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Mondforschung – heute

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Die Astronomie ist eine so vielseitige Wissenschaft, daß immer nur relativ wenige Fachleute sich auf ein Einzelgebiet wie das der Mondforschung spezialisieren können, was erst Monate oder Jahre intensiven Einarbeitens verlangt. So waren bei dem letzten Kongreß der „International Astronomical Union” (IAU) im vergangenen August in Prag unter den über 2000 Teilnehmern bei der Sitzung der Mondkommission etwa 40 bis 50 Fachleute zugegen. Im deutschen Sprachraum (Österreich, Schweiz, West- und Ostdeutschland) wird nur in Wien seit vielen Jahren auf diesem Gebiet gearbeitet. Im übrigen Europa sind es die astronomischen Institute in Manchester und London, in Paris- Meudon und auf dem Pic du Midi (Pyrenäen). In USA sind es vor allem das Lunar and Plantary Observatory in Tucson (Arizona), der US-Heeresvermessungsdienst (Washington), das Aeronautical Charte Information Center (ACIC) der Luftwaffe in St. Louis, geologische und andere Forschungsstellen der Wehrmacht, das geologische Bundesamt usw. In Rußland sind es die Sternwarten in Moskau, Leningrad, Kiew, Tiflis, Kasan.

Die Massenmedien

Die Namen all dieser Institute und der dort tätigen Forscher werden durch Presse, Rundfunk, Fernsehen und Zeitschriften kaum gebracht. Aus den kommunistischen Ländern erfährt im internationalen Austausch wohl der Fachmann sehr viel, nur wenig aber die breite Öffentlichkeit. In der übrigen Welt dominiert im Nachrichtendienst die NASA, ein riesiges, politisch und wirtschaftlich für die USA wichtiges Unternehmen, mit einem Etat von rund 120 Milliarden österreichischen Schillingen. Über die in allen Ländern eingerichteten US-Informa- tionszentren — und natürlich auch in USA selbst — wirbt ihre Propagandaabteilung für die verschiedenen Projekte der Raumforschung, allerdings wie jede Propaganda zuweilen auf das eigene Interesse besonders bedacht. Beobachtungsergebnisse aus den USA und besonders aus anderen Ländern, die für diese Projekte Schwierigkeiten bedeuten würden, werden dann nicht an die Öffentlichkeit gebracht. Die NASA ist in erster Linie eine zentrale Verwaltungsbehörde: Vergebung von Forschungsaufträgen an einzelne Wissenschaftler, Organisation des Baus von Raketen, deren Funkeinrichtungen, Konstruktion der physikalischen Meßgeräte, durch eine gewaltige Industrie. Dagegen erfolgen die Auswertung der Photos und Registrierungen der Raumsonden durch die oben genannten Institute. So ist satzungsgemäß die NASA auch nicht in der IAU, sie schickt zuweilen einzelne Repräsentanten zu den großen Kongressen.

Das Wort — bis vor etwa 20 Jahren nur auf die Astronomie bezogen — ist heute ein Sammelbegriff für die heterogensten Bestrebungen geworden. Als „Weltraumexperten” bezeichnen sich zunächst die Erbauer der Antriebsraketen, wie der so tüchtige W. von Braun (USA), der Russe Sedow und andere. Zu ihnen zählen auch die Konstrukteure der vielen Apparate, die in die Meßkapseln eingebaut werden, also technische Physiker. Beide bekommen aber von den Wissenschaftlern die Forschungswünsche vorgelegt. Hier sind es die Astronomen, Physiker, Geophysiker, Geodäten, Biologen, Mediziner. Zur Lösung einer bestimmten Aufgabe müssen natürlich alle drei Gruppen von Fall zu Fall eng Zusammenarbeiten. Diese ganze Gruppe ist zahlenmäßig zu klein und mit Arbeit übertan, als daß sie sich auch um die Information breiter Schichten bemühen kann. Das ist die Aufgabe von Popu- larisatoren, besonders in Ländern, in denen kaum derartige Forschungen betrieben werden. Nicht zu den Experten gehören aber die Verfasser von „Science-fictions”, die dem Leser die Besiedlung anderer Planeten, Fahrten zu fernen Sternen in Raketen mit Lichtgeschwindigkeit einreden wollen.

Das Schwergewicht der ernsten Raumforschung liegt heute bei der Geophysik, das sind die Fragen nach der Struktur der Erdumhüllung, ihren Änderungen durch die Aktivität der Sonne (Strahlungsausbrüche der verschiedensten Art u. a. m.), nicht bei der Astronomie. Dies zeigte sich zum Beispiel im Frühjahr 1966, als die Cospar, die Organisation der wissenschaftlichen Raumforschung, in Wien tagte. Unter den vielen hundert Teilnehmern waren keine fünf Prozent Astronomen. Es wird sich dies im kommenden Herbst noch stärker bemerkbar machen.

Auf Anregung von Außenminister Dr. Waldheim will die UNO in Wien eine „Weltraumtagung” veranstalten, mit sicher mehr als 1000 Teilnehmern, und dem Thema „Friedliche Verwendung der Raumtechnik”. Soweit bisher bekannt, werden Fernseh- und Wettersatelliten, die Messungen von Strahlungen aller Art in der Nähe der Erde, Navigationssatelliten die Hauptthemen sein, also vornehmlich wirtschaftliche und politische Fragen, kaum etwa astronomische.

Unser kleines Österreich wird sich noch nicht sobald aktiv an Raketenunternehmungen beteiligen können, ähnlich vielen anderen Ländern. Ein angemessener Beitrag zu dem immerhin bescheidenen Programm für „Europaraketen” würde etwa ein Drittel der gesamten Mittel beanspruchen, die für die naturwissenschaftlichen Institute aller unserer Hochschulen zur Verfügung stehen!

Gliederung der Mondforschung

Bei ihr sind trotz aller Erfolge der Ranger und Orbiter die erdgebunde- nen Beobachtungen das Wichtigste, wie gerade kürzlich amerikanische Kollegen betonen. Gegenüber den Raketen sind die Kosten minimal. So haben wir schon viele der erforderlichen Instrumente in Wien, erst recht, wenn in etwa zwei Jahren das Leopold-Figl-Observatorium auf dem Schöpfl in Betrieb genommen sein wird. Was fehlt, ist dann ein Astronom, der mit Liebe sich dieser Arbeit ganz widmet, der aber auch technische Mitarbeiter haben muß, zum Bearbeiten der am Fernrohr gewonnenen Aufnahmen und Registrierungen und für die beim Mond stets umfangreichen Rechenarbeiten.

Wie bei der Erdforschung aufeinander angewiesene Geodäten, Geographen, Geophysiker und Geologen Zusammenarbeiten, so gibt es beim Mond die Selenodäsie (seine Vermessung und Figur), die Selenographie (Karten, Beschreibung einzelner Gebiete), die heute so vielgestaltige Selenophysik und die noch meist hypothetische Selenologie

(Geschichte des Mondes und seiner Oberfläche). Zu jedem dieser Gebiete sei nun eine kurze Übersicht unserer heutigen Kenntnisse gegeben.

Vermessung des Mondes und seiner Figur

Es würde zu weit führen zu schildern, wie in jahrzehntelanger Beobacbtungs- und Rechenarbeit hierfür die fundamentalen Grundlagen gewonnen wurden. J. Franz hatte in Königsberg und Breslau um 1900 die nötigen Messungen an 150 kleinen markanten Kratern gemacht, F. Hayn in Leipzig die Theorie der Rotation des Mondes entwickelt. Auf Anregung des Verfassers hatte um 1955 Prof. Doktor Schrutka in Wien die Messungen von Franz völlig neu bearbeitet Sie sind bis heute die Grundlagen für alle Mondkarten und anschließend der Ortsbestimmung von über 5000 Objekten. Diese katalogisierten „stenographischen Längen und Breiten” sind auf etwa 500 Meter genau, zum Teil auch besser, und damit genauer als viele Punkte auf der Erde.

Nun konnte auch das Problem der Figur des Mondes, das heißt die Abweichung von einer idealen Kugel gelöst werden. Im Gegensatz zu älteren Ansichten von einer Eiform hat sich unser Trabant — in einer kritischen Zusammenfassung von sieben amerikanischen und Wiener Vermessungen des Verfassers — äußerst exakt als Kugel erwiesen. Die Abweichung von ihr ist so klein, daß sie bei dem in Moskau erstellten Mondglobus von 35 cm Durchmesser nicht einmal Postkartenstärke erreicht. — Aber nicht nur geometrisch, sondern auch dynamisch, das heißt nach der Massenverteilung in seinem Inneren, weicht der Mond kaum nachweisbar von einer Kugel ab. Das haben die den Mond umkreisenden Lunik X und US-Orbiters gezeigt, und auf völlig anderem Wege die seit 1840 an verschiedenen Sternwarten gemachten Heliometermessungen — über 3000 — in den Bearbeitungen von Hayn in Leipzig und neuestens Schrutka in Wien und Koziel in Krakau. — Damit sind aber die im 19. Jahrhundert entwickelten Hypothesen vom gemeinsamen Ursprung von Erde und Mond hinfällig geworden. — Wahrscheinlich hat der Magneto-Hydrodynamiker Alfven in Stockholm recht. Nach ihm sind Mars und unser Mond die ältesten Planeten des Sonnensystems. Die später entstandene Erde und der Mond haben zeitweise in fast gleichen Bahnen die Sonne umkreist und sich dabei eingefangen.

Für wissenschaftliche Arbeiten kommt heute nur G. Kuipers großer „Photographie Lunar Atlas” in Frage, mit über 200 Reproduktionen der besten um 1960 vorliegenden Aufnahmen einheitlich im Maßstab etwa 1:1,3 Millionen, meist an den großen amerikanischen Sternwarten gewonnen.

In ganz anderer Art entstand das große Kartenwerk des ACIC in St. Louis mit zirka 50 großen Blättern im Maßstab 1:1 Million und zum Teil 1:500.000. Zunächst wurde für jedes Blatt ein möglichst ver- zeiehmjngsfreies Längen- und Breitennetz gezeichnet, etwa wie bei Karten, die ganz Europa oder Nordamerika enthalten. Dann die jeweils hunderte von vermessenen Kratern usw. eingetragen und an Hand der besten Photos die Details durch’ geübte Kartographen dargestellt. Dabei erwies es sich als nötig, zur Verbesserung und für die kleinsten Einzelheiten zwei Gruppen geübter Zeichner an großen Fernrohren in Flagstaff einzusetzen. Man folgte bewußt in USA dem Vorbild der Wiener Liebhaberastronomen Krieger und König (um 1900). Hier wie auch vielfach sonst in der Astronomie ist das geübte Auge der Technik noch überlegen. Die Lagegenauigkeit der Objekte auf diesen Karten dürfte bei einem Kilometer liegen.

Man kann sich eine Mondlandschaft nicht öde und gleichförmig genug vorstellen. Dazu kommt die Begrenzung der Sichtweite durch die starke Krümmung der Kugeloberfläche. Sie beträgt für einen Menschen nur etwa 2,5 Kilometer. Von der Mitte eines großen Kraters aus würde man die Randwälle nur knapp, zum Teil auch gar nicht sehen. Nur bei sehr tiefstehender Sonne, das heißt nahe der Lichtgrenze treten die Schatten der Berge deutlich hervor. Steile Felswände gibt es kaum. Die oft von Zeichnern entworfenen „Mondlandschaften” sind Phantasieprodukte.

Die relativen Höhen von Kratern usw. hatten Mädler in Berlin und Schmidt in Olmütz (um 1835 und 1855) durch mehrere Tausend Messungen von Schattenlängen bestimmt. Sie werden auch heute noch viel in der Fachliteratur angeführt. Erst seit 1953 wandte man sich diesen Fragen wieder zu. Schrutka und der Verfasser untersuchten, zum Teil mit neuen Mikrometermessungen, ob sich aus dem Pariser photographischen Mondatlas (um 1900 entstanden) brauchbare Höhen ableiten lassen. Ebenso 1967 Swaton und Hopmann mit Kuipers großem Atlas. In beiden Fällen erwiesen sich die visuellen Beobachtungen, auch die alten, den photographischen überlegen. Letztere haben zu starke systematische Fehler. Seit 1961 hat der Verfasser am bescheidenen 20-cm-Refraktor der Wiener Sternwarte an die Tausend solcher Messungen gemacht. Sie sollen nach ihrer fertigen Bearbeitung vor allem mit den Blättern des ACIC verglichen werden, zu deren Kontrolle und auf ausdrücklichen Wunsch der amerikanischen Kollegen. Alle diese Höhenwerte sind auf etwa 20 Prozent sicher, also bei zum Beispiel 2500 Meter auf 500 Meter, bei 250 Meter auf 50 Meter. Die früher oft gemachten Angaben auf Meter genau sind nur eine Überschätzung der erreichten Genauigkeit.

Die Rückseite des Mondes

Karten von ihr hatten auf der Prager Tagung der IAU gleichzeitig die Amerikaner und die Russen vorgezeigt, auf Grund der Orbiter- Aufnahmen beziehungsweise der von Lunik III und Zond III. Die amerikanische Karte ist ein in größter Eile hergestelltes Provisorium. Die Auswertung der Russen hat zwei Jahre beansprucht und führte neben einer Karte im Maßstab 1:1 Millionen (sechs Blätter) zu einem umfangreichen Werk zahlreicher Autoren, vor allem von Dr. Lipsky (Sternberg-Institut in Moskau). In diesem Buch sind unter anderen die Koordinaten von mehr als 3000 Objekten auf der Rückseite katalogisiert. Sie beruhen auf den Positionen Von 324 randnahen Objekten der Vorderseite, die Dr. O. Schöffl in Wien auf amerikanischen Platten erhalten hatte. Die Lagegenauigkeit der Rückseitekrater kann auf etwa zehn Kilometer angesetzt werden.

Die russischen und amerikanischen Karten zeigen gewaltige Unterschiede. Viele Objekte lassen sich überhaupt nicht identifizieren, in der Mitte der Rückseite treten Lageunterschiede bis zu 200 Kilometer auf. Vielleicht bearbeiten die Amerikaner ihre provisorische Karte noch an Hand der besseren russischen Karte.

Zwar hatten die Russen in Prag etwa 150 Namen von verdienten Wissenschaftlern für Krater auf der Rückseite vorgeschlagen, darunter auch fünf Österreicher. Doch ist es für eine Namensgebung noch zu früh. Diese Nebensächlichkeit kann auf späteren Kongressen der IAU erledigt werden.

Leider sind die so wichtigen russischen Arbeiten in der breiten Öffentlichkeit des Westens nicht bekanntgeworden. Die zahlreichen Wiener Mondarbeiten aber haben in aller Stille und ohne besondere Kosten der gesamten Fachwelt wichtige Beiträge geliefert.

Physikalische Messungen

Dies ist wohl das interessanteste Kapitel der Mondforschung, zumal viele gesicherte Ergebnisse vorliegen. Aus : Raummangel können natürlich nur stichwortartig die Methoden und Resultate angeführt werden. Es gilt zunächst von der Erde aus die vom Monde zugesandten Strahlungen aller Wellenlängen -L vom Ultraviolett über das sichtbare Gebiet, den Wärmestrahlungen, bis in das Gebiet der Radiowellen — in der verschiedensten Art zu untersuchen. Zuerst ist da zu nennen die Intensitätsmessung, das heißt die Photometrie, und hierbei die visuelle Methode (etwa ab 1860, als Zöllner in Leipzig nachwies, daß die Mondoberfläche fast schwarz ist, etwa wie dunkle Lava). Ab 1910 haben wir den Einsatz der Photographie mit verschiedenen Farbfiltern und Plattensorten, was zur Erkenntnis führte, daß der Mond merklich roter als die Sonne ist, bei Vollmond am stärksten. Seit 1940 ist die sehr genaue lichtelektrische Photometrie dazugekommen. Seit über 50 Jahren sind auch die ungeheueren Temperaturschwankungen bekannt, die die Oberfläche immer wieder erleidet, plus 120 Grad Celsius dort, wo die Sonne senkrecht über einem Punkte steht, null Grad Celsius nahe der Lichtgrenze und rund minus 140 Grad Celsius für alle nicht von der Sonne beschienenen Stellen. Der Übergang zwischen den Extremen geschieht, wie Finsternismessungen zeigten, innerhalb einer Stunde. Dies, Schönbergs Beobachtungen und Theorie (1922), Lyots Polarisationsmessungen (Paris, 1925) zusammen mit Laboratoriumsarbeiten an verschiedenem irdischem Material brachten den Nachweis, daß die obersten Zentimeter der Oberfläche aus lockeren, feinkörnigen (fast Staub) vulkanischen Substanzen bestehen, was 40 Jahre später durch die weich gelandeten Surveyors bestätigt und weitgehend ergänzt wurde. Die radioastronomische Technik erlaubte, in 20 bis 30 Meter Tiefe unterhalb der Oberfläche Temperaturmessungen zu machen. Hier sind die großen Schwankungen völlig verschwunden. Man würde dort in einem Eiskeller von ständig minus 40 Grad Celsius hausen müssen!

Surveyor V

Surveyor V sei als Beispiel für die Erweiterung der physikalischen Mondforschung etwas ausführlicher behandelt. Nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit von Physikern, Geologen, Technikern und Astronomen konnte er am 8. September 1967 gestartet werden. Dies, die drei Tage , später geglückte Landung sowie wieder ein paar Tage darnach, die ersten den Wissenschaftlern abgenötigten Ergebnisse wurden durch die Presse überall bekanntgegeben. Seitdem ist es in der breiten Öffentlichkeit um ihn still geworden. Ihr sind weitere Berichte uninteressant, über dieses von der Erde aus zwei Wochen lang in zahllosen Einzelversuchen durchgeführte Experiment Astronauten’ in der Nähe hätten vielleicht Ergänzungen geben können, eher aber die äußerst diffizilen Messungen durch ihre eigenen Geräte gestört. So oder so, die Messungen müssen zur Erde gefunkt werden, um sie in verschiedenen Laboratorien in monatelanger Arbeit auszuwerten. — Anfang November erschien der erste vorläufige Bericht (über 20 Seiten) über Surveyor VI, die Hauptberichte sind erst in Monaten zu erwarten. Das ganze, von der NASA finanzierte Unternehmen ist ein Muster moderner Teamarbeit von 31 Wissenschaftler in 19 Instituten.

Fernsehkameras mit verschiedenem Auflösungsvermögen, allseitig um genau meßbare Beträge schwenkbar, lieferten viele tausend Bilder. Sie gaben mit Hilfe von Sternaufnahmen die Lage des Geräts relativ zum örtlichen mathematischen Horizont, dann einen Plan mit allen Einzelheiten der Umgebung des Geräts, allerdings nur bis zu etwa 15 Meter Abstand, Ein Bein des Surveyors stand am Rand eines kleinen Kraters von zehn Meter Durchmesser und einem Meter Tiefe, die beiden anderen auf dem inneren Abhang.

Die Bilder zeigten ferner die Unmenge von Kraterchen, Materialblöcken, Änderungen des Landschaftsbildes mit steigender, dann sinkender Sonne, Änderungen durch den kurzen Stoß einer Bremsrakete, die kleine und große Brocken zum Teil wegblies. Das allgemeine Magnetfeld des Mondes war wieder nur 1/1000 von dem der Erde, was Jahre vorher zuerst die Russen gezeigt hatten. Äußerst gering auch der Anteil (in der Oberfläche) von eisenhaltigen Mineralien.

In einem Atomlabor auf der Erde müssen aus Sicherheitsgründen die Messungen mit großem Abstand zwischen Beobachter und Reaktor durchgeführt werden. Im Prinzip das Gleiche geschah beim Surveyor V. Zur Bestimmung der Mineralart wurde mit vielfältigen „Kommandos” von der Erde aus ein Gerät mit radioaktiven Substanzen in verschiedene Abstände von der Oberfläche des Mondes gebracht, und die Auswirkung der Strahlung auf diese gemessen, und zwischendurch auch mehrfach auf ein von der Erde mitgeführtes Mineral. Also beste Experimentalarbeit, ohne Gefährdung von Astronauten! Das Ergebnis sprach nachher eindeutig für eine bestimmte Basaltart, was die oben erwähnte Photometrie und Polarimetrie schon erwarten ließen.

Die Leuchterscheinungen

Hier haben wir ganz verschiedenartige, durch zahlreiche gute Beobachtungen gesicherte Phänomene, für deren Erklärung es zwar Hypothesen aber noch keine physikalisch brauchbare Theorie gibt. Uber 150 Jahre lang galt der Mond als tot, sein vermuteter Vulkanismus als längst erloschen. 1958 konnten Kosy- rew und Mitarbeiter (Leningrad) einen Gasausbruch im Krater Alphonsus spektrographisch untersuchen, 1963 Kopai und Rackham (Manchester) ein starkes rotes Flächenleuchten bei Kepler feststellen und fast gleichzeitig mehrere Beobachter in Flagstaff Ausbrüche beim Aristarch. April 1964 beobachtete der Verfasser grünes Licht beim Isidorus. Seit 1964 hat Miß B. Midd- lehurst (Tucson, Arizona) über 540 derartige Wahrnehmungen aus der älteren Literatur zusammengestellt, die man jahrhundertelang ignoriert hatte. Sie zeigen keinen Zusammenhang mit der Sonnenaktivität, sind aber dann besonders häufig, wenn im monatlichen Umlauf Erde und Mond einander sehr nahe sind. Anscheinend verursachen Gezeitenkräfte das Austreten von Gasen an geologischen Bruchstellen der Mondoberfläche. Dzhapiaschwili in Abastumani (Georgien) stellte starke Schwankungen der Polarisation des Mond- lichtes fest. Gehreis und andere, auch der Verfasser, unregelmäßiges Schwanken der Vollmondhelligkeit. Alles das ist noch ungeklärt!

Ganz anderer Art sind die Erscheinungen bei Mondfinsternissen. Die Helligkeit des verfinsterten Mondes hängt eng mit der Sonnenaktivität zusammen, wie zuerst Dan- jon (Straßburg 1922) zeigte. Ihre Elektronen- und Protonenstrahlen wechselnder Stärke verursachen eine mehr oder weniger starke Lumi- niszenz der Minerale an der Mondoberfläche.

Seit 1947 hatte Link in Prag auf Leuchterscheinungen bei Finsternissen an den im Halbschatten liegenden Teilen des Mondes hingewiesen, was in Rom, Paris, Prag und Wien vielfach bestätigt wurde. Anscheinend handelt es sich um Thermoluminiszenz, hervorgerufen durch die sehr stark wechselnden Ultraviolettstrahlungen (Röntgen usw.) der heißen unteren Sonnenkorona. — Alle diese Leuchterscheinungen sind zugleich Indikatoren für die Aktivität der Sonne. Sie können zum Teil auch herrühren von der immer noch rätselhaften, aus dem

Milchstraßensystem kommenden „kosmischen Strahlung” (Hess-Inns- bruck, 1920).

Selenologie

Bei den Fragen nach der Geschichte des Mondes und seiner Oberfläche sind wir ganz überwiegend auf Mutmaßungen angewiesen. Alfven hat einmal die Kosmogonie unseres Planetensystems mit der Vorgeschichtsforschung verglichen, die aus den bescheidenen Funden der Vorzeit Sitte und geistige Haltung unserer Ahnen zu rekonstruieren versucht. Aus den vorher geschilderten exakten Ergebnissen soll ein einigermaßen brauchbares Mosaik gestaltet werden. Dabei ist zu beachten, daß alle Planeten, so auch der Mond, ganz verschiedene Entwicklungen durchgemacht haben, die im übrigen, von der Erde (Mars??) abgesehen, zu keinerlei Möglichkeiten für primitivstes Leben von Bakterien geführt haben. Man kann annehmen, daß der schwache Vulkanismus des Mondes vor Milliarden Jahren viel stärker war, und daß sein Inneres durch Zerfall radioaktiver Elemente auch heute noch heiß ist, beides ähnlich wie bei der Erde. Im übrigen gehen aber die Hypothesen der Geologen, Geochemiker usw. stark auseinander.

Etwas besser steht es mit der Geschichte der Oberfläche. Durch sorgfältige Einzelstudien, teils am Fernrohr, teils der Photos von der Erde aus oder von den Rangers und Orbiters läßt sich unterscheiden, welche Mondgebilde älter oder jünger sind. Man kann heute mindestens vier Hauptepochen erkennen. Schon um 1640 hatte ein Engländer zwei Entstehungsmöglichkeiten der kleinen und großen Krater vorgeschla- geri: als Folge von vulkanischen Ereignissen oder von Meteoritenaufschlägen. Im 19. Jahrhundert dominiert der Vulkanismus, vor 50 Jahren die Aufsturzhypothese und heute müssen wir sagen: man muß beide zur Erklärung heranziehen. Ein Teilproblem als Beispiel: Wie die Ranger und Suveyor gezeigt haben, nimmt die Zahl der Kleinstkrater gewaltig zu, zu je kleineren man vorstößt. So sind etwa im Durchschnitt (!) bei einer Fläche von zehnmal 10 Meter, also einem mittelgroßen Saal, schon zehn Gruben von 20 Zentimeter Durchmesser vorhanden, 1000 von 1,5 Zentimeter und eine Million von zwei Millimeter Ausmaß. Die Vulkanisten sehen in ihnen Einsenkungen nach Gasausbrüchen, die anderen eine Folge des Aufsturzes von Mikrometeoriten, ja sie leiten aus der feineren Statistik eine solche der meteoritischen Massen ab. Sie hätten auch im Laufe der Milliarden Jahre zusammen mit der kosmischen Strahlung die Pulverisierung der ersten Oberflächenschicht verursacht. Diese und die ultravioletten Strahlen der Sonne aller Art haben auch, wie Laborversuche gezeigt haben, das ursprünglich viel hellere Gesteinsmaterial zur heutigen Schwärzung verfärbt.

Gibt es Weltraumreisen?

In dieser Frage kann der Verfasser sich nicht wie bisher als Astrophysiker maßgeblich äußern. Dies ist Sache der Raumfahrtmediziner. Es sei aber doch auf folgendes hingewiesen: Vor einigen Jahren schon haben Schweizer und italienische Ärzte in der Raumfahrtliteratur auf die geringe Möglichkeit hingewiesen, sich vor all den oben besprochenen Strahlungen zu schützen. Wegen der tödlichen Van-Allen-Strahlungsgür- tel hat man auch bisher Astronauten nur auf Bahnen geschickt, die nicht über 600 Kilometer Höhe hinausgingen. Im letzten September erschien ein über 300 Seiten langet Bericht der National Academy of Sciences in Washington (eine unabhängige Institution von der NASA). In ihm wird die Notwendigkeit noch jahrelanger Forschungen auf diesem Gebiet betont, ehe man für Wochen oder Monate Menschen den Gefahren der Strahlungen im Raume auS- setzen sollte. Sodann sei auf die neue „Interunion Commission on Solar- Terrestrical Physics” hingewiesen. Unter dem Protektorat der UNESCO vereint sie Astronomen, Physiker, Geophysiker, Biologen und Mediziner aller Länder zu gemeinsamer Forschung. In ihrem umfangreichen Programm heißt es unter anderem: Protonenausbrüche gehören zu den stärksten Erscheinungen der Sonnenaktivdtät. Sie senden in den interplanetaren Raum Ströme von atomaren Partikeln mit Energien, die oft 100 ja 1000 Millionen Elektronenvolt erreichen. Derartige katastrophale Ausbrüche stellen eine der ernstesten Gefährdungen für das Überleben von Menschen im Raume dar. Jedenfalls sind die Jahre des Sonnenfleckenmaximums 1969 bis 1971 für eine Mondreise denkbar ungeeignet.

Bemannte Fahrten zum Mond werden zwar über kurz oder lang als Prestigeunternehmen durchführbar werden. Sie sind aber nach allem, was wir wissen, eine Unmenschlichkeit. Die ganze astronomische Welt wünscht sich für die Mondforschung noch zahlreiche Orbiters und Surveyors, leider ist gerade dieses Programm seitens der USA vorläufig abgeschlossen. Unter diesen Umständen ist es verständlich, daß auf dem Kongreß in Prag und auf den vielen anderen, an denen der Verfasser teilnahm, von dem amerikanischen Apolloprojekt, wenn überhaupt, dann nur ganz am Rande gesprochen wurde. Die Gelder dafür ließen sich viel besser für die reine Forschung oder zum Wohle der Menschheit verwenden.

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