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Kosmische Einflüsse und W ettervorhersage

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Das Wetter und die Wettervorhersage sind von so allgemeinem Interesse, daß es zu verstehen ist, wenn immer wieder neue Wege zu einer möglichen Verbesserung der Prognose gesucht werden… Dies gilt für Wissenschaftler wie Laien. Anregungen von nichtfachmännischer Seite können unter Umständen recht wertvoll sein, jedenfalls muß die Wissenschaft dazu Stellung nehmen und darf sie nicht von vornherein als falsch ablehnen. Allerdings gibt es auch da Grenzen, und man kann es der Wissenschaft nicht übelnehmen, wenn sie allzu spekulative „Theorien”, deren Unhaltbarkeit auf der Hand liegt, kurzerhand zurückweist.

Ein solches Tummelfeld für größtenteils äußerst spekulative Überlegungen findet sich in der sogenannten Astrometeorologie. Da als letzte Ursache für das Wettergeschehen die Sonnenenergie, also ein kosmischer Einfluß, maßgebend ist, so ist es vielleicht zu verstehen, daß vielfach auch andere kosmische Vorgänge zur Erklärung von Besonderheiten im Witterungsablauf herangezogen wurden. Natürlich genügt es keineswegs, solche Behauptungen bloß aufzustellen und in Einzelfällen zu überprüfen, sondern die Wissenschaft muß auf einer besseren Fundierung bestehen. Grundsätzlich können zwei Wege zum Beweis be schritten werden. Endwoder es gelingt für die aufgestellte Behauptung eine streng physikalische Begründung zu finden, oder es wird an Hand genügend langer Beobach tu ngsreihen die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges verschiedener Ereignisse erwiesen. Die theoretische Statistik liefert in Form der sogenannten Korrelationsrechnung hinreichend sichere mathematische Methoden, um solche Zusammenhänge in mathematischer Form präzisieren zu können. Wenn man nun untersuchen will, ob außersolare kosmische Einflüsse auf den Wetterablauf vorhanden sind, so wird man in erster Linie an einen Einfluß des Mondes denken und erst in zweiter Linie an den der Planeten.

Überlegen wir zunächst einmal, inwieweit ein Strahlungseinfluß des Mondes auf atmosphärische Vorgänge in Frage kommen kann. Nach neueren Messungen des Mt.- Wilson-Observatoriums beträgt die Strahlungsenergie des Vollmondes, das ist die reflektierte Sonnenstrahlung plus planetarischer Wärmestrahlung 0,0000188 Kalorien pro Quadratzentimeter und Minute. Wenn wir bedenken, daß die Solarkonstante 1,94 Kalorien pro Quadratzentimeter und Minute beträgt, so ist also die maximal mögliche Zustrahlung vom Mond zur Erde nur ein Hunderttausendstel der Sonnenenergie. Dadurch wird sofort klar, daß eine energetische Beeinflussung des Wettergeschehens durch die Mondstrahlung zu suchen eine hoffnungslose Angelegenheit darstellt. Natürlich ist es denkbar, daß auch eine so geringe Strahlung bei längerer Einwirkung irgendwelche chemische Veränderungen bewirken oder sonstige kleine Effekte auf gewisse Prozesse üben kann. Es ist zum Beispiel ohne weiteres möglich, bei Mondlicht schöne photographische Aufnahmen herzustellen, wenn man nur genügend lange belichtet. Ebenso werden gewisse empfindliche Pflanzenzellen auf solche geringe Strahlungsenergie reagieren können, aber diese Vorgänge sollen hier außerhalb unserer Betrachtungen bleiben.

Als zweite Möglichkeit eines energetischen Einflusses des Mondes kommt die Wirkung der Gezeitenkräfte auf die Atmosphäre in Frage. Bekanntlich werden Ebbe und Flut der Weltmeere vornehmlich auf die Mondkomponente in den Gezeitenkräften zurückgeführt, und einer Gezeitenwirkung auf das „Luftmeer” wurde längere Zeit eine größere Beachtung geschenkt. Tatsächlich konnte in langjährigen Mittelwerten des Luftdruckes auch eine solche Gezeitenwelle festgestellt werden. Aber dieser Effekt ist wieder ungewöhnlich gering. So beträgt diese Gezeitenwelle der Atmosphäre in Batavia 0,065 Millimeter, in Deutschland 0,01 Millimeter Quecksilbersäule. Allein diese Zahlen müßten alle, die durch solche Einflüsse Wetteränderungen erklären wollen, zur Vorsicht mahnen.

Und wenn die Verhältnisse schon beim relativ nahen Mond so hoffnungslos liegen, um. wieviel weniger wahrscheinlich erscheint dann ein Einfluß der Planeten auf die Witterung? Es bleibt in diesem Fall nur übrig, an Hand von langjährigen Beobachtungsreihen mit Hilfe statistischer Rechenmethoden zu überprüfen, ob für irgendwelche vermutete Zusammenhänge eine mehr als zufällige Übereinstimmung besteht. In jüngster Zeit hat der bekannte deutsche Meteorologe Baor, der sich seit Jahrzehnten mit dem Problem der Lang- fristprognose beschäftigt, eine derartige Untersuchung an den langjährigen meteorologischen Reihen angestellt und bewiesen, daß bis jetzt ein mehr als zufälliges Zusammentreffen bestimmter Witterungserscheinungen mit Planetenkonstellationen nicht zu erkennen ist und daß weiter ein solcher Effekt, wenn er überhaupt vorhanden wäre, sicher weit unterhalb der normalen Schwankungen meteorologischer Größen liegt. Trotzdem wurden und werden auch heute immer wieder von Laien und leider auch von Fachmeteorologen solche Behauptungen über kosmisdie Einflüsse auf das Wettergeschehen aufgestellt, wie erst kürzlich wieder durch den früheren Prognostiker der Zentralanstalt für Meteorologie, Otto Myrbach, in seinem unlängst erschienenen Buch „Sterne, Wetter und Menschen”. Aus dem Drang heraus, neue Wege zu einer Verbesserung der Wettervorhersage zu beschreiten, sind solche Spekulationen vielleicht noch zu verstehen, aber an Hand der vorliegenden erdrückenden Gegenbeweise sind sie jedenfalls bei Fachmeteorologen nicht zu entschuldigen. Daß außersolare Strahlungsarten eine Rolle bei der Auslösung von „labilen” Zuständen spielen oder auch gewisse bioklimatologische Wirkungen hervorrufen könnten, wäre eventuell noch denkbar, und es bleibt der zukünftigen Forschung Vorbehalten, hier Klarheit zu schaffen. Eine merkbare energetische Beeinflussung der Witterungserscheinungen durch Planeten ist jedenfalls nicljt nachgewiesen. Für den Wetterprognostiker wäre es ja sehr angenehm, wenn er bloß auf die Planetenstellungen achten müßte, um schon zu wissen, was das Wetter bei uns macht, und wenn er sich nicht mit den schwierigen Problemen der „irdischen Meteorologie” abgeben müßte. Aber auf reinen Spekulationen kann die Wissenschaft nicht aufbauen, und sie hat dies auch nicht nötig. Wenn auch nicht sprunghaft, so ist doch ein stetiger Fortschritt auch in der Wettervorhersage durch die exakten wissenschaftlichen Methoden unverkennbar.

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