde sinkt, Kohlendioxid (CO2) zu binden. Laut Nicolas Metzl vom Französischen Nationalen Forschungsinstitut wühlen die durch den Klimawandel hervorgerufenen starken Winde die Meere auf und wirbeln dadurch mehr CO2 an die Oberfläche.

Aufgewirbelte Meere setzen CO2 frei

Jährlich würden derzeit zehn Milliarden Tonnen des Treibhausgases durch menschliche Aktivitäten freigesetzt, während es in den frühen neunziger Jahren erst sechs Milliarden Tonnen gewesen seien. Damals konnte jedoch etwa ein Drittel davon durch die Meere gebunden werden, also etwa zwei Milliarden Tonnen. Heute sei das nur noch ein Fünftel – Tendenz sinkend.

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