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Die Wettervorhersage

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Einer guten Wetterprognose muß eine exakte Wettertliagnose, ein klares Erfassen des gegenwärtigen Wetters vorausgehen, die Wetteranalyse. Besonders in der Erkenntnis ihrer physikalischen Grundlagen der Wetteranalyse und in diesen Erkenntnissen entsprechenden Arbeitsmethoden machte die Meteorologie seit dem ersten Weltkrieg bedeutende Fortschritte.

Noch in den ersten beiden Jahrzehnten unseres Jahrhunderts stützte sich die Wettervorhersage hauptsächlich auf die Luftdruckverteilung, das sogenannte Isobarenfeld, und auf die Änderung des Luftdruckes in den einzelnen Gegenden. In den Antizyklonen (Hodidruckgebieten) und Zyklonen (Tiefdruckgebieten) sah man die allein wetterwirksamen Gebilde. Man hatte gefunden, daß sich die Zyklonen auf bestimmten Zugbahnen besonders häufig fortbewegten. Und war einmal die Zugbahn einer Zyklone erkannt, so konnte auf ihre weitere Bewegung geschlossen werden. Für diese Art der Wettervorhersage war es besonders nützlich, ein weiträumiges, gleichmäßiges Netz von Meldestellen zu besitzen, was natürlich auch für jede andere Art der Vorhersage günstig ist, wobei die neueren Methoden die älteren keineswegs verdrängten, sondern diese nur erweiterten und ergänzten.

Der erste Weltkrieg brachte für Norwegen, dessen Schiffahrt nach einer guten Wettervorhersage besonders verlangt, den Ausfall der Meldungen aus weiten Gebieten, ein Anlaß für die norwegischen Meteorologen, dem ihnen zur Verfügung stehenden Gebiet der norwegischen Küste und des nördlidien Atlantiks erhöhte Beachtung zu schenken. Die Frucht war die Formulierung der norwegischen Polarfronttheorie in den Nachkriegsjahren, derzufolge sich die Wettervorgänge (Regen, Gewitter, Sturm usw.) vornehmlich an der Grenze versdiiedener Luftmassen abspielen; die verschiedenen Luftmassen gehen nicht kontinuierlich ineinander über, sondern ihre Eigenschaften (Temperatur, Gesamtwärmeinhalt, Feuchtigkeit, Sicht, typische Wolkenformen, Luftbewegung usw.) ändern sich an ihren vertikalen Grenzflächen, den Fronten, sprunghaft. Wellenförmige Ausbuchtungen der Polarfront, die in einem mehr oder weniger geschlossenen Zug die ganze Polarkalotte umgibt, verursachen die Zyklonen. Am Aufbau dieser Stürme sind also Luftmassen mit verschiedenem Wärmeinhalt beteiligt, an der Vorderseite der Zyklone gewinnt die Warmluft an Boden, auf der Rückseite die Kaltluft. Man spricht deshalb von einer Warmfront und einer Kaltfront, zwischen denen der Warmluftsektor liegt. Eine Schwäche der Polarfronttheorie war allerdings damit gegeben, daß sie sich auf das untere Stockwerk der Atmosphäre, die Troposphäre, beschränkte und die höheren Atmosphärenschichten außer acht ließ. Dennoch vergaß man über sie und die unzweifelhaften Verdienste der norwegischen Forscher, ihrer Begründer fast ganz, daß ein englischer Admiral schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts eine ähnliche Lehre entwickelt hatte und vor allem, daß der wesentliche Inhalt der Polarfronttheorie schon in vorausgegangenen Arbeiten der bedeutenden Meteorologenschule, die in der Zeit vor dem Weltkrieg Österreich besaß und die den Ruf des „goldenen Zeitalters der Meteorologie in Österreich“ begründete. Indes der Vorzug der norwegischen Polarfronttheorie vor allem darin bestand, daß sie in der Praxis leicht anwendbar war und eine sehr anschauliche Nomenklatur aufzuweisen hatte, brachten die Forschungen der österreichischen Schule, besonders der Arbeiten H. v. F i c k e r s, des jetzigen Ordinarius für Physik der Erde an der Wiener Universität, den Anteil der höheren Luftschichten am Wettergeschehen gebührend zur Geltung.

Fortan wurde die vertikale Verteilung der mateorologischen Elemente in zunehmendem Maße zur Wettervoraussage herangezogen und dafür ein Netz von Flugzeugaufstiegstellen geschaffen, das täglich Messungen von Druck, Temperatur und Feuchtigkeit bis in fünf bis sechs Kilometer Höhe lieferte und Methoden zur Wettervorhersage zur Anwendung kommen ließ, die dem dreidimensionalen Charakter des Wettergeschehens Rechnung trugen. Es konnten nun außer den schon seit jeher üblichen Bodenwetterkarten auch Höhenwetterkarten entworfen werden.

Auch der zweite Weltkrieg brachte den Ausfall von Meldungen weiter Gebiete. Wieder erfolgte eine um so stärkere Erfassung des zur Verfügung stehenden Raumes. Diesmal vor allem wieder in Richtung der dritten Dimension, der Höhe. Schon vor dem Krieg waren in allen größeren Staaten Radiosonden entwickelt worden, mit deren Hilfe man Messungen aus höchsten Atmosphärenschichten erhalten konnte. Die Radiosonden werden mit Ballons, die mit Wasserstoff gefüllt sind, hochgelassen; ihre Meßkörper für Luftdruck, Temperatur und Feuchtigkeit übermitteln automatisch, meist jede Minute einmal, auf radiotelegraphischem Wege ihre Meßwerte der Bodenstation. Peilungen der Radiosonde vermögen außerdem den Wind der verschiedenen Höhenschichten zu ermitteln. Die Radiosonden, die ständig verbessert wurden, erreichten maximale Steighöhen von 20 bis 30 Kilometer.

Auf Grund eines dichten Radiosondennetzes wurde es möglich, Höhenwetterkarten bis in die Stratosphäre hinein zu zeichnen. Eine mit solchen Methoden arbeitende Wetterdiagnose erlaubt schon Prognosen mit einem ziemlich hohen Sicherheitskoeffizienten.

Aber so groß die Fortschritte sind, mit denen die Meteorologie an dem großen allgemeinen Aufschwung der Naturwissenschaften teilgenommen hat, so wird dennoch als Fehlerquelle die Tatsache bestehenbleiben, daß das Wetter von so vielen Faktoren abhängig ist, daß sie der Mensch nicht gleichzeitig alle erfassen kann.

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