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Die Donau im neuen Energiekonzept

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Zu den Stunden, die in der Geschichte eines Landes zählen, gehören auch jene, in denen entschluß-freudige Männer Grundsteine für die zukünftige Wirtschaft ihrer Heimat legen, daher sind die Geburtsstunden unserer Großkraftwerke in den Alpen und an den Flüssen Österreichs ebenfalls dazuzurechnen. Faszinierend ist die Geschichte Kapruns; mit größter Anstrengung und unter Überwindung großer Hinderndsse wurde der Ausbau der Donau begonnen: Ybbs-Persenbeug, Aschach und Wallsee-Mätterkirchen wurden gebaut, Ottensheim liegt als baureifes Projekt griffbereit in der Lade.

Und wenn Österreich 1945 an der Schwelle des Abgrundes stand, 1955 die Kriegsfolgen bereits weitgehend überwunden hatte und heute zu den Wahlstandsländern der Erde zählt, so ist dieser steile Anstieg unseres Lebensstandards keinem Wunder zuzuschreiben, sondern unserer Arbeit, und zu einem nicht geringen Teil auch dem Umstand, daß unsere Elektrizitätswirtschaft mit den großen Schwierigkeiten „der Nachkriegszeit fertig wurde, scheinbar aussichtslose Situationen meisterte und so zum Beispiel ihre Stromerzeugung von 1947 bis i967 versiebenfachen konnte. Bald stand den Männern an den Hebeln der Wirtschaft zuerst genügend, später ausreichend und heute in jeder gewünschten Menge elektrischer Strom zur Verfügung, Strom, den die Energiewirtschaftler zum größten Teil aus dem Wasserreichtum unserer Heimat zu gewinnen wußten.

So ist heute unsere Elektrizitätswirtschaft durch Sicherheit und Zuverlässigkeit gekennzeichnet, und es ist beinahe schon zu selbstverständlich geworden, daß sie In der Lage ist, jedem Konsumenten ohne Zeitverlust den gewünschten oder benötigten Strom ins Haus zu liefern. Das war nicht immer so; das muß nicht immer so sein. Elektrizität, aus Wasser gewonnen, entlastet aber auch den Finanzihaus-halt, da sie mithilft, die Einfuhr von Energieträgern herabzudrücken, 'Stromimporte auf ein Minimum einzuschränken und unsere Strom-exporte von Jahr zu Jahr ansteigen zu lassen.

Die Elektrizitätswirtschaft, und hier wieder im hohen Maße die österreichische Donaukraftwerke AG, deren drei Staustufen Aschach, Wall-see-Mitterkirohen und Ybbs-Persenbeug einen durchschndttlichen Investitionsaufwand von je drei Milliarden Schilling erforderten, betreibt ferner durch ihre Aufträge an Industrie, Gewerbe, Bauwirtschaft usw. eine sehr wirksame Konjunktur- und Beschäftigungspolitik. Mit Kaufwert 1967 lag ihr jährliches Investitionsvolumen — grob geschätzt — bei fünf Milliarden Schilling, wovon 50 bis 55 Prozent an die Bauwirtschaft und 40 bis 50 Prozent an die Industrie vergeben wurden. Heute stehen wir an der Schwelle eines neuen Energiekonzepts. Einerseits ist es als sicher anzunehmen, daß die Bedarfssteigerung an elektrischem Strom mit mindestens sechs Prozent (man muß eher mit 7 Prozent rechnen) im Jahr anzunehmen ist, da der durch eine weltweite Konjunktur auch bei uns bemerkbar gewordene Stromverbrauchsrückgang als überwunden betrachtet werden kann und sich bekanntlich nach Rezessionen immer ein starker Stromhunger einstellt. Die zukünftige Bedarfsdeckung wird ein optimales Zusammenspiel im Einsatz von Wasser-und Atomkraft von uns verlangen; denn es steht außer Zweifel, daß die Kernenergie auch für Österreich eine stufenweise anwachsende Bedeutung erlangen wird — ohne allerdings die hydraulische Energie zu verdrängen.

Die österreichische Donaukraft-werke AG hat alle Vorkehrungen getroffen, um dem neuen Konzept und den Forderungen, die dieses an die Elektrizdtätswirtschaft stellt, gerecht werden zu können. Man muß dabei bedenken, daß an der Donau energiewirtschaftliche Probleme sehr eng mit solchen der Verkehrspolitik verknüpft sind. Die österreichische Donaukraftwerke AG hat daher einen Gesamtausbauplan erstellt, der dem Bau von Kraftwerken, die mehreren Aufgaben nachzukommen haben, entspricht.

Bei Ansteldung von Kostenpreisvergleichen zwischen verschiedenen Kraftwerken dürfen bei Donaustufen nur jene Beträge herangezogen werden, die der Energiegewinnung dienen. Die Donau ist daher durchaus in der Lage, auoh in Zukunft preisgünstigen, mit jeder anderen Elektrizitätsart konkurrenzfähigen Strom zu erzeugen, wenn dem Mehrzweckcharakter ihrer Anlagen Rechnung getragen und dieser durch Übernahme zumindest eines Teiles der energiefremden Kosten honoriert wird.

Denken wir daran: Gerade ein neutraler Kleinstaat braucht eine starke expanöionsfähige Industrie; diese aber wieder muß auf eine sichere, krisenfeste und möglichst auslandsunabhängige Elektrizitätsversorgung und günstige, kostenniedrige Trans-portmöglichkeiten rechnen können — beides dargeboten durch den von der österreichischen Donaukraftwerke AG ausgebauten Strom unserer Heimat.

Das Kraftwerk Ybbs-Persenbeug, welches als erstes rein österreichisches Donaukraftwerk 1954 begonnen, 1957 mit dem Südkraftwerk und 1959 mit dem Nordkraftwerk in Betrieb genommen wurde, erzeugte bis Ende 1967 rund 12 Milliarden kWh. Das Kraftwerk Aschach, dessen Bau von 1960 bis 1964 dauerte und welches das leistungsfähigste Werk der Kette ist, lieferte bis Ende 1967 rund 7,5 Milliarden kWh. Hätte man diese Erzeugung von Ybbs-Persenbeug und Aschach von fast 20 Milliarden kWh in Wärmekraftwerken erzeugen müssen, so ergäbe sich ein Verbrauch von rund

20 Mio. t Braunkohle oder das 3,8fache der inländischen Förderung von 1966 bzw. 5,8 Mio. t Heizöl oder das 3,2-fache der inländischen Heizöl-aufbringung 1966 bzw. 6,8 Milliarden Nm3-Erdgas oder das 5,lfache der inländischen Brdgasförderung 1966. Diese Zahlen zeigen wohl eindringlich, welche volkswirtschaftliche Bedeutung der Stromerzeugung aus Donaukraftwerken zukommt.

Nach der Errichtung von Aschach, Wallsee-MitterMrchen und Ybbs-Persenbeug steht nun der Bau des projektierten Kraftwerkes Ottensheim zur Debatte. Dieses Werk kann als Modellfall für die Verflochtenheit des Energdeausbaues mit dem schiff-fahrtstechnischen Ausbau .gelten. Es wird ein Gefälle von 10,70 m verarbeiten und bei einem Einsatz von neun Hauptmaschinensätzen mit einer Gesamtleistung von 172.000 Kilowattstunden im Jahresdurchschnitt eine Arbeit von 1 Milliarde Kilowattstunden erbringen. Es wird also unsere energiewiirtschaftldche Lage gewaltig verbessern und unsere Situation als neutraler Staat im Herzen Europas stärken.

Das wäre die eine Seite Gewinn, die der Bau der Staustufe Ottensheim für Österreich erbringen wird. Die andere Gewinnseite liegt darin, daß der Aufstau der Donau im Stromkilometer 2146,91 einen Rückstau bis zum Kraftwerk Aschach erzeugen und dadurch das Aschacher Kachlet derart überstauen wird, daß dieses derzeit wohl größte Schdff-fahrtshindernds für immer verschwindet. Dieses Kachlet ist eine seichte Stelle mit felsigem Untergrund, die bei niederen Wasserständen dem Donauverkehr jetzt schon große Schwierigkeiten bereitet und für den zukünftigen Europakahn ein unüberwindliches Hindernis bieten würde, es sei denn — man überstaut es. Wenn wir nun lesen, daß am 19. September 1968 17 Schleppzüge dieses Kachlet passierten, deren Traglast auf dem Geleise transportiert 50 Eisenbahnzüge zu je 30 Waggons benötigen würde, kann man daraus ermessen, welche Erleichterung es für die Schiffahrt bedeuten wird, wenn sie in Zukunft bei jedem Wasserstand mit Vollast und vollem Schleppzug diese Gefahrenstelle befahren wird können, und was es für Österreichs Wirtschaft bedeuten wird, wenn der Europakahn nicht in Aschach umgeladen werden muß, sondern weiterfahren wird können: bewerkstelligt durch den Bau der Donaustufe Ottensheim. Die österreichische Donaukraftwerke AG ist durch ihre vorsorgliche Planung auch auf die von ihr in Zukunft zu lösenden Aufgaben vorbereitet.

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