Mehr Öko-Strom!

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Die E-Wirtschaft wird durch Gesetz neu geordnet. Eine für lange Zeit einmalige Gelegenheit, ökologischen Notwendigkeiten Rechnung zu tragen.

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Die E-Wirtschaft wird durch Gesetz neu geordnet. Eine für lange Zeit einmalige Gelegenheit, ökologischen Notwendigkeiten Rechnung zu tragen.

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Die Neuordnung der E-Wirtschaft muß man mit dem Fall der Berliner Mauer vergleichen", ist sich Lew Milford von der Conservation Law Foundation (CLF) sicher. "Und über die Trümmer zerbrochener Monopole in die Freiheit drängen die grünen Energieanbieter." Wie die einflußreiche Bostoner Umweltorganisation, so fordern auch europäische Vertreter der erneuerbaren Energien zunehmend vehement den freien Marktzugang für Ökostrom.

Was bis zum Februar nächsten Jahres laut EU-Richtlinie für Groß-Verbraucher gelten muß, soll aus ökologischen und wirtschaftspolitischen Gründen auch für Klein-Erzeuger gelten: Freier Zugang zu den Stromnetzen. Das würde es Firmen, Gemeinden und Privatpersonen ermöglichen, dezentral erzeugte "grüne Energie" zu kaufen.

Sie könnten mit Betreibern von Wind-, Biogas- oder Kleinwasserkraftwerken direkte Lieferverträge schließen. Die unabhängigen Stromproduzenten erhielten sichere Einkünfte, ohne ihren Strom zu Mindesttarifen an die das Netz beherrschenden Landesgesellschaften verkaufen zu müssen. Auch Umweltministerium und Arbeiterkammer haben sich dafür ausgesprochen, diesen Ökostrom-Markt im neuen Energiegesetz zu verankern.

Der "Ab-Hof-Verkauf" sauberen Stroms macht Abnahmeverpflichtungen der EVU und faire Einspeisetarife nicht überflüssig, dazu ist er zu wenig erprobt. Für das Umweltministerium ist er eine Maßnahme in einem "9-Punkte-Paket". Es gilt angesichts karger und langfristig unsicherer Fördertöpfe, alle sinnvollen Wege zu öffnen, um den Erneuerbaren zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Wachstumsmöglichkeiten der neuen Erneuerbaren sind vielversprechend. So könnte die Windkraft leicht zehn Prozent zur österreichischen Stromerzeugung beitragen. Ende März werden sich hierzulande 62 Windräder drehen und immerhin 0,1 Prozent des heimischen Strombedarfs decken. In zehn Jahren sollten zumindest 1,5 Prozent erreicht werden. Dazu sind 300 bis 500 moderne Windanlagen notwendig. Keine bedrohliche Zahl: immerhin stehen etwa 30.000 Hochspannungsmasten in Österreich.

Kleinwasserkraftwerke sind die traditionelle Öko-Stromquelle Österreichs. Gegenwärtig weist die Statistik neben den Groß- 1.700 Kleinwasserkraftwerke aus. Sie liefern rund drei Milliarden Kilowattstunden (kWh) pro Jahr, sechs Prozent des Stromverbrauchs. Vor allem durch Revitalisierung stillgelegter und Modernisierung bestehender Anlagen könnte man dies in zehn Jahren leicht auf vier Milliarden kWh steigern.

Eine noch kaum entwickelte Stromquelle ist Biogas. Es entsteht durch Vergären von Gülle und organischen Abfällen, wird in einem Gasmotor verbrannt und treibt so einen Stromgenerator an. Weil Gas gespeichert werden kann, haben Biogasanlagen den Vorteil, Strom auf Knopfdruck zu liefern, etwa wenn in Spitzenzeiten besonders viel Strom gebraucht wird oder andere Quellen nicht liefern können.

Derzeit gibt es in Österreich 70 Biogasanlagen, doch allein in der Landwirtschaft sind weit über 15.000 zu realisieren. Dazu kommen Tausende größere Vergärungsanlagen in Kommunen und in der Industrie. Sechs bis acht Prozent des heimischen Stromverbrauchs könnten so gedeckt werden.

Die Photovoltaik schließlich ist die mittelfristig spannendste Stromquelle. Im Halbleitermaterial der Solarzellen wird Licht direkt, ohne bewegliche Teile, emissionsfrei in Elektrizität umgewandelt. Derzeit kommt in Österreich etwa soviel Strom von der Sonne wie 400 Haushalte verbrauchen. Eine EU-Studie belegt, daß allein von geeigneten Süddächern österreichischer Gebäude 17 Prozent der Stromversorgung kommen könnten.

Im Weißbuch "Energie für die Zukunft - Erneuerbare Energiequellen" fixiert die EU-Kommission ihre Strategie: Im Jahr 2010 soll EU-weit doppelt soviel Strom aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt werden wie heute - anders gesagt: In zwölf Jahren sollen Wind, Biomasse, Kleinwasserkraft und Photovoltaik EU-weit mehr Strom liefern als die bestehenden großen Wasserkraftwerke, denn bei diesen ist aus ökologischen Gründen kein Zubau mehr möglich.

Um dieses Ziel zu erreichen, fordert das Weißbuch den Netzzugang der Erneuerbaren auf Basis fairer Tarife. In Österreich vermittelt die politische Diskussion dagegen den Eindruck, als sei die Frage nach Tarifen ein unsittliches Ansinnen. Noch im Herbst sah es so aus, als würde hierzulande sauberer Strom auf karge 50 Groschen pro kWh abgewertet. Was wirklich skurril gewesen wäre: Das definitiv letzte Großkraftwerk Freudenau geht zum kWh-Preis von 1,60 Schilling ans Netz und die neuen Hoffnungsmärkte erwürgt man.

In der Rationalität etablierter Energieversorger mag es logisch sein: Wer Überkapazitäten an Kraftwerken besitzt und gleichzeitig das Netz und die Kunden sein eigen nennt, für den ist eine eingespeiste kWh nichts Wert. Er spart sich bestenfalls den Brennstoff, den er im eigenen Kraftwerk bräuchte. Mit "wirklichen", gar mit volkswirtschaftlichen Kosten hat das nichts zu tun. Mit Wettbewerb noch weniger.

Um Wettbewerb einzuführen, schreibt die EU jetzt eine "Entflechtung" vor: Die drei Geschäftsfelder Stromerzeugung (Kraftwerke), Stromtransport (Hochspannungsnetze) und Stromverteilung (Versorgung der Kunden) müssen wie getrennte Unternehmen fungieren. Statt ein monopolistisches E-Werk soll es ab jetzt drei Wirtschaftsbereiche geben: das Kraftwerk, den Stromüberträger und den Endversorger.

Unter diesen Voraussetzungen schaut die Wirtschaftlichkeit der kleinen Stromerzeuger anders aus: Der Preis, gegen den das Windkraftwerk oder die Biogas-Anlage rechnen muß, ist nicht länger nur der Brennstoff, den das EVU zukauft. Im Markt ohne Monopole ist der Geschäftspartner ein Stromverteiler-Unternehmen. Dessen Einkaufspreis ist die Vergleichsgröße. Der Konkurrenzpreis besteht damit aus den gesamten Kosten eines Großkraftwerks und den Kosten des benutzten Hochspannungsnetzes.

Deshalb, so fordert das Weißbuch, sollen die kleinen Öko-Stromerzeuger mindestens soviel für ihren sauberen Strom erhalten, wie das Endversorger-EVU für den Strom zahlt, den es via Hochspannungsnetz vom Großkraftwerk in sein Verteilnetz holt. Zusätzlich soll für Ökostrom eine Prämie bezahlt werden, die die Vorteile der sauberen Stromerzeugung abgilt. Diese Prämie soll laut Brüssel etwa durch Ausnahmen der Steuern auf Ökostrom realisiert werden.

Der Boom der Ökostrom-Erzeuger, wie ihn Lew Milford sieht, stellt für Österreichs Wirtschaft eine große Chance dar. Zahlreiche österreichische Firmen haben gute Positionen in den betreffenden Technologien. Heimische Unternehmen sind bei Biogasmotoren und Solarwechselrichtern ebenso führend am Markt wie bei Turbinen und Steuerungen für Kleinwasserkraftwerke, bei Generatoren und Netzanbindungen für Windanlagen, bei Spezialfolien für Photovoltaik-Modulen und vielem mehr. Vom inländischen Geschäft profitieren weiters Planer, Ingenieurbüros, Bauwirtschaft, Handel und Handwerk. Es drängt sich der Schluß auf, daß Österreich von der Neuordnung der Energiemärkte noch stärker profitieren wird, als vom Fall der echten Berliner Mauer.

Der Autor ist Mitarbeiter im Bundesverband Erneuerbare Energie.

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