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Grazer beteiligen sich am Projekt „Spacelab”

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Am Institut für Nachrichtentechnik und Wellenausbreitung der Technischen Universität Graz werden zwei Forschungsrichtungen verfolgt: Weltraumforschung und

Nachrichtentechnik. Der Bogen spannt sich von der reinen Grundlagenforschung über die Physik der Ionosphäre, die für die Funkwellenausbreitung so wichtig ist, bis zu den zukunftsweisenden Aspekten der Nachrichtenverbindungen über das Weltall.

In der hohen Atmosphäre, genauer gesagt, in der Ionosphäre und Magnetosphäre, das sind Höhenbereiche oberhalb rund 60 Kilometer, spielen sich äußerst interessante physikalische Vorgänge ab, die sowohl vom Standpunkt der Grundlagenforschung als auch für die angewandte Forschung und hier insbesondere für die Ausbreitung von Funkwellen, also Cur die Nachrichtentechnik, von besonderer Bedeutung sind.

Es ist daher klar, daß es vom Standpunkt des Nachrichtentechnikers aus von großem Interesse ist, die physikalischen Prozesse in der Ionosphäre genauer kennenzulernen. Zu diesem Zweck nahm das Institut für Nachrichtentechnik und Wellenausbreitung bereits im Jahre 1969 an Raketenstarts zur Messung von Elektronendichten und anderen physikalischen Größen in der Ionosphäre teil.

Zur Erforschung der physikalischen Vorgänge in der Magnetosphäre gibt es mehrere Methoden. Da Österreich nicht Mitglied der ESA (European Space Agency) ist, kommt die Beteiligung an Satellitenprojekten, mit Hilfe derer man direkte Langzeitmessungen in der Magnetosphäre durchführen könnte, nicht in Frage.

Das Institut für Nachrichtentechnik und Wellenausbreitung nahm an einer Anzahl von Raketenaufstiegen teil, die die Anzahl und die Energieverteilung von Elektronen und Protonen in der Magnetosphäre erforschten. Daraus konnten wichtige Erkenntnisse über deren Beschleunigungsprozesse gewonnen werden. Die bereits erwähnte, in Höhenbereichen um 90 km entstehende Röntgenstrahlung dringt bis zu etwa 20 km hinunter. Man kann in diesen Höhenbereich mit Hilfe von großen Ballons (Stratosphärenballons) Vordringen. Das Institut beschäftigt sich seitjangeręr Zeit mit der Messung dieser Röntgenstrahlung mit Hilfe von ballongetragenen Geräten. Diese müssen so konstruiert sein, daß sie Temperaturen in zirka 35 bis 40 km Höhe (rund minus 60 Grad Celsius) über mehrere Tage hinweg nicht nur überstehen können, sondern auch unter diesen Bedingungen exakte Meßresul- tate liefern.

Die Ballons werden am Boden nur zum Teil gefüllt, da sich das Gas beim Vordringen in hohe Luftschichten ja automatisch weiter ausdehnt. Als Startplatz wird vom Institut meist Kiruna in Norschweden verwendet, von wo die Ballons dann in mehreren Tagen über Island bis Grönland und auch Kanada treiben. Während dieser Zeit werden die Meßergebnisse laufend an Bodenstationen nach And^ya und Raufarhöfn, Island, gefunkt. Die Auswertung geschieht dann mittels Computers in Graz.

Da man daran interessiert ist, Messungen gleichzeitig an verschiedenen Stellen in einem möglichst großen Gebiet vorzunehmen, um damit die dynamischen Vorgänge in der Magnetosphäre besser studieren zu können, verwendet man meist mehrere Startplätze in Nord-Süd-Richtung (etwa Andenes - Kiruna). Von diesen Plätzen werden die Ballons in gewissen Zeitabständen gestartet, treiben nach Westen und büden so ein Netz von relativ stabilen Meßpunkten.

Im Vorjahr war es erstmals möglich, derartige Ballonmessungen auch im Winter vorzunehmen. Da im Winter die Winde in der Stratosphäre stabil nach Osten gerichtet sind, muß beim Start von Kiruna aus die finnisch-so- wjetische Grenze überflogen werden. Die Bewilligung dafür war naturgemäß nicht einfach zu erlangen, ist jedoch jetzt im Rahmen eines Zusammenarbeitsabkommens, das unser Institut im Vorjahr mit der sowjetischen Akademie der Wissenschaften einge-

Jgangen ist, erreicht worden. Als erste Stufe dieser Zusammenarbeit fand im November/Dezember 1976 eine gemeinsame sowjetisch-österreichischschwedische Ballonkampagne statt, wobei insgesamt 13 Ballons von Kiruna aus gestartet wurden. Die Meßgeräte stammten aus Graz und Moskau, die Telemetrieanlagen am Boden wurden von der Sowjetunion beigestellt. Zum erstenmal flogen im Dezember vorigen Jahres österreichische Meßgeräte bis zum Ural.

Der letzte Schritt in Richtung der Beteiligung an internationalen Projekten auf dem Gebiet der physikalischen Weltraumforschung ist die Beteüi- gung am Projekt Spacelab. Es ist dies ein etwa 16 Meter langes Laboratorium mit 4 Meter Durchmesser, das mit Hilfe der Weltraumfähre Space Shuttle in die Umlaufbahn gebracht wird, dort eine Woche lang Messungen vomimmt und - das ist das Bemerkenswerte - samt Trägerfahrzeug und Besatzung wieder landen kann.

Im Rahmen internationaler Ausschreibungen wurden Experimente ausgewählt und mit großer Befriedi gung kann ich feststellen, daß das Grazer Institut beim ersten Spacelabflug im Jahre 1980 mit einem gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Aeronomie, Lindau, durchgeführten Experiment vertreten sein wird.

Dabei werden Elektronenpakete von Spacelab ausgesandt und im Falle des Vorhandenseins elektrischer Felder in der Magnetosphäre an diesen reflektiert. Aus den an Bord von Spacelab gewonnenen Meßdaten über die „zurückgekehrten” Elektronen oder auch Protonen lassen sich dann bisher nicht erfaßbare wichtige Schlüsse über die Verteüung der elektrischen Felder im erdnahen Weltraum ableiten.

Nahe dem Stadtgebiet von Graz, am sogenannten „Lustbühel”, wurde vor kurzem als interuniversitäre Einrichtung ein Weltraumobservatorium errichtet, an dem vier Institute der Universität und der Technischen Universität Graz, darunter eben das Institut für Nachrichtentechnik und Wellenausbreitung, beteiligt sind. Letzteres ist am Lustbühel mit zwei Gebieten vertreten: Der angewandten Weltraumforschung auf dem Gebiete .der Nachrichtensatelliten und der Lang- bzw. Längstwellenausbreitung.

Am Lustbühel wurde nach zweijähriger Planungszeit eine Satellitenbodenstation für Frequenzen über 10 GHz errichtet. Es handelt sich hiebei um die erste Bodenstation Österreichs für Nachrichtensatelliten! Sie besteht im wesentlichen aus einem 3-Meter-Parabolspiegel, montiert auf einem Höchstpräzisionsdrehstand, sowie hochempfmdlichen Empfangseinrichtungen.

Die Anlage wird für die Messung der Signaldämpfung, der Signaldepolarisation und des Himmelsrauschens sowie zur Messung der Ubertragungseigenschaften von Nachrichtensatellitenstrecken für Daten-, Rundfunk- und Fernsehübertragung dienen, wobei in allen Fällen eine enge Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), der österreichischen Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung sowie dem österreichischen Rundfunk ins Auge gefaßt oder bereits eingeleitet wurde. Ergänzt sollen diese Messungen durch ähnliche Untersuchungen an terrestrischen Rundfunkstrecken sowie durch ein ausführliches Netz meteorologischer Meßstationen werden.

Die Satellitenbodenstation wurde im Frühjahr 1976 zum Empfang des amerikanischen Versuchsnachrichtensatelliten ATS-6 auf 20 GHz probeweise in Betrieb genommen und lieferte sehr gute Resultate. Seit Juni 1977 wird die Station (nach einem Umbau auf 11/14 GHz) vor allem für Forschungsaufgaben in Zusammenhang mit dem europäischen Nachrichtensatelliten OTS (Orbital Test Satellite) der ESA eingesetzt, von 1978 an in zunehmendem Maße für experimentelle Daten- und andere Informationsübertragung verwendet werden.

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