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VIELFALTIGE BELASTUNG

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FURCHE: Läßt sich die Situation des Waldes regional darstellen?

PROFESSOR GERHARD GLAT-ZEL: In Österreich gibt es keine Region, die keine Probleme hat. Diese sind in den einzelnen Gebieten allerdings sehr unterschiedlich. In den Alpen, in der Schutzwaldzone ist durch die Beweidung, durch die hohen Wildstände, durch eine gewisse Vernachlässigung der Bewirtschaftung (die Wälder sind ja unter Schutz gestellt) ein Überalterung des Bestandes, genau gesagt eine unausgeglichene Alterstruktur der Bäume, eingetreten. Da gibt es Wälder, in denen seit vielen Jahrzehnten keine Jungbäume nachgewachsen sind.

Sie lichten sich auf, es wächst Gras, der Schnee rutscht leicht ab, nachwachsend Bäume werden durch den rutschenden Schnee wieder herausgerissen und so kommt es zu einer Tendenz immer weiterer Auflichtung und eines Zusammenbruchs des Waldes. Das alles wird verschärft durch Luftvrschmutzung.

Dann gibt es das Problem der Auwälder: Die Folgen der Grundwasserbeeinflussung durch Kraftwerksbauten entlang der Flüsse bestehen eben nach wie vor. Daher sind manche Auwälder in einem instabilen Zustand.

Im Weinviertel hat sich die Trok-kenheit der letzten Jahre und die systematische Entwässerung der Landschaft ausgewirkt. Jeder kleine Bach wurde dort gefaßt, jede feuchte Wiese trockengelegt, um die Landwirtschaft forcieren zu können. Dadurch werden die Regen wässer sehr rasch abgeleitet, das Grundwasserniveau sinkt. Daher rühren die Probleme der Eichenwälder. Etwas höher liegen jene Wälder, die in den letzten 100 Jahren von Laubmisch- zu reinen Fichtenwäldern umgestaltet worden sind. Ursprünglich ist die Fichte - etwa im Donautal - gar nicht vorgekommen. Diese Wälder stehen jetzt in der zweiten Generation.

Die Böden sind dort schwer und zum Teil vernäßt. Der Stickstoffeintrag führt zu einer einseitigen Stick-stoffüberernährung. Diese Wälder werden von Stürmen leicht geworfen. Sie haben auch große Schädlingsprobleme. Aber in wenigen Jahren kann man nicht vom reinen Fichtenwald wegkommen.

FURCHE: Welche Art von Wäldern waren ursprünglich an diesen Standorten?

GLATZEL: Dort waren Mischwälder aus Tannen, Buchen, Eichen, Ahorn... Die Wälder in diese Form rückzuüberführen ist sehr teuer - vor allem auch durch den Wilddruck.

Gehen wir weiter in der Beschreibung der Waldprobleme: In den noch höher gelegenen, steil einhängenden Flanken der Alpen haben wir die Probleme der Skipisten. Diese werden ja - damit sie eine gute Schneelage haben - trockengelegt. Das Wasser, das den Hang hinunterzieht, wird also abgeleitet. Dadurch werden Teile destabilisiert, weil sie austrocknen, andere dadurch, daß sie zu viel Feuchtigkeit bekommen. Die Wälder werden außerdem aufgerissen -auch durch den Bau von forstlichen Straßen und Wegen: Der Wind gelangt dadurch in Wälder hinein. All das trägt zu einer De-stabilisierung bei.

FURCHE: Die Bilanz?

GLATZEL: Ein ziemlich ungünstiges Bild des österreichischen Waldes. In manchen Länder hat man das Problem schon deutlicher erkannt. Da werden mehr öffentliche Mittel für die Waldsanierung aufgewendet.

FURCHE: Besteht also Handlungsbedarf? GLATZEL: Ja, auf jeden Fall.

FURCHE: Was sollte das Endergebnis dieser Bemühungen sein?

GLATZEL: Wir wollen schöne Wälder, die ihre Schutzfunktion erfüllen, die Holz liefern, die unsere Landschaft ansprechend machen, die nicht systematisch kultiviert werden müssen. In den letzten Jahren ist stark zu beobachten, daß die Bäume zu kränkeln beginnen, bevor wir sie umschneiden wollen. Nun könnte man auf diese Entwicklung so reagieren, daß man die Bäume immer früher umschneidet. Nur bringt uns das immer mehr in Richtung Landwirtschaft. Es führt auch dazu, daß wir mit immer größerem Aufwand ein Produkt erzeugen, das auf dem Markt immer weniger bringt.

Daher streben wir Wälder an, die -vor allem auch im bäuerlichen Bereich - ihre Funktion als „grüne Sparkassen” erfüllen können, wo man also nicht unter dem ökonomischen Zwang der raschen Nutzung steht. Dazu bedarf es aber stabiler Wälder. Die Stabililtät ist auch wichtig für die Schutzfunktion des Waldes. Darüber hinaus hat der Wald auch eine ästhetische Funktion. Dicht bepflanzte Fichtenwälder mit Ästen bis hinunter haben einfach keine Erholungsfunktion. Wir stehen also sicher nicht vor einem massiven Problem des Waldsterbens. Wenn wir für ausreichende Verjüngung sorgen, können wir die Wälder voraussichtlich noch sehr lange erhalten - mit den Monokulturen allerdings gibt es Probleme.

Gerhard Glatzel ist Professor für Waldökologie an der Universität für Bodenkultur in Wien.

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