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Die Entdeckung des Sonnensystems

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Was weiß die Astronomie heute über unser Sonnensystem? Ein österreichischer Forscher versucht diese Frage hier und in einem zweiten Beitrag (demnächst auf der Wissenschaft-Seite) so kurz wie möglich zü beantworten.

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Was weiß die Astronomie heute über unser Sonnensystem? Ein österreichischer Forscher versucht diese Frage hier und in einem zweiten Beitrag (demnächst auf der Wissenschaft-Seite) so kurz wie möglich zü beantworten.

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Wer denkt heute wirklich daran, daß wir uns mitten im Entdek- kungszeitälter des Sonnensystems befinden? Mit derselben Berechtigung, mit der wir das 15. und 16. Jahrhundert als das Entdeckungszeitalter unserer Erde bezeichnen - jene abenteuerliche und mühselige Zeit der großen Seefahrten, der aufregenden Entdeckung neuer Erdteile und der ersten Weltumseglung mit genau der gleichen Berechtigung dürfen wir behaupten, daß wir in unseren Tagen die Entdeckung des Sonnensystems erleben.

Zwar haben die großen Teleskope irdischer Sternwarten seit der Jahrhundertwende eine Fülle von Daten zusammengetragen, und man glaubte, daß alle großen

Planeten und nahezu alle ihre Trabanten aufgefunden wären. Nun hat sich das Bild in den letzten zwei Jahrzehnten drastisch geändert: Die erfolgreiche Begegnung auch der zweiten Voyager- Sonde mit dem System des Ringplaneten Saturn und ihr begonnener Weiterflug zum Uranus sowie die Erstellung des ersten Venus- Globus lassen es wohl gerechtfertigt erscheinen, einen zusammenfassenden Überblick über die bisherigen Unternehmungen und die Resultate der letzten zwanzig Jahre zu geben.

In einer Zeit öffentlicher Prosperität, sicher aber auch in einer Phase militärischer und strategischer Überlegungen, wurde vor fast 30 Jahren der erste amerikanische Flug zur Venus unternommen. Die Technik war so weit fortgeschritten, daß die Entsendung von künstlichen Satelliten auf unsere Nachbarn im Sonnensystem möglich wurde. Man plante mehrere Stufen wissenschaftlicher Erforschung, deren Unterschiede sich zunächst in den finanziellen Erfordernissen ausdrückten, die aber natürlich insbesondere von der Technik her ganz verschiedene Ansprüche stellten.

Es ging um harte und weiche Landung auf Mond und Planeten mit automatischer oder ferngesteuerter Untersuchung von Atmosphäre und Bodenproben, es ging um die Umkreisung und präzise Vermessung der Oberflächen sowie langfristige Studien der klimatischen Bedingungen, wie Wolken, Wind, Temperatur. Für den Mond gab es sogar eine Landung von Menschen und ihre sichere Rückkehr zur Erde, was für die ferneren Planeten zunächst nicht in Frage kommt.

Wir hatten geglaubt, daß es vom Anblick und einer zunächst sehr primitiven Einteilung her zwei Arten von Planeten gibt, die erdähnlichen und die mondähnlichen. Also einerseits solche mit einer mehr oder weniger dichten Atmosphäre, welche den Boden (wie bei unserer Erde) von gefährlichen Einflüssen aus dem Welt- schlag abschirmt, und die anderen, die schutzlos diesen Einflüssen preisgegeben sind wie die blatternarbige Oberfläche des Erdmondes.

Schon beim innersten Planeten, dem Merkur, gab es eine Überraschung: Die ersten Nahaufnahmen vom Raumschiff zeigten, daß er eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Mond aufweist; Laien können auf nebeneinander gelegten Fotos meist keinen Unterschied erkennen. Merkur, atmosphärelos und von meteoritischen Einschlägen zerrissen, wird zufolge seiner Sonnennähe bis auf fast 500 Grad erhitzt. Seine langsame Rotation beträgt 59 Tage, gerade zwei Drittel seiner Umlaufzeit um die Sonne.

Venus, unser strahlender Abend- bzw. Morgenstern, ist von Wolken bedeckt, die einen Blick von außen auf die Oberfläche verwehren. Diese Wolken reflektieren unerhört stark, daher kommt die überragende Helligkeit dieses Planeten, der zur Zeit seines größten Glanzes mit freiem Auge sogar bei Tag gesehen werden kann.

Mit irdischen Radioteleskopen gelang der Nachweis, daß die Rotationsperiode 243 Tage beträgt und rückläufig ist, d. h. daß einer der stabilsten Planeten unseres Sonnensystems nicht an der allgemeinen direkten Drehrichtung des Sonnensystems (gegen den Uhrzeigersinn, von Norden aus gesehen) teilnimmt: ein bis heute ungelöstes Rätsel.

Nun aber haben sich Russen und Amerikaner in der Erforschung der Atmosphäre und des Bodens der Venus stark engagiert und folgendes gefunden: Die hohe Temperatur von über 400 Grad, welche durch den „Glashauseffekt“ der Atmosphäre erzeugt wird, wurde voll und ganz bestätigt. Der atmosphärische Druck am Boden ist fast hundertmal so hoch wie der auf der Erde. An chemischen Bestandteilen wurden neben dem überwiegenden Kohlendioxydgehalt unter anderem auch Spuren von Wasserdampf gefunden.

Die Russen haben erste Fotos des Venusbodens mit seiner rauhen, steinigen und ganz trockenen Oberfläche veröffentlicht. Vor wenigen Monaten erschifen in den USA der erste Globus, der die aus Radarmessungen vom umkreisenden Raumschiff aus gewonnene Gestalt der Venus wiedergibt: Ein weithin flaches Land mit nur

zwei wirklich großen Gebirgen, wovon eines in hoher nördlicher Breite bis auf 12 km aufragt. Uber die Vorgänge in der Tief- und Hochatmosphäre der Venus sind umfangreiche Untersuchungen im Gange. In tiefen Schichten glaubt man Gewitter festgestellt zu haben.

Von den geradezu revolutionierenden Ergebnissen, die die Satellitentechnik auf unserer Erde gebracht hat, soll hier nicht die Rede sein.

Aufregend waren aber auch die Aufnahmen vom Mars. Man kann heute kaum mehr verstehen, warum sie für die Astronomen eine solche Überraschung bedeuten. Als Mariner 4 die ersten Bilder zur Erde funkte, zeigte sich nämlich, daß unser Planet ebenfalls von einer Unzahl von Kratern bedeckt war. Von den früher vermuteten Kanälen gab es keine Spur, sie sind optische Täuschungen. Die Marslandungen haben außer den Kratern Bilder einer öden Steinwüste enthüllt. Die umkreisenden Raumschiffe haben auch großflächige Strukturen, Vulkane und tiefe Canyons fotografiert.

Vor allem ist eine unerhört reiche Ausbeute von Daten über das Auftreten und die jahres- und tageszeitliche Verteilung verschiedener Wolkenformen erbracht worden. Von Zeit zu Zeit gibt es Sandstürme, die dann den durch Brauneisenstein rostrot gefärbten Boden mit seinen Einzelheiten verdecken. Die durch erdgebundene Forschung gefundenen Temperaturen haben sich bestätigt: Auch bei senkrecht einfallender Sonne steigt das Thermometer kaum über den Gefrierpunkt an. į

Die Beschaffenheit der Marsatmosphäre ist mit verfeinerten Methoden gemessen worden, hat aber keine wesentlichen neuen Ergebnisse gebracht. Ihr Bodendruck beträgt nur 0,6 Prozent des irdischen Luftdrucks. CO, ist ihr Hauptbestandteil. Dementsprechend sind auch alle bisherigen Versuche, Leben auf dem Mars zu finden, negativ ausgegangen. Die mit Greifern des gelandeten Raumschiffes eingesammelten Proben wurden nach Lebensäußerungen und Spuren eines Stoffwechsels (Sauerstoffverbrauch) untersucht, haben aber keinerlei Anhaltspunkte dafür erbracht.

Zum ersten Mal wurden Kleinkörper im Sonnensystem aus großer Nähe fotografiert, nämlich die beiden Marsmonde Phobos und Deimos. Ihre unregelmäßig geformte, von Kratern bedeckte Oberfläche legt nahe, daß auch die vielen kleinen Planeten zwischen Mars und Jupiter, die bei Rotation einen unregelmäßigen Lichtwechsel zeigen, ganz ähnlich aussehen.

Der Autor ist Ordinarius für Astronomie und Vorstand des Institutes für Astronomie (mit Sonnenobservatorium Kanzelhöhe) der Karl-Franzens-Universität Graz.

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