Es droht der Ausverkaufi

19451960198020002020

Die Verbundgesellschaft ist von der Umstellung besonders betroffen. Welche Perspektiven hat sie? Ein Gespräch mit Vorstandsdirektor Schröfelbauer.

19451960198020002020

Die Verbundgesellschaft ist von der Umstellung besonders betroffen. Welche Perspektiven hat sie? Ein Gespräch mit Vorstandsdirektor Schröfelbauer.

Werbung
Werbung
Werbung

dieFurche: Welche Perspektiven sehen Sie für die E-Wirtschaft aus der Warte des Verbundes?

Herbert Schröfelbauer: Für uns ist das Ganze ein zweischneidiges Schwert. Die Liberalisierung ist sicher eine Chance, eine Möglichkeit, die Geschäftstätigkeit in Zukunft sogar expansiver betreiben zu können, neue Kunden anzusprechen. Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Es gibt diese stufenweise Öffnung: zunächst 100 GWh, in Österreich voraussichtlich nur 40. Man kann spekulieren, wohin das führen wird. In England profitiert ja sogar der Letztverbraucher von dieser Öffnung. Da gibt es dann ungeahnte Möglichkeiten. Insofern sehe ich eine Chance.

dieFurche: Und die andere Seite?

Schröfelbauer: Wir haben das Problem, daß wir heute in einer Struktur leben, die, vom 2. Verstaatlichungsgesetz vorgegeben, über 50 Jahre gewachsen ist. Wir werden ohne viel Übergangsbestimmungen ins kalte Wasser gestoßen. Denn was heute - vielleicht noch bis zum Sommer - gilt, gilt im Herbst schon nicht mehr. Unsere bisherigen Investitionen waren vom gesetzlichen Auftrag, für die Versorgungssicherheit zu sorgen, bestimmt. Diese Aufgabe, eine unserer wesentlichen, fällt in Zukunft weg. Wir haben also in Anlagen investiert, die in dieser Form in Zukunft nicht mehr gebraucht werden. Da hätten wir uns etwas längere Übergangszeiten erwartet, um in diesen freien Markt ohne Crash gleiten zu können.

dieFurche: Wie stellen Sie sich die zukünftige Organisationsstruktur der E-Wirtschaft vor?

Schröfelbauer: Es gibt Untersuchungen, die damit rechnen, daß mittel- bis langfristig sich nur mehr vier bis sechs Gruppen den Markt in Europa aufteilen werden. Alle großen Elektroversorgungsunternehmen (EVU) Europas sind dabei, die Pflöcke einzuschlagen, um eines dieser überlebenden Unternehmen zu sein. Österreich müßte versuchen, zumindest teilweise in diesem Geschehen mitzumischen. Eine der Möglichkeiten wäre, eine österreichische Lösung zu finden, die eine kritische Größe erreicht, um nicht beiseite geschoben zu werden. Da eine gesamtösterreichische Lösung nicht zustandekommen dürfte, gibt es eine Initiative in Richtung eines "Österreich-Konsortiums" bestehend aus: Wien-Strom, EVN und Verbund als Kern, und darum herumgruppiert die Beteiligungen.

dieFurche: Geben Sie dieser Lösung eine gute Chance?

Schröfelbauer: Ich würde es mir wünschen. Es wäre ein Kern, von dem aus man agieren kann. Eine Stärke, mit der man mitspielen könnte. Und es wäre ein Ansatz für Entwicklungsmöglichkeiten in den osteuropäischen Staaten. Das wäre eine Spezialaufgabe für Österreich.

dieFurche: Wer werden die größten Konkurrenten auf Österreichs Markt sein?

Schröfelbauer: Die EVUs in Deutschland. Wie man aber schon bei der Estag gesehen hat, versucht auch die französische EDF, sich als größter Produzent in Europa in Österreich entsprechende Marktanteile zu sichern. Kürzlich konnten wir in den Medien lesen, was die EDF in Österreich vorhat, nämlich von der Steiermark aus den österreichischen Markt aufzurollen.

dieFurche: Wie sieht es mit Österreichs Überkapazitäten aus?

Schröfelbauer: Sie ergeben sich aus der veränderten Situation. Es wird schwer sein, diese Überkapazitäten auf dem österreichischen Markt unterzubringen. Wir werden uns im Ausland größere Marktanteile als bisher sichern müssen. Längerfristig wird es zu Bereinigungen kommen.

dieFurche: In welcher Größenordnung gibt es "gestrandete", zukünftig nicht rentable Investitionen?

Schröfelbauer: Von der Elektrizitätswirtschaft sind insgesamt 42 Milliarden Schilling genannt worden. Man ist dabei von einem zukünftigen Marktpreis ausgegangen und hat ihm die Produktionskosten in den "gestrandeten Investitionen" gegenübergestellt. Diese Differenz ist angemeldet worden. Das Ministerium hat sie aus uns unbekannten Gründen gekürzt und nach Brüssel gemeldet. Dort werden die Meldungen geprüft, zugelassen oder nicht. Dann müssen sich die Regierungen überlegen, wie sie mit diesen Beträgen umgehen. Die Höhe dieser "gestrandeten Investitionen" hängt natürlich auch noch von dem zukünftigen Gesetz (ElWOG) ab. Wir wissen noch nicht, wie es aussehen wird. Mittlerweile haben wir den zehnten oder elften Entwurf bekommen. Das Gesetz sollte den Schutz der Wasserkraft - den wir fordern - berücksichtigen.

dieFurche: In welcher Form?

Schröfelbauer: Bevorzugter Einsatz der Wasserkraft, bevor man Importe tätigt. Da die Marktöffnung zunächst 22 Prozent betragen wird und Österreich 70 Prozent seines Stroms aus Wasserkraft bezieht, ist deren Bevorzugung keine Einschränkung der Öffnung. Wird aber die Wasserkraft geschützt, fallen alle "gestrandeten Investitionen" im Sektor Wasserkraft weg. Damit wäre man fast auf Null.

dieFurche: Sollte der Öko-Strom im Gesetz berücksichtigt werden?

Schröfelbauer: Ich bin ein Anhänger der erneuerbaren Energie. Die Diskussion aber läuft nicht ganz ehrlich. Denn die Gruppen, die die Senkung des Strompreises fordern, verlangen im selben Atemzug auch eine Erhöhung der Einspeisetarife, damit der Öko-Strom (Biomasse, Photovoltaik und Wind - von der Wasserkraft will man nicht sehr viel wissen) sich rechnet. Das ist ein Widerspruch. Wir haben mit knapp 25 Prozent in der EU ohnedies den zweithöchsten Anteil an erneuerbarer Energie.

dieFurche: Österreich fördert aber im internationalen Vergleich Öko-Strom eher schlecht.

Schröfelbauer: Bei diesem Vergleich bleibt unberücksichtigt, daß Österreich mit 25 Prozent schon viel Öko-Strom (vor allem aus Wasserkraft) erzeugt. Damit haben wir ein teureres Stromerzeugungssystem als die anderen Länder. Und jetzt fordert man noch einmal eine Erhöhung von uns. Meiner Meinung nach geht sich das nicht aus. Die Länder mit geringem Anteil an erneuerbarer Energie haben Kernenergie, eine billige Energie, die heute den Markt überschwemmt. Wettbewerbsnachteile haben wir auch durch unseren niedrigen Anteil von Gaskraftwerken, denn die Gaspreise sind im Keller wie nie zuvor, und es gab dort einen massiven Fortschritt in der Technologie.

dieFurche: Was halten Sie von dem Modell, daß Konsumenten freiwillig mehr für "grünen Strom" zahlen?

Schröfelbauer: Wir haben zwei Beteiligungen, die Flächenversorgung durchführen: die Steg in der Steiermark und eine Minderheitsbeteiligung an der Kelag. Da haben wir ein "green pricing"-Modell entwickelt. Es gilt momentan in diesen beiden Bundesländern. Ich bin ein Befürworter dieses Modells. Will nämlich die Bevölkerung garantiert erneuerbare Energie kaufen, auch wenn sie teurer ist, so sollten wir uns diesem Wunsch nicht verschließen. Ob es viele gibt, die das Modell nützen, ist eine offene Frage. Wir probieren es jedenfalls.

dieFurche: Eine EVA-Studie kommt zu dem Ergebnis, Frankreichs Atomstrom stelle gar keine so unmittelbare Gefahr dar. Wie sehen Sie das?

Schröfelbauer: Stromimporte spielen sich über eine Entfernung von rund 500 Kilometern ab. Was wesentlich weiter ist, hat preismäßig keine Chance. Dennoch ist der Schluß, das weit weg liegende Frankreich bedrohe uns nicht, falsch. Es kommt der Domino-Effekt zum Tragen. Denn Frankreich liefert etwa an Italien, dort fallen die Preise, und die Produzenten werden verdrängt. Sie versuchen es dann wiederum in ihren Nachbarländern ...

dieFurche: Der französische Stromexport scheint durch überhöhte Haushaltstarife subventioniert zu werden. Schaut die EU dieser Marktverzerrung einfach zu?

Schröfelbauer: Nur wir Österreicher sind EU-Musterknaben. Die anderen Länder treten in Brüssel selbstbewußt auf, sie geben vor, was dort geschieht. Meistens setzen sich die Großen durch. Die Problematik mit Frankreich liegt auf der Hand: Die EDF ist - locker gesagt - eine Unterabteilung des französischen Energieministeriums, weil zu 100 Prozent staatlich. Die Franzosen denken gar nicht daran, so ein Steuerinstrument aus der Hand zu geben. Der Verkauf von Estag-Anteilen ist praktisch eine französische Verstaatlichung. Wenn wir dieser Entwicklung weiter zuschauen, wird bald jedes EVU einen Partner haben. Denn Partner brauchen wir alle.

dieFurche: Macht es etwas, ausländische Beteiligungen zu haben?

Schröfelbauer: Im Prinzip sollte es - wenn man europäisch denkt - egal sein. Bei manchen Konzernen werden dann allerdings die Entscheidungen nicht im Lande fallen, sondern in den Zentralen. Dorthin wandern dann auch die hochwertigen Arbeitsplätze ab. Außerdem begibt sich die Regierung aller möglichen Steuerungsmaßnahmen.

Das Gespräch führte Christof Gaspari.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung