Die Endlichkeit des Weltalls in der neuen Forschung
Neue Erkentnisse zur (Un)endlichkeit und Messbarkeit der Weiten des Universums.
Neue Erkentnisse zur (Un)endlichkeit und Messbarkeit der Weiten des Universums.
Hätten wir die Möglichkeit, auf einem Flugschiff mit Raketenantrieb in den Weltraum vorzustoßen und ihn in gerader Richtung fortfahrend zu durchqueren — etwa in Richtung Polarstern —, so könnte es sein, daß wir nach unvorstellbar langer Zeit aus dem entgegengesetzten Pol des Himmelsgewölbes wieder zurückkehren. Die moderne Physik lehrt, daß das Weltall zwar endlos, aber nicht unendlich sei, sondern ausmeßbar und in sich geschlossen, so wie die gekrümmte Oberfläche einer Kugel zwar endlos ist, aber doch ein genau bestimmbares Flächenmaß besitzt. Man sagt daher, der Weltraum sei „gekrümmt”.
Die ergiebigste Quelle neuer Erkenntnisse war eine Entdeckung, die dem amerikanischen Astronomen Hubble gelang. Er konnte mit Hilfe des riesigen Reflektors der Mt.-Wilson-Sternwarte zeigen, daß das Licht der fernen und fernsten Milchstraßen, der sogenannten Nebel, eine Verschiebung nach Rot aufweist, wenn es im Spektrum zerlegt wird. Man kann daraus schließen, daß sich diese Nebel von uns fortbewegen, denn das Licht verhält sich ähnlich wie der Schall. Der Ton einer pfeifenden Lokomotive erscheint höher, wenn sie sich auf uns zubewegt, als wenn sie stillesteht, er erscheint dagegen tiefer, wenn sie sich von uns entfernt (Doppler-Effekt). In einer ganz ähnlichen Weise erscheint uns das Licht der Gestirne im Spektrum nach Blau verschoben, wenn sie sich auf uns zu bewegen, noch Rot dagegen, wenn sie sich von uns entfernen. Aus der Größe der Verschiebung kann man sogar die Geschwindigkeit des Gestirnes berechnen. Die Nebel bewegen sich demnach von uns fort, und zwar — wie aus den Messungen Hubbles hervorgeht — um so rascher, je weiter sie von uns entfernt sind. Man sagt daher, das Weltall dehne sich aus.
Diese Tatsachen stimmen sehr gut mit einer Theorie des belgischen Forschers Lemaitre überein, derzufolge sich das Weltall von einem sehr kleinen Volumen beginnend bis zur heutigen Größe ausgeweitet habe, und zwar müßten sich wegen der Krümmung des Weltraumes die Nebel um so rascher von uns fortbewegen, je weiter sie von uns entfernt sind. Nach Berechnungen Eddingtons beträgt die Geschwindigkeit dieser Ausdehnung 163 Kilometer in der Sekunde pro eine Million Lichtjahre Entfernung, das heißt ein Nebel, der eine Million Lichtjahre von uns entfernt ist, hat eine Geschwindigkeit von 163 Kilometersekunden; ist er zwei Millionen Lichtjahre von uns entfernt, hat er eine Geschwindigkeit von zweimal 163 Kilometersekunden, ist er 100 Millionen Lichtjahre von uns entfernt, dann hat er eine Geschwindigkeit von 100 mal 163 Kilometersekunden usw. Diese Rechnungsergebnisse aus der Theorie Lemaitres stimmen mit den Messungen Hubbles immerhin so gut überein, daß man sagen kann, die Theorie hat alle Wahrscheinlichkeit für sich.
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