"Ein kleiner Schritt für mich ..."

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Vor 30 Jahren tat der Mensch die ersten Schritte auf dem Mond. Die geplante Eroberung des Weltalls ist jedoch Wunschtraum Kalter Krieger geblieben.

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Vor 30 Jahren tat der Mensch die ersten Schritte auf dem Mond. Die geplante Eroberung des Weltalls ist jedoch Wunschtraum Kalter Krieger geblieben.

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Ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer Sprung für die Menschheit." Mit diesen pathetischen, sorgsam einstudierten Worten setzte der amerikanische Astronaut Neil Armstrong vor mittlerweile 30 Jahren, am 20. Juli 1969, als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond. Kurz vor Ende eines Jahrzehnts allgemeiner Raumfahrt- und Weltraumbegeisterung hatten die USA den zur Schicksalsentscheidung hochstilisierten Wettlauf, ihren Mann am Mond zu stehen, gegen den Erzfeind UdSSR gewonnen. Es ist kein Zufall, daß zur Zeit dieses Jubiläums die dritte große Weltraumkonferenz der UNO (Unispace III) tagt. Von 19. bis 30. Juli findet in Wien die "Heerschau der modernen Weltraumtechnologie" (Peter Jankowitsch, ehemaliger Außenminister und Leiter des Büros für Weltraumfragen bei den Vereinten Nationen) statt.

Über eine halbe Milliarde Menschen verfolgte die Apollo 11-Mission via Fernsehen. Sie vernahmen den Funkspruch "Der Adler ist gelandet", mit dem die Astronauten dem fast 400.000 Kilometer entfernten Kontrollzentrum das Aufsetzen der Mondfähre "Eagle" (Adler) meldeten. Sechs Stunden später verließen Neil Armstrong und Edwin Aldrin ihr Raumschiff, um Gesteinsproben zu sammeln und Meßgeräte aufzustellen. Gebannt verfolgte die ganze Welt, wie die beiden Astronauten seltsam unbeholfen in der grauen Wüste umherhopsten und die Flagge Amerikas im Mondstaub aufpflanzten. Währenddessen kreiste Michael Collins, der dritte im Bunde, mit dem Mutterschiff "Columbia" in der Mondumlaufbahn. Er sollte den Mondspaziergang seiner Kollegen erst später in einer Videoaufzeichnung sehen. Aldrin wiederum konnte nie verwinden, nicht der erste gewesen zu sein, der seinen Fußabdruck am Mond hinterließ.

Drei Jahrzehnte liegt das denkwürdige Ereignis erst zurück - und doch klingt es wie eine Erzählung aus einer anderen Welt. Die Wiener UNO-Konferenz steht ganz im Zeichen der friedlichen Nutzung des Weltraumes, in den sechziger Jahren hingegen herrschte noch der Kalte Krieg. Es ging um die "Eroberung des Weltraumes", der deutsch-amerikanische Raketenkonstrukteur Wernher von Braun versprach sich von der Raumfahrt "die bedeutendsten taktischen und strategischen Vorteile, die es je in der Kriegsgeschichte gegeben hat". Just am Tag nach der kläglich gescheiterten Invasion in Kuba 1961 gab der amerikanische Präsident John F. Kennedy einen Bericht in Auftrag, ob man den Kommunisten nicht wenigstens im All eine Niederlage bereiten könne. Einen Monat später wurde das Mondlandungsprogramm Apollo ins Leben gerufen, das insgesamt 25 Milliarden Dollar kosten sollte und an dem zu dessen Höhepunkt eine halbe Million Menschen beteiligt war.

Der Kalte Krieg ist ebenso vorbei wie die Zeit der heldenhaften Entdecker, die an noch nie zuvor erreichten Orten die Flagge ihrer Heimat hissen. Daß dereinst wackere Abenteurer wie Captain James T. Kirk und die Mannschaft seiner "Enterprise" (siehe rechts) dorthin vordringen, wohin noch nie ein Mensch vorgedrungen ist, gilt mittlerweile als Illusion. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft wird der Mensch aus rein physikalischen Gründen nie auch nur über die Grenzen des Sonnensystems hinaus gelangen.

Die draufgängerischen Sternenschiffer und Space-Cowboys sind von bleichen Computerexperten abgelöst worden, die Monate vor ihren Bildschirmen verbringen und Steinen auf der Marsoberfläche infantile Namen wie "Scooby-Doo" oder "Yogi-Bär" geben. Die Landung der unbemannten Sonde "Sojourner" auf dem Mars - das letzte Großereignis, das die Welt in Weltraumtaumel stürzte - zeigte, daß Roboter fremde Planeten ebensogut erkunden können wie Menschen. Obendrein gestalten sich unbemannte Missionen wesentlich billiger und es werden keine Menschenleben aufs Spiel gesetzt. So mancher zieht die daher Sinnhaftigkeit der bemannten Raumfahrt überhaupt in Frage.

Auch den direkten Nutzen der Mondmissionen sieht man heute differenzierter. 400 Kilogramm Gestein haben Astronauten mit zur Erde gebracht, doch grundlegende Fragen wie jene nach der Entstehung oder Herkunft des Mondes blieben ungelöst. Erst 28 Jahre später konnte mittels Computersimulation eruiert werden, daß die Materie, aus der der Mond besteht, durch den Aufprall eines marsgroßen Himmelskörper vor rund 4,5 Milliarden Jahren aus der noch jungen Erde herausgeschleudert wurde. Aufgrund der enormen Kosten des NASA-Mondfahrtprogramms wurden wichtigere Entwicklungen auf Eis gelegt: die Konstruktion einer bemannten Raumstation, von der aus Mond- oder Marsflüge wesentlich weniger aufwendig gewesen wären, oder die Konstruktion eines wiederverwendbaren Shuttles - Ideen, die erst viele Jahre später verwirklicht wurden.

Von größerer Bedeutung als die wissenschaftlichen Erkenntnisse waren die technologischen Nebenwirkungen des amerikanischen Apollo-Programms: Platznot und Gewichtsprobleme zwangen die Raumfahrtingenieure, die elektronischen Systeme immer weiter zu verkleinern. Taschenrechner und Computer wären ohne die NASA-Tüftler wohl erst Jahre oder Jahrzehnte später in Büros und Kinderzimmer eingezogen. Der praktische Bratpfannen-Kunststoff Teflon gilt allerdings fälschlicherweise als Abfallprodukt der Raumfahrt: Der Chemiekonzern Du Pont hatte sich das Material schon 1938 patentieren lassen.

Daß Menschen mit ihren eigenen Augen die Erde als kleine Kugel inmitten schwarzer Unendlichkeit sahen, gilt manchen als wichtiger Anstoß der Ökologie-Bewegung. Der ungewohnte Anblick berührte sogar die abgebrühten Astronauten: "Die Erde ist so klein und zerbrechlich, daß du sie mit dem Daumen verdecken kannst, und dir wird klar, daß auf diesem kleinen blauen und weißen Ding alles ist, was dir etwas bedeutet", schilderte einer seinen Eindruck, als er aus der Umlaufbahn um den Mond zum ersten mal die Erde durch das Bullauge seines Raumschiffs sah.

1972 betrat der bisher letzte Astronaut den Mond. Zuletzt ist das Interesse am Erdtrabanten aber wieder erwacht. Daten der unbemannten NASA-Sonde "Luna Prospector" im Vorjahr erbrachten Hinweise, daß auf dem Mond gefrorenes Wasser zu finden sein könnte. Aus Wasser nämlich läßt sich Sauerstoff gewinnen - Voraussetzung für eine Mondstation mit angeschlossener Atemluftproduktion, von der aus bemannte Flüge - etwa zum Mars - viel einfacher zu bewerkstelligen wären als von der Erde aus.

Einige Pioniere der Raumfahrt stammen übrigens aus Österreich, wie eine Ausstellung im Rahmen der Wiener "Unispace II"-Konferenz zeigt: Etwa Herman Potocnik, der sich 1928 in einem Standardwerk mit dem Bau von Raketen und einer Weltraumstation beschäftigte, oder Hermann Oberth, dessen Bändchen "Die Rakete zu den Planetenräumen" in den zwanziger Jahren zum Bestseller wurde, oder Friedrich Schmiedl, der 1931 eine Postrakete mit 102 Briefen vom Grazer Hausberg Schöckel ins fünf Kilometer erntfernte St. Rade-gund schoß. Überragt werden sie jedoch alle von dem in der Umgebung von Wien geborenen Conrad Haas, der als allererster das Prinzip der mehrstufigen Rakete erdachte. Das ist allerdings schon ein Weilchen her: Haas starb 1579 in Hermannstadt, Siebenbürgen.

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