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Gratwanderung zum Nationalpark

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Der Nationalpark Donau-Auen könnte im Oktober eröffnet werden. Der Leiter des Vorbereitungsteams rechnet zwar damit, hat aber auch gewisse Sorgen...

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Der Nationalpark Donau-Auen könnte im Oktober eröffnet werden. Der Leiter des Vorbereitungsteams rechnet zwar damit, hat aber auch gewisse Sorgen...

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dieFurche: Wie sieht das Nationalparkkonzept aus?

Reinhold Christian: Es ist in fünf Jahren erstellt worden: Die Eignung des Gebietes wurde neuerlich geprüft, seine Ausdehnung festgestellt, die Maßnahmen für den Naturschutz entwickelt und viele Fragen geklärt: die Wechselwirkung mit dem Tourismus, die Schiffahrt, Energiegewinnung, Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei... Mit den meisten Interessensträgern haben wir Konsens erreicht und trotzdem die beste Aussicht auf internationale Anerkennung erwirkt.

dieFurche: Wie groß ist der Nationalpark?

Christian: Geeignet sind 11.500 Hektar. 80 Prozent davon sind im öffentlichen Eigentum beziehungsweise zum Zweck des Naturschutzes freigekauft worden. Mit dieser Fläche könnte man sofort mit der Einrichtung des Nationalparks beginnen. Private und Gemeinden könnten sich freiwillig gegen Entschädigung beteiligen. Am 14 Dezember wurde ein Nationalparkgesetz in Niederösterreich beschlossen. Wien soll spätestens im Juni folgen. Ein Vertrag zwischen diesen Ländern und dem Bund soll dann die Einrichtung endgültig verankern. Es war nicht leicht, im Spannungsfeld der vielen Interessen, die da hineinspielen, ein sachlich fundiertes Konzept zu entwickeln. Es ist aber gelungen. Dabei zeigte sich ein einziger scharfer Konflikt: die Kraftwerksfrage. Profunde Untersuchungen ergaben klar: Wo ein Nationalpark ist, kann es kein Kraftwerk geben.

dieFurche: Warum?

Christian: Ein Auwald lebt vom Wasser. Hochwässer und Grundwasserschwankungen sind sein Lebenselixier. Ein Kraftwerk aber braucht Be-gleitdämme, die das Wasser nicht in die Au abfließen lassen. Der Auwald wird von seiner Lebensader getrennt.

dieFurche: Beim Kraftwerk Greifenstein gab es Begleiteinrichtungen, die auähnliche Bedingungen simulieren. Geht das östlich von Wien nicht?

Christian: Das funktioniert auch in Stockerau nicht. Dort gibt es eine winzige Teilkompensation dessen, was durch den Kraftwerksbau unmöglich wurde. Im Nationalpark aber soll die Donau wieder stärker mit ihren Nebenarmen verbunden werden. Da geht es um Wassermengen von hunderten Kubikmetern pro Sekunde (20 Prozent des Donauwassers). Der Gießgang bei Greifenstein bewältigt nur ein bis fünf Kubikmeter pro Sekunde, die Donau durchschnittlich etwa 2000.

dieFurche: Wie würde es mit derSchif-fahrt aussehen?

Christian: Wir haben vorteilhafte Lösungen erarbeitet. Die Wassertiefen werden größer.

dieFurche: Und die Donaueintiefung?

Christian: Dieses Problem wird nicht vom Nationalpark verursacht, sondern von den flußbaulichen Maßnahmen (Kraftwerke, Wildbachverbauung) im Oberlauf. Daher muß es der Nationalpark auch nicht lösen. Heute ist klar: Man kann beide Fragen getrennt angehen. Außerdem gibt es mehrere Möglichkeiten für die Stabilisierung.

dieFurche: Welche?

Christian: Man kann kontinuierlich Schotter zusetzen und mit gröberem Schotter eine stabilere Decke in die Schiffahrtsrinne legen, oder Mischformen wählen. Das ist auch eine Kostenfrage. Auch heute baggert man um -zig Millionen in der Schiffahrtsrinne. Die Stabilisierung würde zwischen zwei und drei Milliarden Schilling kosten, die Errichtung des Nationalparks je nach Ausstattung nur zwischen wenigen Millionen bis zu zweistelligen Millionenbeträgen. Die Betriebskosten liegen zwischen 17 und 50 Millionen Schilling, je nach dem, was man alles vorhat. Für den Nationalpark wäre es daher „tödlich" gewesen, hätte man ihm die Flußsanierung finanziell angelastet

dieFurche: Halten die Entscheidungsträger beides auseinander?

Christian: Noch nicht alle. Aber die Argumente liegen am Tisch. Die Botschaft ist auf dem Weg: Die hohen Kosten für die Flußbaumaßnahmen sind weder von ihrer Verursachung, noch von der Warte des hauptsächlichen Nützers (der Schiffahrt) dem Nationalpark zuzuordnen.

dieFurche: Ein Kraftwerk macht aber die Sohlestabilisierung unnötig...

Christian: Bichtig. Wir haben eine volkswirtschaftliche Analyse durchgeführt. Sie ergab, daß der Nationalpark beim Kosten-Nutzen-Vergleich viel besser abschneidet: pro ausgegebenem Schilling, 2,10 Schilling Rückfluß gegenüber „nur" 1,50 Schilling bei der günstigsten Kraftwerksvariante.

dieFurche: Mehrere Gemeinden sprachen sich gegen den Nationalpark aus...

Christian: Es gibt nach wie vor Skepsis im Gebiet. Dennoch ist die Akzeptanz gestiegen. Wir haben viele hitzige Diskussionen in Dorfgasthäusern hinter uns. Verglichen mit anderen Nationalpark-Projekten ist die Akzeptanz nicht schlecht. Von den 13 niederösterreichischen Gemeinden haben sich vier am Nordufer gegen das Projekt geäußert. Sieben andere haben aufgeschlossen reagiert. In Haslau und Hainburg konnten wir sogar schon Vertragsnaturschutz verwirklichen.

dieFurche: Was heißt das?

Christian: Haslau hat ein Waldstück geschlagen. Wir haben ein Konzept entwickelt, daß man dort einige standortheimische Bäume stehen läßt und die Aufforstung mit solchen Bäumen durchführt. All das kostet natürlich etwas. Wir haben dafür Mittel aufgetrieben. Die Gemeinde hat sich an den Kosten beteiligt und vieles organisiert.

dieFurche: Was wären die Sorgen der örtlichen Projektgegner?

Christian: Offen vorgebracht wurde vor allem die Angst vor Massentourismus beziehungsweise davor, nicht mehr in die Au gehen zu dürfen. Beides trifft nicht zu. Das Konzept sieht sowohl den freien Zugang als auch Einrichtungen für Besucher an bestimmten interessanten Stellen vor (im Bereich Lobau und Hainburg). Sensible Gebiete könnten dadurch sogar entlastet werden. Derzeit gibt es rund 900.000 Besucher. Diese Zahl könnte sich um etwa 20 Prozent steigern.

dieFurche: Haben Sie eine Beziehung zur Au entwickelt3

Christian: Ja, eine sehr intensive. Man kann sich gar nicht dagegen wehren. Ich habe fünf Lebensjahre dort verbracht und nicht nur einen Job erledigt. Diese Landschaft übt eine eigene Faszination aus: Die intensive Wechselwirkung von Wald und Wasser mit einem großen Artenreichtum. Die Au ist lebendig und schnellwüchsig. Die Donau ist eben ein mächtiger, faszinierender Strom...

dieFurche: War es leicht, ein so komplexes Projekt voranzubringen?

Christian: Nein, es war sehr schwierig. Man macht sich bei den vielen Interessen, die ins Spiel kommen, auch viele Feinde. Es hat unser Team und vielen Helfern, denen ich sehr dankbar bin, sehr viel Substanz gekostet. Daher würde ich sehr leiden, wenn das Projekt nicht verwirklicht wird.

dieFürche:fo es also doch gefährdet?

Christian: Verwunderlich ist immerhin, daß man das Projektteam in der Zielgeraden aus dem Rennen genommen hat. Dabei geht es nicht darum, einen Job für mich zu retten. Mir war der Posten des Nationalparkdirektors nicht zugesagt. Aber, daß man das Know-how, das während der Vorbereitung erworben wurde, einfach fallen läßt, ist irritierend. Hätte mein wirklich vor, ein attraktives Projekt im Herbst zu eröffnen, kann es dann sinnvoll sein die Mannschaft aufzulösen? Zu denken gibt auch, daß in beiden Nationalparkgesetzen die Donau im derzeitigen Entwurfstadium ausgeklammert ist. Auch ist in beiden Gesetzen die Errichtung von Anlagen unter bestimmten Bedingungen möglich.

dieFurche: Es bleibt also eine Tür für die E- Wirtschaft offen...

Christian: Wenn man sie öffnet, ist allerdings kein Platz mehr für den Nationalpark.

Das Gespräch fährte

Christof Gaspari

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