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NASA-Experten sprechen von Fabriken im Weltall

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Im Dezember 1980 soll es, wenn alles gut geht, soweit sein: Das europäische Weltraumlaboratorium Spacelab wird an Bord der amerikanischen Weltraumfähre (Space Shuttle) zum erstenmal in den Weltraum getragen werden. Während eines siebentägigen Fluges soll das Weltraumlabor technisch erprobt werden, gleichzeitig aber sollen auch rund 60 wissenschaftliche Versuche und Experimente für Europa und die USA durchgeführt werden.

Österreich wird auch dabei sein: mit einer Untersuchung der Erstarrung von Metallen im gewichtslosen Zustand, mit Versuchen des Lötens unter Weltraumbedingungen und der Messung der Verteilung elektrischer Felder im erdnahen Raum. Nach Durchführung dieser Aufgaben kehrt Spacelab mit Space Shuttle wieder zur Erde zurück.

Spacelab wird bei entsprechender Wartung über 50mal in den Weltraum entsandt werden können, Space Shuttle sogar an die lOOmal. Der Shuttle wird auf einer Umlaufbahn von 100 bis 250 Meilen Höhe operieren, kann aber kurzfristig bis auf 800 Meilen steigen. Nach der Planung der US-Raumfahrtbehörde NASA sind für die Zeit von 1980 bis 1991 nicht weniger als 572 Space-Shuttle-Starts vorgesehen.

Raumfähre und Weltraumlaboratorium bilden während der Mission ein einheitliches System. Erst auf der Umlaufbahn werden die Ladeklappen der Fähre geöffnet, um das Labor dem freien Raum auszusetzen. Um eine optimale Nutzung zu ermöglichen, ist bei Spacelab die Modulbauweise verwendet worden: Die einzelnen Teile können ausgewechselt werden; die gesamte Ausrüstung ist standardisiert.

Drei Anwendungsbereiche

Während für Space Shuttle ausgebildete Astronauten notwendig sind, gilt dies für die in der zylinderförmigen Druckkabine des Spacelab arbeitenden Wissenschafter nicht. Auf den offenen Paletten des Raumlaboratoriums sind die Experimentiergeräte montiert, die direkt dem Weltraum ausgesetzt sind. Die Maximallänge des Spacelab beträgt 15 Meter, der Durchmesser 4,5 Meter und das Maximalgewicht 12 Tonnen.

Für den Anfang sind für Spacelab drei Anwendungsbereiche vorgesehen:

• Es dient als Testlabor für die Erprobung neuer Verfahrenstechniken und neuer Werkstoffe. Es gut hier, neuartige Methoden bei Schweiß-, Löt- und Schmelzprozessen im Vakuum zu erforschen und neue Erkenntnisse auf den Gebieten Chemie, Pharmazeutik, Elektronik, Optik und Medizin zu gewinnen.

• Spacelab soll als operationeile Plattform für erdbezogene Aufgaben dienen mit Schwerpunkten in Erderkundung, Meteorologie, Kommunikation und Navigation.

• Spacelab wird Plattform für die weitere Erforschung des Weltalls.

Bis vor kurzem diente die Weltraumfahrt ausschließlich der wissenschaftlichen Forschung und der Unterstützung militärischer Bedürfnisse. Die 1973 beschlossene Zusammenarbeit zwischen der NASA, der amerikanischen Weltraumbehörde, und der ESA der europäischen Weltraumorganisation, zur Durchführung des Space-Shuttle-Programms bedeutet hier einen Wendepunkt: Raumfahrt in Hinkunft als Dienstleistung für die Wirtschaft mit dem Ziel der industriellen Nutzung des Weltraums.

NASA-Experten sprechen in diesem Sinne bereits von Fabriken im Weltall, von Weltraumbetrieben, in denen neue Produkte hergestellt und bereits bekannte Grundstoffe in einem weit billigeren Verfahren produziert werden könnten. Die Möglichkeiten dafür bietet die Schwerelosigkeit im Weltraum und die geringe Gravitation.

Auf der Erde kann Schwerelosigkeit nur im freien Fall und bloß für etliche Sekunden hergestellt werden. Längere Arbeiten unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit könnten, wie bereits die Ergebnisse der Apollo- und Sojus-Experimente ge-

zeigt haben, die Herstellung vieler bisher unbekannter Materiahen ermöglichen.

Bei der NASA glaubt man, daß bereits in naher Zukunft Weltraumarbeiter ultrareine Metalle, Kunststoffe und Pharmazeutika herstellen werden. Aber auch biologische Produkte werden im Weltraum produziert werden können.

Auf dem sowjetischen Saljut 6 befand sich bereits ein Elektroofen für

derartige Versuche, der bei einem Gewicht von 23 kg und einem Verbrauch von 300 Watt in der Heizkammer 1000 Grad Celsius erzielte. Es ist daher ohne weiteres möglich, daß auch bei dem Weltraumlaboratorium ein Schmelzofen installiert wird, um Versuche mit Legierungen zu machen, die unter Schwerebedingungen nicht hergestellt werden können.

Spacelab wurde von der Europäi-

schen Weltraumorganisation ESA konstruiert; die Herstellung erfolgt durch eine europäische Firmengruppe unter Leitung der VFW-Fok-ker-Tochter ERNO in Bremen. Dem Konsortium gehören 10 Mitauftragnehmer und 40 Unterauftragnehmer an.

Daß eine deutsche Firma zum Hauptkontraktor gewählt wurde, steht in Ubereinstimmung mit der Tatsache, daß die Bundesrepublik

Deutschland mit 53,3 Prozent den größten Beitrag zur Finanzierung des Projektes leistet. Österreich ist an der Finanzierung mit bloß 80 Millionen Schilling beteiligt, von denen allerdings wieder an die 80 Prozent in Form von Aufträgen an österreichische Firmen wieder nach Österreich zurückfließen. Insgesamt sind es 23 Unternehmen, die aus der österreichischen Spacelab-Beteiligung profitieren.

Die Kosten für die Entwicklung und Herstellung des Weltraumlaboratoriums werden rund 560 Millionen Rechnungseinheiten betragen. (Eine Rechnungseinheit entspricht 19,10 Schilling.) Die Aufwendungen für jeden Flug werden inklusive System-und Entwicklungskosten für die notwendigen Experimentierausrüstungen und die Shuttle-Gebühren nach Angaben von ERNO zwischen 1200 und 1500 Millionen Schilling hegen, Beträge, die nur durch eine enge Zusammenarbeit aller europäischen Länder aufgebracht werden können.

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