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Das AKH rasch fertigstellen!

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Die beiden Beiträge auf dieser Seite sollen zur Abwechslung nicht die verschiedenen fragwürdigen und sicherlich aufklärungsbedürftigen Vorgänge rund um den Neubau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses behandeln. Vielmehr wird danach gefragt, ob es überhaupt sinnvoll ist, ein derartiges Großprojekt durchzuführen und vor allem ob beim derzeitigen Stand der Dinge, eine Fortsetzung der Bautätigkeit noch gerechtfertigt erscheint.

über den Neubau des Allgemeinen Krankenhauses werden seit Jahr und Tag so viele Fakten und Daten von den Nachrichtenmedien verbreitet und meist auch kritisch kommentiert, daß sich der Laie kaum noch eine Vorstellung von den tatsächlichen Verhältnissen machen kann.

Es erscheint daher nicht unangebracht, aus historischer Sicht auf kon- troversielle Auffassungen über einige Grundfragen dieses Projekts einzugehen!

In der Kritik wird zumeist nur vom Bau eines Großkrankenhauses gesprochen und man fragt, was denn daran so Außergewöhnliches wäre und wieso es gerade in diesem Fall derartige Schwierigkeiten gäbe - ganz abgesehn von den Komplikationen, die als Verschulden einzelner Funktionäre des Managements Gegenstand gerichtlicher und parlamentarischer Untersuchung sind.

Die Funktion als Universitätsklinikum, also als klinischer Anteil der medizinischen Fakultät, bleibt dabei weitgehend unbeachtet, obwohl gerade dar in ein wesentlicher struktureller Unterschied gegenüber jeder anderen Art von Krankenhaus, gleich welcher Größenordnung, liegt.

Ein Universitätskrankenhaus benötigt nicht nur die höchste medizintechnische Ausstattung, sondern zusätzlich umfangreiche räumliche und technische Vorkehrungen für die Forschung und die Heranbildung von Ärzten. Aus der Summe der dadurch bedingten Anforderungen resultiert der Aufwand, der bei so einem Spitalsbau benötigt wird, was sich natürlich in den Kosten und in der Bauzeit niederschlägt.

In der Diskussion taucht immer wieder die Frage des Standorts auf. Ein Krankenhaus von einer solchen Dimension mitten in der Stadt, statt in landschaftlich freier Umgebung, sei doch schon mit Rücksicht auf die Grundbedürfnisse kranker Menschen ein Unding.

Als klinisches Zentrum der Fakultät ist das Allgemeine Krankenhaus wegen der engen Beziehungen zu den zahlreichen im neunten Bezirk angesiedelten theoretischen Instituten und Lehrkanzeln an den historischen Standort gebunden. Eine Verlegung an die Peripherie käme einer Zerreißung der Fakultät gleich.

Als Schwerpunktkrankenhaus höchsten Ranges soll es aber auch Für die Patienten möglichst zentral gelegen sein.

Gegenüber diesen sachlichen Erwägungen ist das Argument der landschaftlichen Umgebung von zweitrangiger Bedeutung, da der Aufenthalt im Akutkrankenhaus größtenteils hausintern vor sich geht. Die Entwicklung strebt überdies einer ständigen Verkür zung der Verweildauer im Akutspital zu, weil dadurch der hohe Stand an Technik und Personal besser ausge- hützt wird und somit einer größeren Zahl von Patienten dienen kann.

Ein weiterer Einwand betrifft die architektonische Lösung. Man sagt, die Blockbauweise sei bereits überholt. Das Pavillonsystem wäre besser geeignet, weil es menschlicher wirke als ein Mammutgebäude.

Nun hätte allein schon das zur Verfügung stehende Gelände Tür die Auslegung entsprechend vieler Pavillons nicht ausgereicht. Im Grunde gibt aber auch bei dieser Frage der Entwicklungsstand der Medizin den Ausschlag.

Die gigantische Vielfalt und Differenziertheit technischer Einrichtungen im Großspital zwingen dazu, die Entfernungen zwischen den Leistungsstellen so kurz wie möglich zu halten und überdies gewisse Anlagen zu zentralisieren, das heißt, so einzuplanen, daß sie große Teile der Anstalt versorgen.

Desgleichen hat die moderne Medizin zu einer intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit geführt. Diagnose und Therapie und erst recht die Forschung greifen so stark über die Grenzen der Fachgebiete hinaus, daß zwischen ihnen eine enge Kooperation auf der Basis persönlicher Kontakte unerläßlich geworden ist. All das läßt sich nur in einem Kompaktbau sinnvoll realisieren.

Das derzeitige Allgemeine Krankenhaus, eine Kombination von Pavillonsystem und langen Gebäudetrakten, ist ein sprechendes Beispiel dafür: Schwerkranke müssen auf primitiven Transportmitteln, zum Teil aber auch mittels Autotransport kreuz und quer durch die Anstalt geführt werden, Ärzte müssen kilometerweit zwischen den Kliniken herumlaufen, Proben, Medikamente, Speisen ebensoweit getragen bzw. geführt werden. Das kostet Personal und Zeit und richtet sich in fühlbarer Weise gegen das Wohl des Patienten.

Diese Umstände führten ja zum Neubau und bewirkten gleichzeitig, daß von Anfang an für alle Beteiligten nur die Kompaktbauweise in Frage kam, in Übereinstimmung mit der allgemeinen Entwicklung im Spitalswe sen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Die heftigste Kritik erregt wohl die Größe des Bauwerks, das als Monstrum, Gigant, Koloß bezeichnet wird. Hierin liegt zweifellos ein ernst zu nehmendes Problem. Der Grund des exorbitanten Bauumfanges ist jedoch nicht, wie auch behauptet wird, die Großmannssucht der Bauherrschaft, sondern die Aufgabestellung. Diese stand aber von Anfang an fest.

Ein im Jahre 1961 unter starker in- und ausländischer Beteiligung durchgeführter Ideenwettbewerb erbrachte durchwegs positive Lösungen, alle nach dem Blocksystem, keine nach der Pavillonbauweise.

Die eigentliche Planung wurde auf Grund eines nach eingehenden Erhebungen verfaßten Raum- und Funktionsprogramms und in enger Zusam menarbeit mit Mitgliedern der Fakultät durchgeführt.

Als erschwerend erwies sich, daß in den sechziger Jahren eine Welle umwälzender Entwicklungen in der Krankenhaustechnologie losbrach: Neue Fachkiiniken und Institute entstanden quasi über Nacht und das technische Arsenal erfuhr eine sprunghafte Erweiterung.

Aber die neue Technik hatte auch ihre positiven Seiten, da sie die Möglichkeit zur Rationalisierung zahlreicher medizinischer und wirtschaftlicher Arbeitsgänge bot. Trotzdem wurde dadurch das Gesamtprojekt komplizierter und teurer und mußten auch eine räumliche Ausdehnung und Verlängerung der Bauzeit in Kauf genommen werden.

Die Sorge, daß die überragende Rolle der Technik dazu führe, daß das Bauwerk eher einer Fabrik als einer Stätte zur Wiedererlangung der Gesundheit gleiche, und daß der Betrieb insgesamt störungsanfälliger und schwer steuerbar sein werde, tritt in vielen Kommentaren hervor.

Nun weiß heute jedermann, daß die großen Erfolge der modernen Medizin mit Hilfe von Chemie und Technik möglich wurden. Dies hat der Gegenwartsmensch auch voll zur Kenntnis genommen.

Es ist daher nicht angebracht, aus der Technik ein Schreckgespenst zu machen. Es kommt nur auf den Geist an, der Ärzte, Schwestern, usw. bei der Anwendung von Instrumenten und Apparaten leitet.

Es ist allerdings richtig: Je höher das technische Niveau ist, desto abhängiger wird der Betrieb vom Funktionieren der Technik. Um Defekte und Ausfälle auf ein Minimum zu beschränken, muß bei der Planung und Anschaffung mit der höchsten fachlichen Genauigkeit und Sorgfalt vorgegangen werden, muß jedes Element exakt erwogen und das Zusammenspiel der Elemente genauestens festgelegt werden, müssen weiters die Firmenausschreibungen früh genug erfolgen, damit bei den Bestellungen eingehendste Beratungen geführt werden können.

Dazu bedarf es einer leistungsfähigen Betriebsorganisation. Obwohl seit über zehn Jahren auf der Tagesordnung, ist bisher eine endgültige Konstituierung noch immer nicht erfolgt. Die Krise der AKPE wirft ihre Schatten auch auf diese Frage.

Das Management erwies sich sowohl hinsichtlich seiner Struktur - „Systemmängel“ nach Kandutsch - als auch infolge von Fehlbesetzungen als Hindernis des Baufortschritts.

Die Bereinigung der durch den „Bauskandal“ sichtbar gewordenen Schwächen ist eine Zeitfrage geworden, da durch ein unkoordiniertes Fortlavieren nicht nur die Verteuerung wächst, sondern das Gelingen des Projekts überhaupt in Frage gestellt wird.

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