Die weltweiten Bemühungen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, schreiten bislang nur schleppend voran. Ohne drastische Verringerung der Treibhausgas-Emissionen, so der letzte IPCC-Klimareport, könnte die globale Erwärmung leicht die international geforderte Obergrenze von 2 Grad Celsius überschreiten, was mit unabsehbaren Risiken verbunden sein kann. Kein Wunder also, dass großtechnische Maßnahmen zur Klima-Manipulation zunehmende Beachtung finden, um damit eventuell den Auswirkungen des Klimawandels vorbeugen zu können.
Der Erderwärmung durch Eingriffe in das globale Ökosystem entgegenzuwirken, ist freilich ein Szenario, an dem sich die Geister scheiden. So haben sich an der Einschätzung des so genannten "Climate Engineering" kontroverse Debatten entzündet: Sind diese Ansätze zu anfällig für Missbrauch und fatale Fehler, so dass sie a priori aus der Klima-Diskussion ausgeschlossen werden sollten? Sind sie Notfall-Maßnahmen mit weitreichenden und unvorhersehbaren Konsequenzen? Oder könnten sie tatsächlich eine geeignete Lösung für die potenziell katastrophalen Folgen der Erderwärmung bieten?
Ernüchternde Ergebnisse
Einen weiteren Beitrag zur aktuellen Diskussion liefert nun eine Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht wurde. Wissenschafter des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel untersuchten anhand von Computer-Simulationen die globalen Langzeitfolgen verschiedener Maßnahmen zur Klimaregulierung. Hierzu wurden fünf derzeit viel diskutierte Eingriffe beleuchtet: die Abschirmung von Sonnenstrahlung in der Atmosphäre, die Aufforstung großer Wüstengebiete in Nordafrika und Australien sowie drei Techniken, mit denen Kohlendioxid im Ozean gebunden werden soll, darunter etwa die Meeresdüngung mit Eisen. Zum Vergleich analysierten die Forscher ihr Erdsystemmodell auch ohne Klima-regulierende Eingriffe, wobei die aktuellen Prognosen des UN-Klimarats wegweisend waren.
Die Ergebnisse sind ernüchternd: Selbst wenn verschiedene Technologien kombiniert zum Einsatz kommen würden, ließe sich das Ziel, den globalen Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts auf etwa zwei Grad zu begrenzen, nicht erreichen. Mit Wärmereduktionen von weniger als acht Prozent blieben die einzelnen Technologien auch unter idealen Voraussetzungen "relativ ineffektiv", wie die Forscher berichten.
"Wir haben gesehen, dass das Potenzial der meisten Methoden deutlich geringer ist, als wir es erwartet hatten. Keines der von uns untersuchten Verfahren scheint geeignet, bei weiter steigenden CO2-Emissionen einen signifikanten Beitrag zur gefahrlosen Abschwächung des Klimawandels zu leisten", betont Studienautor Andreas Oschlies (siehe auch Interview). "Und alle Verfahren haben globale Nebenwirkungen oder könnten nicht gestoppt werden, ohne einen noch rascheren Klimawandel zu verursachen."
So bewirkte etwa der Auftrieb des Tiefenwassers im Ozean ein Ungleichgewicht des globalen Hitzehaushalts. Die Aufforstung der Sahara und des australischen "Outbacks" führte laut Klimamodell sogar zu einer regionalen Verstärkung der Erderwärmung, da die Erdoberfläche dunkler wurde und somit mehr Wärme speichern konnte. Zudem wurden durch verstärkten Wasserzufluss aus dem Meer die Strömungen verändert und der Salzgehalt der Küstenregionen reduziert. Der schlimmste Fall wäre für Oschlies, wenn der Monsun sich verschieben oder in Indien sogar ganz ausbleiben würde.
Experiment mit der Natur
Angesichts der zunehmenden politischen und auch kommerziellen Bedeutung des "Climate Engineering" wurde in der Europäischen Union das fächerübergreifende EuTRACE-Projekt ins Leben gerufen, das die Potenziale, Ungewissheiten und Risiken dieser Techniken umfassend bewerten soll. Nicht nur technische und naturwissenschaftliche Fragen, sondern auch Philosophie und Ethik spielen hierbei eine zentrale Rolle. "Dass der Mensch durch Großtechnik die globale Umwelt zu steuern versucht, wird oft als Anmaßung und Hybris empfunden", berichtet der Grazer Philosoph Harald Stelzer, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter in EuTRACE eingebunden ist. "Andererseits stellt sich die Frage, ob wir uns nicht schon längst in einem großen Experiment mit der Natur befinden."
Kritische Stimmen zum "Climate Engineering" befürchten, dass dadurch die Anstrengungen zur Reduktion der CO2-Emissionen unterlaufen werden könnten. Denn Technologien könnten leicht dazu herangezogen werden, den Status quo eines Wirtschaftssystems aufrechtzuerhalten, das im Hinblick auf den Ressourcenverbrauch mit globaler Ungerechtigkeit verbunden ist.
Ein wichtiger Punkt in der wissenschaftlichen Debatte sei daher der Begriff der "moralischen Korruption", wie Stelzer erläutert: "Das heißt, dass wir gut argumentierte Ausreden heranziehen, um unseren Lebensstil zu rechtfertigen und, ohne uns das wirklich einzugestehen, unsere eigenen Bedürfnisse über die anderer stellen - seien es nun Menschen in anderen Weltgegenden oder künftige Generationen."
FORSCHUNG
"Climate Engineering" im Fokus
Um die Erderwärmung im 21. Jahrhundert nicht über 2 Grad Celsius ansteigen zu lassen, sei dringender Handlungsbedarf gegeben, so der letztjährige Klimareport des "Intergovernmental Panel on Climate Change"(IPCC). Im IPPC-Report 2014 soll nun auch das "Climate Engineering" thematisiert werden, sodass mit einer weiteren Belebung der wissenschaftlichen Diskussion zu rechnen ist. Im August 2014 wird eine internationale Konferenz in Berlin eine Plattform bieten, um "Climate Engineering" aus einer Vielzahl von Perspektiven zu diskutieren. Aktuelle Forschungsprojekte umfassen etwa das Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft, das EUgeförderte EuTRACE-Projekt oder das "Climate Geoengineering Governance Project" in Oxford. Privat geförderte Projekte werden -mit je unterschiedlicher Legitimation -ebenfalls durchgeführt, ein öffentliches Verzeichnis hierzu gibt es aber nicht. Die Klimaverhandlungen für neue Richtlinien nach dem Kyoto-Protokoll sollten bis 2015 finalisiert werden; der Stellenwert des "Climate Engineering" in diesem Prozess ist noch offen. (mt)
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