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Angewandte Geophysik

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Physikalische Methoden zur Erforschung des Aufbaues der festen Erdrinde haben wegen ihrer hervorragenden Bedeutung für die Auffindung nutzbarer Lagerstätten in den letzten Jahrzehnten einen ungeheuren Aufschwung genommen. Die Entwicklung dieser Verfahren erfolgte fast durchaus im Ausland, wie in Deutschland und in den Vereinigten Staaten. In Österreich fanden sie in großem Maßstab erst Anwendung, als vor und während des letzten Krieges die Erschließung der österreichischen Erdöllagerstätten betrieben wurde.

Man unterscheidet vier hauptsächliche Methoden. Die Seismik untersucht die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Erschütterungswellen im Boden, die durch Sprengungen künstlich erzeugt werden. Die Gravimetrie mißt die örtlichen Unterschiede der Schwerkraft, woraus sich Schlüsse auf Dichteunterschiede der Gesteine in der Tiefe ergeben. Die Geoelektrik stellt die Unterschiede der elektrischen Leitfähigkeit der Bodenschichten fest. Die Geomagnetik untersucht das magnetische Verhalten der Gesteine im Untergrund.

Während früher geophysikalische Untersuchungen in österrech vorwiegend unter Heranziehung auswärtiger Spezialisten gemacht wurden, sind heute österreichische Spezialfirmen in der Lage, fast alle derartigen Arbeiten mit eigenen Geräten auszuführen. Darüber hinaus wurden bereits österreichische Patente auf Neuentwürfe geophysikalischer Instrumente (zum Beispiel Vertikalgradiometer von Kunz) und Verbesserungen verschiedener Geräte erteilt.

Die Nachkriegszeit hat in Österreich der Geophysik viele neue Aufgaben gebracht. An Stelle der großräumigen Untersuchungen erdölhöffiger Gebiete sind zahlreiche örtliche Probleme in den verschiedensten Teilen des Landes getreten. Vor allem der Kraftwerkbau in den Alpen mit der schwierigen Wahl der Sperrstelle für die Stauanlagen, der Frage der Dichtheit des künftigen Staubeckens usw. bietet viele Einsatzmöglichkeiten für die Geophysik. Der Charakter unseres Landes bringt es mit sich, daß dann die Arbeiten vielfach im alpinen, oft hochalpinen Gelände unter schwierigen Verhältnissen vor sidi gehen müssen. Zu den Aufgaben im Rahmen der Elektrizitätswirtschaft aber kommen Untersuchungen von Lagerstätten, die weiter aufgeschlossen werden oder deren Bergbaue neuerlich in Betrieb genommen werden sollen.

Zwei'geophysikalische Verfahren kommen für diese häufigsten praktischen Aufgaben in Betracht: die Seismik und die Geoelektrik. Von diesen wird besonders die Geoelektrik unter den verschiedensten, auch schwierigen Verhältnissen im alpinen Gelände eingesetzt. Die Geräte sind von verhältnismäßig geringem Umfang und leicht beweglich. Der über zwei Metallspieße in den Boden geleitete Gleichstrom kann je nach örtlicher Lage aus Batterien entnommen, mit einem kleinen transportablen Aggregat erzeugt oder aus dem Lichtstrom des Ortsnetzes transformiert werden. Aus den an zwei Sonden zwischen den Elektroden gemessenen Spannungen wird der Widerstand der vom elek- trischen Strom durchflossenen Bodenschichten errechnet, und die graphische Darstellung in sogenannten Widerstartdskurven gibt Aufschlüsse über den Aufbau des Untergrundes. So kann die Dicke einer Schuttmasse über dem festen Fels ermittelt werdet auf dem ein Bauwerk, zum Beispiel eine Staumauer, gegründet werden soll. Die Widerstandskurve kann aber auch Aufschluß geben über die Gesteinsbeschaffenheit, etwa das Vorhandensein einer für das geplante Bauwerk gefährlichen Störungszone. Dieses Verfahren kann aber auch bei Lagerstättenuntersuchun- gen angewandt werden, wo entweder das nutzbare Mineral selbst oder ein Begleitgestein sich durch ein kennzeichnendes elektrisches Verhalten zu erkennen gibt (zum Beispiel das sogenannte „Haselgebirge“ als Begleiter der alpinen Salzlagerstätten).

Mit diesen und ähnlichen elektrischen Meßverfahren können Durchfeuchtungszonen und Quellen in ihrem unterirdischen Verlauf festgestellt werden, Probleme, die im Zusammenhang mit Wasserversorgungsprojekten oder der Neufassung von Heilquellen in unseren Badeorten häufig auftreten. Hie- her gehört auch die Ermittlung von Lag und Mächtigkeit des Grundwassers auf geo- elektrischem Wege.

Weniger vielseitig ist die Einsatzmöglichkeit der Seismik. Sie wird besonders dort mit Erfolg angewandt, wo die Tiefenlage harter Gesteine unter einer relativ lockerenÜberdeckung festgestellt werden soll. Dieses Verfahren erfordert einen größeren Aufwand von Apparaten und Personal, ist aber durch eine unübertroffene Exaktheit ausgezeichnet. Es wäre sehr geeignet für die Messung der Eismächtigkeit der Gletscher, die im Einzugsgebiet der geplanten oder im Bau befindlichen zentralalpinen Kraftwerke gelegen sind. Derartige Angaben sind für hydrologische Fragen der Wasserführung usw. von besonderer Bedeutung. Seismische Messungen dieser Art wurden von den Grönlandexpeditionen in großem Maßstab für die Erforschung des arktischen Inlandeises angewandt.

Diese lückenhafte Reihe von Beispielen,

die nicht annähernd die Vielfalt der Methoden und ihrer Verwendbarkeit umfassen kann, wird immerhin genügen, um ihre außerordentliche praktische Bedeutung auch für die österreichische Wirtschaft aufzuzeigen. Die Möglichkeit, derartige Verfahren ohne Heranziehung kostspieliger ausländischer Fachleute und Firmen durchführen zu können, ist bisher allein ein Ergebnis privater Initiative gewesen. Der weitere Ausbau dieser Einrichtungen und die vor allem materiell bedingte Konkurrenzfähigkeit österreichischer Fachleute im Ausland wird von der weiteren Förderung abhängen, welche diese Bestrebungen in Hinkunft finden werden.

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