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Programm zur Rettung des Waldes

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Kann der Wald gerettet werden? Ja, wurde mir allseits versichert — wenn der Wille dazu vorhanden ist. Allerdings gibt es eine notwendige Voraussetzung: Vor allem anderen muß die Luftverschmutzung drastisch und dauerhaft verringert werden — um 90 Prozent, meinte Arnold Kolterer vom Hauptverband der Land- und Forstwirtschaftsbetriebe. Das^setzt in erster Linie politische Maßnahmen voraus: Das Luftreinhalterecht müßte dem Vorsorgeprinzip Rechnung tragen. Das bedeutet vor allem: Emissionen sind so zu verringern, wie es der neueste Stand der Technik erlaubt.

Inwieweit in Österreich dieser Grundsatz zum Tragen kommt, ist schwer festzustellen, weü diese Materie nicht einheitlich geregelt ist: Bund und Länder sind zuständig. Ein gezieltes und rasches Vorgehen macht die Schaffung einer Bundeskompetenz für Luftreinhaltung notwendig. Im Arbeitsprogramm der Bundesregierung ist dies vorgesehen.

Aber selbst in der derzeitigen Bundesgesetzgebung wird das Vorsorgeprinzip nur teilweise verwirklicht:

Die derzeit im Nationalrat behandelte Novelle der Gewerbeordnung sieht vor, daß neue Produktionsanlagen die neueste Rückhaltetechnik berücksichtigen müssen. Gleiches gilt für das Dampfkesselemissionsgesetz.

Schwachstelle der Regelungen ist aber die Behandlung der Altanlagen. Für sie sollen Verordnungen Grenzwerte festlegen. Zuständig ist der Handelsminister, der jedoch meist gegenläufigen Interessen der Wirtschaftstreibenden ausgesetzt ist.

Dringend erforderlich' wäre auch eine bundesweite, einheitliche Erfassung aller Emissionen (Emissionskataster), um eine gezielte Verringerung steuern zu können.

Umweltfonds

Gesetzliche Regelungen sind notwendig. Wirkungsvoller aber ist es, wenn Unternehmen unbürokratisch zu Wohlverhalten in Umweltfragen bewegt werden können. Dabei hat sich der Umweltfonds (er ist mit dem Wasserwirtschaftfonds zusammengelegt worden) bewährt. Er gewährt Zinsenzuschüsse für Kredite, die ein Unternehmen zur Durchführung von emissionsmindernden Investitionen aufnimmt.

Leider sind dem Fonds im Zuge der Budgetkürzungen 1987 die Mittel abhanden gekommen. Eine Umweltanleihe soll jetzt für diesen Zweck eine Milliarde Schilling aufbringen.

Katalysator monoxids, 70 Prozent der Stickoxide und sogar 85 Prozent der Kohlenwasserstoffe.

Verständlich, daß alle, die sich um die Zukunft des Waldes sorgen, nach dem „Kat“ rufen. Seit Oktober ist er für alle Neuwagen mit mehr als 1500 Kubikzentimeter Hubraum Pflicht. Ab Jänner 1989 müssen auch neue Mopeds mit Kat ausgerüstet sein.

Im europäischen Vergleich ist Österreichs Regelung geradezu vorbildlich. Aber auch hier die Frage: Was geschieht mit den alten Fahrzeugen? Können wir noch zehn Jahre zuwarten, bis endlich alle Personenautos mit diesem Gerät, das die Abgase um 90-95 Prozent verringert, ausgestattet sind?

Daher wird der Ruf nach dem Nachrüst-Kat laut. Rund 600.000 Personenautos könnten, Schätzungen zufolge, bleifreies Benzin tanken und daher einen Nachrüst-Kat einbauen lassen. Aber es mangelt bei uns ja schon an der Bereitschaft, überhaupt bleifrei zu fahren!

Leider stehen der Nachrüstung auch bürokratische Hürden im Weg. Sie müßten beseitigt werden, um den Weg für eine Nachrüstung zu ebnen, die laut ÖAMTC-Test die Abgase auf immerhin rund 50 Prozent herabdrückten.

Verkehrspolitik

Zu verschärfen wären auch die Normen für den Lastkraftwagen-(LKW-)Verkehr. Als Transitland werden wir aber erst von einer Änderung der Verkehrspolitik wirklich profitieren: Weg von der Straße - hin zur Schiene, heißt die Parole.

Dies gilt insbesondere für die Durchzugsstrecken Inntal-Brenner, Salzburg-Villach und Wels-Graz. Ein erster Ansatz wäre die Einführung von Nutzlastbeschränkungen (etwa auf 28 Tonnen nach Schweizer Vorbild) und von Nachtfahrverboten. Investiert werden muß aber vor allem in das Konzept der rollenden Straße: Bahnverladung von LKWs.

Wichtig wäre auch die Einführung von Tempo 80/100. Ein Jahr lang hat dieses Tempolimit in Vorarlberg gegolten. Das ergab 28 Prozent weniger Kohlenmon-oxid, 19 Prozent weniger Stickoxide und neun Prozent weniger Schwefeldioxid. Es bringt also etwas, langsamer zu fahren.

Unter der Voraussetzung, daß die Luftverschmutzung in den kommenden zehn Jahren drastisch verringert wird, werden auch jene Maßnahmen sinnvoll, die dem Wald über die auf jeden Fall zu erwartende Durststrecke hinweghelfen. „Denn wir wissen, daß das Waldsterben noch mindestens 50 Jahre weitergehen wird, selbst wenn wir alle Luftschadstoffe auf Null bringen“, stellt Rudolf Orthof er vom Forschungszentrum Seibersdorf fest. Die Waldböden haben nämlich jetzt schon zu viele Schadstoffe gespeichert.

Die Forstwirtschaft ist also auf jeden Fall herausgefordert.

Forstwirtschaft

Da sind an erster Stelle die Abkehr von der Monokultur und die Wiederherstellung von Mischwaldbeständen zu nennen. Baumarten, die den örtlichen Gegebenheiten entsprechen, sind stabiler. An die Stelle großflächiger Nachpflanzung genetisch verwandter Stecklinge sollte naturnahe Verjüngung durch natürliche Versamung treten.

Dies läßt sich nur verwirklichen, wenn der Wildstand drastisch verringert wird. Er ist bei Rot-, Reh- und Gamswild mehr als dreimal so hoch wie 1950 - den Jägern zur Freude, dem Wald zum Schaden.

Auch eine intensivere Waldpflege könnte die ökologische Stabilität erhöhen: rechtzeitige Verringerung der Stammzahl (siehe Seite 13), Auswahl der richtigen Bäume für weiteres Wachstum.

Viel vorsichtiger sollte auch mit den Maschinen im Wald umgegangen werden. Derzeit wird teilweise noch gewütet, viele Bäume werden verletzt und dadurch krankheitsanfällig. Abgegangen werden müßte auch von der Vollbaumernte. Mit Rinde, Wurzeln, Ästen sollten wichtige Nährstoffe im Wald belassen werden.

Höchste Dringlichkeit hat die Sanierung der Schutzwälder in den Alpen: Uberaltert, bedürfen sie der Verjüngung. Mittel dazu fehlen weitgehend. Nur im Rahmen der Wildbach- und Lawi-nenverbauung werden zunehmend mehr Mittel der Schutzwaldsanierung zugeführt, nicht mehr ausschließlich technische Bauten finanziert.

Düngung

Soll man den Wald düngen? Das ist umstritten. Auf keinen Fall dürfte man großflächig undifferenziert Chemikalien ausbringen, erklären die Forstleute. Das ersetze ein Übel (die Versauerung) durch ein anderes (etwa großflächiges Kalken). Zuerst müsse man die örtlichen Mängel der Böden erkennen, dann dürfe und solle man je nach Lage Kalk, Mineraldünger, Gesteinsmehle, Komposte ausbringen.

Sehr stark für den Einsatz von Gesteinsmehl mit einem Zusatz von Traubentrester-Kompost engagiert sich die 1984 gegründete Initiative „Bruder Baum“ aus Mödling. Auf drei Versuchsflächen in Niederösterreich und Salzburg beobachtet sie derzeit, wie sich die Ausbringung dieser Mischung auf den Wald auswirkt. Erste Anzeichen sprechen für eine positive Wirkung.

Das Gesteinsmehl habe den Vorteil, nicht primär chemisch zu reagieren, sondern Schadstoffe physikalisch zu binden. Der Traubentrester wiederum fördere die Mykorrhiza, jene Boden-püze, die in Symbiose mit den Wurzeln leben und für die Nährstoffversorgung der Bäume wichtig sind, in sauren Böden aber zugrunde gehen.

Samenbanken

Seit 1984 läuft an der Forstlichen Bundesversuchsanstalt in Wien ein Projekt, das darauf abzielt, Baumsamen zu bevorraten. Auslösendes Moment dafür war der beobachtete Rückgang der Fruchtbarkeit der Bäume (siehe Seite 9). Sorge bereitete auch die Einengung der genetischen Vielfalt im Waldbestand. Vermehren sich doch vorwiegend die gegen Schadstoffe robusten Bäume, während das genetische Material der übrigen langsam verloren geht.

Drei Wege sollen im Rahmen des Projektes beschritten werden:

• In möglichst naturnahen Beständen soll die natürliche Verjüngung gefördert werden. Diese Bestände sind aus der intensiven Bewirtschaftung herauszunehmen und unter Schutz zu stellen. Je größer solche Gebiete sind, umso vielfältiger ist das Erbmaterial, das bei der natürlichen Bestäubung (durch vom Wind weitergetragene Pollen) weitergegeben wird.

Bisher sind 10.000 Hektar diesem Anliegen gwidmet. Idealerweise sollten es drei bis fünf Prozent der Waldfläche sein.

• Im Bereich der Versuchsanstalt wird derzeit ein Kühlhaus gebaut, in dem Samen für die 35 forstlich interessantesten Baumarten Österreichs gelagert werden soll — und zwar etwa 200 Einheiten zu je 20 Kilo. Aus jeder Einheit könnten bei Bedarf 60.000 Pflanzen im Forstgarten gezogen und durch Stecklingsvermehrung auf eine Zahl von acht bis zehn Millionen vermehrt werden. Stirbt also wo großflächig der Wald, wäre hier eine letzte Wie-deraufforstungsreserve vorhanden.

• Das dritte Teilprojekt sieht das Heranziehen von Stecklingen von besonders ausgewählten Einzelbäumen vor. Sie werden in günstig gelegenen Plantagen gezogen und dienen ebenfalls - sobald sie herangewachsen sind — als Samenlieferanten.

Alle diese Maßnahmen haben nur dann Sinn, wenn wir bereit sind, die Umweltbedingungen zu ändern. Das erfordert wohl technische und organisatorische Maßnahmen, aber auch eine Änderung unseres Lebensstils.

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