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In zehn Jahren auf einem vier Kilometer großen "schmutzigen Schneeball" landen? Für die ESA und das Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) ist nichts unmöglich.

Für Jean-François Champollion kam der Stein wie ein Geschenk des Himmels: Auf dem schwarzen Basalt, den ein Offizier Napoleons im Jahr 1799 in der ägyptischen Hafenstadt Rosette gefunden hatte, prangte ein und derselbe Text in drei Schriften: hieroglyphisch, demotisch und griechisch. Erst mit dieser Übersetzungshilfe gelang dem Franzosen 1822 die Entzifferung der Hieroglyphen.

Einen ähnlichen Quantensprung wie durch den Stein von Rosette erhoffen sich die Forscher heute von "Rosetta": Die spektakuläre Mission der Europäischen Weltraumagentur ESA soll der Schlüssel sein zum Verständnis des Ursprungs des Sonnensystems. Ziel ist der Komet Tschurjumow-Gerasimenko - ein "schmutziger Schneeball" mit einem Durchmesser von nur vier Kilometern.

Wie jeder Komet verdampft er in Sonnennähe; bildet um seinen Eis-Kern eine gasförmige Koma und entwickelt - durch den Sonnenwind - einen mehrere Millionen Kilometer langen Schweif. "Die Materie von Kometen ist seit der Entstehung des Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren unverändert", weiß Willibald Riedler, Gründer des Grazer Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (siehe Kasten).

Rätselhafter Staub

Ein guter Grund also, den Kometenstaub näher unter die Lupe zu nehmen. Und so ist "Rosetta" - nach zehn Jahre währenden Vorbereitungen - am 2. März Richtung Schweifstern aufgebrochen. Mit an Bord sind 21 Instrumente - darunter das vom Grazer Weltrauminstitut entwickelte Rasterkraft-Mikroskop MIDAS (Micro-Imaging Dust Analysis System). Seine Aufgabe ist es, Staubteilchen mit einer Genauigkeit von einigen Nanometern (Milliardstel Meter) abzutasten. Insgesamt eine Milliarde Euro hat die ESA in "Rosetta" investiert - das IWF steuert wissenschaftliches Know-How im Umfang von acht Millionen Euro bei.

Bis zum tatsächlichen Rendez-vous der Sonde mit Tschurjumow-Gerasimenko ist es freilich noch ein weiter Weg. Zahllose Manöver - vorbei an Erde, Mars und durch den Asteroidengürtel - sind notwendig, bis "Rosetta" genügend Schwung besitzt. Um fern von der Sonne Energie zu sparen, wird die mit riesigen Solarflügeln ausgestattete Sonde sogar in "Winterschlaf" versetzt. Pünktlich im Jahr 2014 soll sie dann erwachen - und ihren Lander "Philae" aktivieren: Dieser muss sich mit einer Harpune auf dem "Schneeball" festklammern, weil der kleine Komet nur über eine äußerst geringe Anziehungskraft verfügt.

Ein waghalsiges, langfristiges Manöver. "Um solche Projekte durchführen zu können, braucht ein Institut ein gutes Gedächtnis", weiß Wolfgang Baumjohann, derzeitiger Direktor des Grazer Weltrauminstituts und seit 2001 - als Nachfolger von Willibald Riedler - Leiter der Abteilung für Experimentelle Weltraumforschung.

Marschroute: Titan

Nicht nur bei "Rosetta" ist ein langer Atem nötig. Auch die NASA/ESA-Mission Cassini-Huygens zum Saturn-Mond Titan ist schon seit dem Jahr 1997 unterwegs. Läuft alles nach Plan, dann wird der amerikanische Orbiter Cassini am 1. Juli in die Saturn-Umlaufbahn einschwenken - und die europäische Landesonde Huygens samt zwei Messinstrumenten aus Graz pünktlich zu Weihnachten abgetrennt. "Die Sonde wird an einem Fallschirm landen - ähnlich wie der Beagle bei Mars-Express, nur hoffentlich mit mehr Erfolg", meint Baumjohann.

Auch wenn der Verlust des (britischen) Landeroboters schmerzt, so gilt die ESA-Mission zum Mars - unter der Leitung des Steirers Rudolf Schmidt - doch als geglückt. "Unser Satellit funktioniert einwandfrei, und wir haben vor den Amerikanern Wasser gefunden", so Baumjohann. Nur beim Entfalten der 20 Meter langen Radar-Antennen, die auch unter der Mars-Oberfläche nach Wasser suchen sollen und in Graz kalibriert wurden, hapert es noch. Doch für "Rosetta"-Macher wird sich wohl ein Stein der Weisen finden...

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