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Wirbelstürme, Dürre und Überflutungen

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In großen Teilen Österreichs ist aus bisher noch unbekannten Gründen der Sommer ausgebrochen", spottete kürzlich eine Tageszeitung. Die bereits totgesagten heißen läge sind nun doch für kurze Zeit zurückgekehrt. So einen verregneten, kühlen Sommer ohne laue Nächte wie dieses Jahr, gab es nach Meinung vieler schon lange nicht mehr. Dabei drängt sich natürlich die Frage auf, ob das ganze Gerede von Treibhauseffekt und Klimaerwärmung nicht doch übertrieben ist?

„Insgesamt verläuft der bisherige Sommer ziemlich normal", lautet dagegen die Auskunft von Elisabeth Koch von der Klimaabteilung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik auf der Hohen Warte in Wien. Verglichen mit den letzten 30 Jahren war der Juni etwas zu warm, der Juli hingegen etwas zu kalt, der August verlief bisher durchschnittlich. „Es ist nur so, daß die vergangenen Sommer zu warm waren, und die Menschen haben anscheinend immer nur die letzten Jahre in Erinnerung", erklärt sich die Klimaexpertin den Grund, warum derzeit jeder über das Wetter redet.

Die Klimaerwärmung, so Koch, könne natürlich nicht isoliert betrachtet werden, sondern immer nur global. Da liegt Osterreich durchaus im internationalen Trend. Vor allem in den letzten zehn Jahren verzeichneten die Meßanstalten weltweit und auch in Osterreich einen markanten Temperaturanstieg (siehe Grafik). Das Rekordjahr hierzulandewar 1994.Eswar, verglichen mit den letzten 30 Jahren, um 1,9 Grad zu warm und mit Abstand das heißeste Jahr seit der 220Jahre langen Aufzeichnungen in Österreich.

Die Erde heizt sich derzeit auf, darüber sind sich die meisten Experten einig, und schuld daran ist in erster Linie der Mensch. Die Messungen der Klimaforscher haben ergeben, daß sich die mittlere Temperatur auf der Erde in den vergangenen 100 Jahren um 0,3 bis 0,6 Grad Celsius erhöht hat. Die Erderwärmung hinterläßt nach Ansicht von Wissenschaftern bereits erste deutliche Spuren:

■ Die durchschnittliche Windgeschwindigkeit hat sich in den mittleren Breiten um fünf bis zehn Prozent erhöht. Vor allem Zahl und Intensität tropischer Wirbelstürme hat zugenommen. Über dem Nordatlantik und Europa haben sich die starken Tiefdruckwirbel seit 1930 verdoppelt.

■ Die Wassertemperatur in weiten Bereichen der tropischen Ozeane hat sich in den vergangenen 50 Jahren an der Oberfläche um 0,5 Grad erhöht. Durch die Ausdehnung des Meerwassers und das Abschmelzen der Festlandgletscher ist der Meeresspiegel in den letzten 100 Jahren um zehn bis 20 Zentimeter gestiegen.

Wichtigster Verursacher des Treibhauseffektes ist mit etwa 50 Prozent der Energieverbrauch. Die Verbrennung fossiler Energieträger hat die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid auf den höchsten Wert seit 150.000 Jahren schnellen lassen. Aber nicht nur die Industrie und der Verkehr sind für den Treibhauseffekt verantwortlich. Auch die Landwirtschaft trägt zur globalen Erwärmung bei. Bindermägen und Beisanbau produzieren große Mengen an Methan (siehe Grafik), durch Düngung wird Distickstoffoxid freigesetzt. Die Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW) aus Kühlschränken und Spraydosen heizen ebenfalls unser Klima auf. „Zusammen stauen diese Gase so viel Hitze wie 300.000 Atomkraftwerke produzieren würden", schreibt Christopher Flavin im „Worldwatch Institute Beport 1996".

Das von den Vereinten Nationen eingerichtete Klimaexpertengremium „Intergovernmental Panel on Cli-mate Change" (IPCC) geht davon aus, daß die globale Durchschnitts- temperatur bis zum Ende des nächsten Jahrhunderts um 1,5 bis 4,4 Grad ansteigen wird, falls keine Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgase getroffen werden.

Der Mensch kennt in seiner ganzen Entwicklungsgeschichte bisher nur einen Klimazustand, der um maximal zwei Grad über dem heutigen Mittelwert liegt. So etwa während der Warmzeit vor 120.000 Jahren. Dabei war das arktische Eis geschmolzen, Skandinavien durch den höheren Meeresspiegel in eine Insel verwandelt. In Mitteleuropa lebten Nilpferde und in England Löwen.

Nicht nur das Ausmaß der Erwärmung beunruhigt Klimaexperten, sondern vor allem die Geschwindigkeit, mit der der Klimawandel vor sich geht. Viele Tier- und Pflanzenarten werden in ihrer Anpassungsfähigkeit überfordert sein und aussterben. Klimaexperte Siegfried J. Bauer, Leiter des Institutes für Meteorologie und Geophysik der Universität Graz, vermutet: „Die Erde kann das insgesamt alles vertragen, aber der Mensch kann das nicht, wenn Sie etwa daran denken, daß Millionenstädte am Meeresspiegel liegen." Die Zukunftsszenarien sind durchaus nicht einladend:

■ Die IPCC-AVissenschafter vermuten, daß bis zum Ende des nächsten Jahrhunderts der Meeresspiegel um 70 bis 100 Zentimeter steigen wird.

■ Niederschläge und Verdunstung werden global zunehmen, allerdings mit sehr starken regionalen Unterschieden. Extreme Wetterer-eignisse wie Stürme, Dürre und Fluten werden sich häufen.

■ Die Vegetationszonen der Erde werden sich verschieben. Wissenschafter nehmen an, daß eine um ein Grad höhere Temperatur zu einer polwärtigen Verschiebung der Vegetationszonen von 200 bis 300 Kilometer führen wird. Auch Österreich wird von der Klimaerwärmung betroffen sein. „Direkte Auswirkungen wird es auf die Tourismusbranche geben. Viel stärker könnte uns aber der Migrationsdruck beschäftigen, da gerade die wirtschaftlich schwächsten Länder von der Klimaerwärmung betroffen sein werden", erklärt Universitätsprofessor Stefan Schleicher, Vorsitzender des Österreichischen Klimabeirates und Mitglied des Forums Österreichischer Wissenschafter für Umweltschutz. Eine kürzlich erschienene Studie des Beirates analysiert die möglichen negativen und positiven Auswirkungen auf Österreich:

■ Durch eine Erwärmung gibt es kürzere Schneeperioden und weniger Schnee, was sich negativ auf den alpinen Wintertourismus auswirken wird.

■ Die Wassermengen der Bäche und Flüsse werden im Winter zunehmen, dafür werden die Schmelzwasserspitzen abnehmen. Positiver Effekt: Die Hochwassergefahr in den Alpen nimmt ab.

■Die Wälder sind durch länger anhaltende Trockenperioden von Insektenbefall und Feuer bedroht.

■ Der absehbare Effekt einer globalen Klimaerwärmung dürfte negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen haben. Durch verlängerte Hitzeperioden werden flerz-Kreislauferkrankungen zunehmen, Allergiker müssen mit größerer Pollenbelastung rechnen. Überdies werden sich Infektionskrankheiten, wie Malaria und Gelbfieber, ausbreiten. Zusätzliche gesundheitliche Belastungen könnten durch immer knapper werdendes Trinkwasser aufgrund von Trockenheit oder Überschwemmungen entstehen.

Konkreter wird eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie. Pro Grad Celsius Erwärmung wird es zu einem Bückgang der Schneebedeckung um bis zu zehn Tagen pro Jahr kommen, die Vegetation in den Bergen wird sich um 150 bis 200 Höhenmeter gipfelwärts verschieben. Fichtenwälder im Alpenvorland werden großflächig absterben, der Neusiedlersee könnte austrocknen. „Niemand bezweifelt heute, daß durch die menschliche Aktivität der Treibhauseffekt erhöht wird. Die Frage ist nur, um wieviel", gibt Klimaforscher Bauer zu bedenken. Und da gibt es derzeit noch viele Spekulationen, da die Bechenmodelle aufgrund der vielfältigen Natureinflüsse schwer am Computer zu simulieren sind.

■ So hatte etwa der Ausbruch des Vulkans Pinatubo im Jahre 1991 einen abkühlenden Effekt. Die in die Atmosphäre geschleuderten Staubteilchen schirmten die Sonnenstrahlen wie eine Sonnenbrille ab.

■ Der Ozean hat sich als ungeahnter Puffer für Kohlendioxid erwiesen. Gut die Hälfte des vom Menschen zusätzlich in die Atmosphäre eingebrachten Treibhausgases ist „verschwunden". Wissenschafter haben festgestellt, daß ein großer Teil davon vom Ozean aufgenommen wurde. Die vor einigen Jahren prognostizierten Temperaturanstiege mußten dadurch nach unten korrigiert werden.

■ Auch die Vegetation hat sich als „Kohlendioxid-Vernichter" erwiesen. Durch höhere Konzentrationen in der Luft wird das Pflanzenwachstum angeregt.

■ Durch stärkere Verdunstung werden auch mehr Wolken gebildet, die ebenfalls einen abschirmenden Effekt haben und weniger Sonnenstrahlen durchlassen.

„Die Klimamodelle sind kompliziert. Es gibt bereits Ungewißheit, wie sich das globale Temperaturmittel ändern wird. Noch viel schwieriger sind Vorhersagen, wie sich eine Erwärmung regional auswirken wird", meint Bauer und verweist mögliche Auswirkungen für Österreich in den Bereich von Spekulationen.

Die Autorin ist

Chemikerin undfreie Journalistin

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