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Der nationale „Beserlpark“?

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Vor zehn Jahren, am 21. Oktober 1971, unterzeichneten die drei Landeshauptleute von Salzburg, Kärnten und Tirol feierlich eine Vereinbarung zur Errichtung eines Nationalparks Hohe Tauern, ebenso festlich ging es am 24. Oktober in DöUach im MöUtal zu, als der Kärntner Nationalpark vorgestellt wurde.

Kärnten hat es im Alleingang und vor den anderen Ländern bis zum Jubiläumstermin geschafft, eine Nationalparkverordnung zustande zu bringen.

Wenn drei Familien beschließen, gemeinsam ein Haus zu bau-

en, aber sich nach zehn Jahren noch immer nicht einig sind: kann man dann von Gemeinsamkeit sprechen? Und wenn dann eine Familie ihren Teil des Hauses alleine zu bauen beginnt, so kann man das durchaus verstehen. Ein Grund zum Feiern ist das jedoch nicht. ,

Warum ist so lange nichts geschehen? Wenn einer das wüßte, dann wäre schon mehr geschehen.

Eines muß jedoch klargestellt werden: Dort, wo niemand wohnt, wie in den unberührten Landschaften Nordamerikas, läßt sich sehr leicht ein modellhafter Nationalpark gestalten. In einem Gebiet jedoch, an dem drei Länder mit 33 Gemeinden Anteil haben, das 2600 Quadratkilometer bedeckt, wo 60.000 Menschen leben, wohnen und arbeiten, müssen einfach Interessenkonflikte entstehen und gelöst werden. Hier einen Nationalpark zu realisieren, ist sicher nicht leicht. Und fehlerlos zu arbeiten auch nicht.

Der wahrscheinlich schwerste Fehler war, daß man den Nationalpark über die Köpfe der Tau-ernbevölkerung hinweg planen wollte. Jene Menschen, die jahrhundertelang dieses wunderschöne Hochgebirgsland gestaltet und bewahrt haben, indem sie die Natur schützten und schonend nützten, wurden übergangen. Vor allem in der euphorischen Anfangsphase.

Die erste Bekanntschaft mit dem Nationalparkgedanken machte die einheimische Bevölkerung auf abschreckende Weise: Es wurde ihnen gesagt, sie dürften nichts mehr ändern und die Almen hätten so zu bleiben wie sie sind, sie müßten aufhören „Stoa-na zu suchen" und in die „Schwammerln zu gehen", die Taleingänge würden abgesperrt und man müsse dann „Eintrittsgebühr" bezahlen. Auch die Einheimischen.

Von solchen restriktiven Maßnahmen spricht man heute nicht mehr. Die Aversion und die ablehnenden Emotionen, die den Leuten durch diese falsche Vorgangsweise noch in den Knochen steckt, sind nur sehr schwer zu beseitigen. Wer in Sachen Nationalpark unterwegs ist, kann davon ein Lied singen.

Alle wollen ihn, aber es gibt ihn noch immer nicht, den Tauern-park.

Die Kraftwerksbauer sind natürlich nicht dagegen, doch ihr endgültiges Ja geben sie erst dann, wenn ihre Staumauern stehen oder zumindest gesetzlich garantiert sind.

Die Forstwirtschaft išf auch dafür. Sie wollen Wald und Wild schützen. Wer sonst? Doch erst, wenn alle Forststraßen gebaut sind. Die Forstwirtschaft glaubt, für den Wald zu leben, dabei lebt sie vom Wald.

Auch der Fremdenverkehr will ihn, weil er’sifeh positive Impulse in Form von Mehreinnahmen und höheren Nächtigungszahlen verspricht. Aber ganz so traut man der Sache nicht: lieber erst Straßen-, Hotel- und Seilbahnprojekte realisieren.

Die Haltung der Landwirtschaft ist so individuell, wie es die Bauern sind. Dabei müßten doch gerade sie alle dafür sein. Und wenn sie es nicht sind (oder noch nicht sind), dann liegt ės nicht am guten Willen der Bauern, sondern am schlechten Willen der Verunsicherer.

Eine sehr bedeutende Gruppe sind die Gäste, die ins Tauernland kommen. Diese haben jedoch keine „Parteienstellung". Im Kontakt mit der quartiergebenden Bevölkerung kommt sehr nachdrücklich ihre Auffassung von einer zu schützenden Hochgebirgslandschaft zum Ausdruck.

Besonders initiativ und aktiv sind die Bergsteigerorganisationen. Sie fühlen sich als ehemalige Alpenerschließer besonders berufen, nun als Alpenerhalter am Zustandekommen des Parks mitzuwirken. Doch zwischen dem guten Wollen und dem schlechten Tun sind oft große Diskrepanzen.

Doch erfreulich ist, daß in der Stunde der Not die alpinen Vereine immer mehr an einem (Berg-)Seil ziehen.

Daß die Naturschützer für eine geschützte Natur eintreten, versteht sich von selbst. Doch leider ist heute der superlativische Schützer selbst der größte Feind des Naturschutzes.

Viele Menschen argumentieren heute, daß Naturschutz Rückfall ins kerzenfinstere Mittelalter sei. Hier nicht übersensibel zu sein und zu erkennen, daß es nicht ein Zurück zur Natur, sondern nur ein Vorwärts zur Natur geben kann, liegt an jedem einzelnen von uns. Wir müssen umdenken und dann anders als bisher handeln lernen.

Der Kampf um den Nationalpark Hohe Tauern ist tatsächlich eine nationale Angelegenheit geworden. An ihm und den Interessenkonflikten äußert sich eine immer mehr ins Trudeln geratende Lebens- und Wirtschaftsform. Diese Problematik schlägt sich besonders in dem ständig gebrachten Argument nieder: Wenn ihr Zwentendorf nicht wollt, dann müßt ihr uns die Bäche geben.

Wenn wir in den nächsten zehn Jahren nicht mehr als bisher tun, dann wird es nur mehr einen „Na-tionalbeserlpark" geben. Wenn wir erst aktiv werden, wenn die Täler von Staumauern gesperrt sind, wenn die Tunnels gebohrt und alle Wasser abgeleitet sind, wenn auch der letzte unerschlos-sene Gebirgsstock, der Großvene-diger, seilbahnverkabelt ist, dann wird es zu spät sein. Zu spät für die Natur. Und zu spät für uns.

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