"Wir werden das irgendwie ÜBERLEBEN"

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Lisa Kaltenegger im Gespräch über die ultimativ existenziellen Fragen der Menschheit - diesseits und jenseits der Grenze zur Science Fiction.

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Lisa Kaltenegger im Gespräch über die ultimativ existenziellen Fragen der Menschheit - diesseits und jenseits der Grenze zur Science Fiction.

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Gibt es bewohnbare Flecken im All? Finden sich außerhalb unseres Sonnensystems lebensfreundliche Planeten? Die 39-jährige Lisa Kaltenegger widmet sich genau diesen Fragen - eine Spurensuche, die dank einer neuen Generation von Teleskopen an Faszination gewonnen hat. Die Salzburgerin forscht heute an der Cornell University im US-Bundesstaat New York. Mit ihrem Buch "Sind wir allein im Universum?"(2015) gelang es ihr, die Suche nach neuen Welten für ein breites Publikum zu veranschaulichen. Die FURCHE traf die Astrophysikerin unlängst bei einem Kurzbesuch in Wien.

DIE FURCHE: Amazon-Gründer Jeff Bezos will ab 2018 mit seiner Raumfahrtfirma "Blue Origin" Weltraumflüge für zahlende Passagiere anbieten. Der britische Milliardär Richard Branson verfolgt mit seiner Firma "Virgin Galactic" ein ähnliches Projekt. Was halten Sie davon?

Lisa Kaltenegger: In den USA gibt es derzeit einige solcher Initiativen. Das sind Unternehmer, und die sind ja nicht dämlich: Es zeigt, dass wir in einer Zeit leben, in der es das Potenzial gibt, die Raumfahrt auch kommerziell zu nutzen. Weil bereits eine große Menge an Touristen denkbar ist. Wenn man die Raumfahrt an private Firmen übergibt, wird sie günstiger als wenn sie nur in der Hand einzelner Nationen verbleibt.

DIE FURCHE: Aber bei kolportierten Kosten von mehr als 220.000 Euro pro Flug stellt sich schon die Frage, wie groß die Nachfrage letztlich sein wird!

Kaltenegger: Das erinnert mich an den Computer, wo früher ein paar Leute gesagt haben, so etwas wird nie irgendjemand brauchen können. Die Unternehmer, die jetzt gerade in die Raumfahrt investieren, scheinen einen guten Riecher für die Zukunft zu haben. Sie können im Gegensatz zur NASA Technologien anwenden, die noch nicht im Weltall erprobt sind, und zwar zuerst mit der unbemannten Raumfahrt. Die machen eine privatwirtschaftliche Kosten-Risiko-Bewertung. Das heißt wir haben neue Technologien und Wettbewerb, weil eine wirtschaftliche Idee dahinter steckt. Mich würde es schon reizen, die Erde einmal von oben zu sehen. Schön, dass unsere Zeit in diesem Sinn sehr schnelllebig ist.

DIE FURCHE: Was würden Sie sich von einem solchen Ausflug erwarten?

Kaltenegger: Wenn man das erste Mal unseren Planeten von oben sieht, realisiert man sehr schnell, wie dünn und verletzlich diese Luftschicht ist, die uns alle am Leben erhält. Von unten hat man ja das Gefühl, dass diese Erde so gut wie nicht umzubringen ist. Hier könnte ein globales Umdenken stattfinden, wenn da genügend Leute nach oben gebracht werden.

DIE FURCHE: Es gibt Autoren, die der Raumfahrt aufgrund drohender irdischer und kosmischer Katastrophen die zentrale Rolle für das Überleben der Menschheit zuschreiben. Werden sich Menschen künftig einmal im Weltall in Sicherheit bringen können?

Kaltenegger: Derzeit hilft nur der Erdbunker. Es gab da einen lustigen Cartoon nach dem jüngsten Meteroiten-Einschlag in Russland, mit folgendem Text: "Asteroiden sind Gottes Art zu fragen: Na, und wie weit ist das Raumfahrtprogramm jetzt schon gediehen?" Was wir mit Sicherheit wissen ist, dass die Sonne immer heller wird. In einer Milliarde Jahre wird auf der Erde alles Wasser verdampft sein. Die Sonne wird dann so groß, dass sie unseren Planeten fast verschluckt. Das bedeutet: Auf lange Sicht müssen wir weg. Aber ich bin hier volle Optimistin und gehe davon aus, dass wir das irgendwie überleben.

DIE FURCHE: Oder man akzeptiert vielleicht die Einsicht, dass alles irgendwann zu einem Ende kommen muss?

Kaltenegger: Aber als Teil der Menschheit wünsche ich mir natürlich, dass sie darüber hinaus besteht. Man könnte ein Raumschiff für einige wenige bauen, und erst einmal die strategisch wichtigsten Menschen evakuieren. Aber mein Ziel wäre letztlich, dass wir jeden mitnehmen können. Wir haben noch ein bisschen Zeit, um die nötigen Technologien zu entwickeln. Darum sehe ich auch die aktuellen privaten Raumfahrt-Initiativen sehr positiv. Die zielen ja gerade auf Massentauglichkeit ab.

DIE FURCHE: Ohne Pflanzen und Tiere wäre es aber ganz schön öd im All!

Kaltenegger: Vielleicht nimmt man bei einer groß angelegten Flucht die DNA von Tieren und Pflanzen mit und startet dann am außerirdischen Zielort die Reproduktion. Und vielleicht werden die Raumstationen künftig zum Lebensraum ausgebaut, mit induzierter Schwerkraft. Man könnte sich eine ganze Stadt im Weltraum vorstellen, so groß wie London oder wie Wien, das wäre doch schon ganz gemütlich zu leben. Jetzt sind wir gerade dabei zu lernen, wie das gehen könnte: Wie überleben Pflanzen im All, wie kann man das Wasser dort recyclen, etc.

DIE FURCHE: Raumstationen wären jedenfalls schneller erreichbar als andere Planeten: Es wäre doch ungünstig, wenn die Reisezeit zu einem anderen Planeten länger ist als die eigene Lebenszeit!

Kaltenegger: Prinzipiell kann man sich eine solche Flucht überhaupt nur vorstellen, wenn wir den Klimawandel in den Griff kriegen. Wenn wir so große Klimaprobleme haben werden, dass Milliarden von Menschen ihre Heimat verlassen müssen, entstehen wahrscheinlich Kriege und Konflikte - dann haben wir keine Zeit mehr, die entsprechenden Technologien zu entwickeln, weil die Menschheit mit dem Überleben beschäftigt ist. Es wird nur gehen, wenn es friedfertig ist, zumindest im großen Stil. Und wenn die Erdflucht nur wenigen offen steht, sieht das Szenario wenig verlockend aus: Stellen Sie sich vor, Sie überleben zwar die Auslöschung der Erde, aber Sie sind dann mit zehn Leuten für achtzig Jahre in einer Richtung unterwegs. Ob das so lustig wäre?

DIE FURCHE: Eine aktuelle Studie des deutschen Max Planck Instituts für Astronomie legt nahe, die Suche nach eventuellen außerirdischen Botschaften auf einen bestimmten Himmelsstreifen zu konzentrieren - denn außerirdische Beobachter könnten die Erde mit genau denselben Methoden entdeckt haben, die auch Astronomen bei der Suche nach fernen Planeten verwenden. Was sagen Sie dazu?

Kaltenegger: Man geht davon aus, dass diese Beobachter keine bessere Möglichkeit haben als unsere Transit-Methode. Eine Analogie: Wenn zum Beispiel Ihr Teleskop so schlecht ist, dass Sie nur die ganz hellen Gestirne erkennen, werden Sie Ihre Botschaften eben nur dorthin schicken. Aber dass diese außerirdischen Beobachter nur einen Bruchteil unserer Intelligenz und Möglichkeiten hätten, ist eher unwahrscheinlich. Wenn eine andere Zivilisation in der Lage wäre, Nachrichten auf die Erde zu schicken, ist sie wohl weiter fortgeschritten als die Menschheit.

DIE FURCHE: Man hört gelegentlich die Theorie, dass Aliens schon auf der Erde waren und uns Botschaften hinterlassen haben.

Kaltenegger: Aus logischen Gründen ist das Unsinn. Nehmen wir an, Sie planen eine Reise nach Afrika. Das erste, woran Sie denken müssen, sind die Impfungen. Es wäre nicht ratsam, auf einem fremden, Kohlenstoff-basierten Planeten zu landen. Denn Sie haben keine Impfungen für die Viren, die sich dort entwickelt haben. Das wäre so dumm wie ohne Impfschutz durch den Dschungel zu marschieren. Und wenn der Kosmos tatsächlich voller Leben ist, dann würde eine fortgeschrittene Zivilisation doch eher weiter entwickelte Wesen aufsuchen. Bildlich gesagt: Den Neandertalern beim Feuermachen zuzuschauen, wäre für außerirdische Intelligenzen nur wenig attraktiv. Auch wenn dieser Gedanke für manche Menschen eine narzisstische Kränkung sein mag.

Sind wir allein im Universum?

Meine Spurensuche im All.

Von Lisa Kaltenegger, Ecowin Verlag 2015.

208 Seiten, geb., € 19,95

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