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Alarmsignal für Menschen

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Luftverschmutzung gibt es schon lange, das Waldsterben erst seit fünf Jahren.- Kann da beides zusammenhängen?

örtliche Schäden am Wald wurden schon lange beobachtet (siehe Seite 9). Neu sind aber das Ausmaß und die Verbreitung der Emissionen. Sie gingen einher mit der Vervielfachung der wirtschaftlichen Produktion seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Motorisierung, die weite Verbreitung von Chemikalien (vor allem von Kohlenwasserstoffen) und die Politik der hohen Schlote (200-400 Meter) brachten eine großräumige Luftverschmutzung.

An den Jahresringen der Bäume kann man ablesen, daß diese Belastung schon seit längerer Zeit zu Vitalitätseinbußen führt. Diese wurden jedoch nicht ausreichend registriert.

Deutlich wurde die Schwächung erst durch die heftige Reaktion der Wälder auf ungünstige Wetterbedingungen (siehe Seite 11). Mit Problemen wie Trockenheit und Frost kamen die Bäume früher besser zurecht. Durch den Dauer streß jahrelanger Immissionen ist ihre Widerstandskraft heute verzehrt, und sie reagieren mit Erkrankung. Diese Reaktion hat also eine lange Vorgeschichte.

Können Autoabgase am Waldsterben schuld sein, wenn es den Bäumen im Wald schlechter geht als denen in der Stadt?

Pflanzen leiden nicht so sehr an den Gasen, die aus dem Auspuff kommen, als an deren Umwandlungsprodukten, die sich in der Atmosphäre bilden: je stärker die Sonneneinstrahlung, umso mehr Sekundärgifte entstehen (siehe Seite 11). Daher leiden die Wälder in Höhenlagen (wo die Sonne viel und intensiv strahlt) besonders.

Stirbt der Wald in den nächsten zehn Jahren?

Niemand kann das vorhersagen, weü man zu wenig über die Zusammenhänge weiß. Prognosen jeder Art sind unseriös. Um dramatische Prognosen reißen sich die Medien, um mit Alarmmeldungen Schlagzeilen zu machen. Besänftigende Prognosen wünschen sich viele Wirtschaftspolitiker, um einschneidende Maßnahmen vor sich herzuschieben.

Alarmierend ist der Waldzustand schon jetzt, weü geschwächte Wälder plötzlich zusammenbrechen können. Das gut besonders für die Schutzwälder in den Bergen. Sie bewahren die Täler vor Lawinen und Muren. Hier sind Rettungsmaßnahmen überfällig.

Wenn der Wald stirbt, kann dann nicht eine andere Vegetation seine Aufgaben übernehmen?

Diese Vegetation würde überwiegend aus Büschen bestehen, daher kein Holz liefern, vor allem aber den Boden nur mangelhaft erhalten können. Die Folge: Erosion. Die karstigen Bergrücken Jugoslawiens sind eine deutliche Mahnung.

Darf man - da es dem Wald so schlecht geht - überhaupt Christbäume kaufen?

Ein Christbaumkauf ist keineswegs ein weiterer Beitrag zum

Waldsterben. Die jungen Nadelholzbestände sind nämlich durchwegs stark überbelegt. Es ist gut für den Wald, wenn diese Bäume herausgenommen werden. Außerdem kommen die Forstbesitzer in einer Zeit äußerst niedriger Holzpreise wenigstens auf dem Weg des Christbaumverkaufs zu einem Zusatzverdienst.

Kostet uns die Luftreinhaltung nicht mehr als die Waldschäden?

Diese Aufrechnung ist problematisch, weü der Wald nicht nur

Holz liefert und insofern wirtschaftlich berechenbar ist. Er erbringt auch Leistungen, die nicht rechenbar sind, die unser Wohlergehen aber entscheidend bedingen: Er bewahrt die Alpentäler vor dem Abgang von Muren und Lawinen und damit ihre Bevölkerung vor Aussiedlung; er ist ein wesentliches Kapital des Fremdenverkehrs (wer käme in ein waldloses Tirol auf Urlaub?); er ermöglicht (noch) unsere Trinkwasserversorgung, beeinflußt unser Klima, versorgt uns mit Sauerstoff, verhindert Hochwasser...

Er bietet aber auch 300.000 Österreichern Einkommen. Und der Wert jener Produktion, die Holz be- oder verarbeitet, liegt bei 100 Milliarden Schilling. Diesem Tragpfeüer unserer Existenz werden aber j ährlich Schäden von 4,5 Milliarden Schilling durch Immissionen zugefügt! Da soll sich Luftreinhaltung nicht rentieren?

Könnte man nicht Bäume pflanzen, die Luftverschmutzung aushalten?

Gegen Immissionen resistente Bäume gibt es nicht* Und selbst wenn es sie gäbe: Eine Umstellung würde lange dauern, denn gesunde Bäume werden 100 bis 150 Jahre alt, so daß also jährlich nur ein Prozent der Waldfläche verjüngt wird. Eine Umstellung würde also viele Jahrzehnte dauern.

Wird sich die Natur nicht auch diesmal wieder anpassen?

Die bisherigen Änderungen in den Umweltbedingungen spielten sich—soweit wir dies aus der Erdgeschichte erkennen können — langsam und kontinuierlich ab, in Zeiträumen von mehreren Jahrtausenden. Was heute geschieht, ist im Vergleich dazu ein radikaler und abrupter Wechsel. Selbstverständlich werden sich die Lebewesen auch daran anpassen. Die Bäume reagieren eben mit Absterben. Für höhere Lebensformen wird der Raum zu unwirtlich, sie treten von der Bühne ab.

Das ist ein Alarmsignal für den Menschen: Eine Umwelt, in der Bäume sterben, richtet auf (lange?) Sicht auch den Menschen zugrunde.

Siehe dazu: WALDSTERBEN. Von Franz Mitterböck. Österreichischer Forstverein, Wien 1987,63 Seiten.

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