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Die Krise in der Energiewirtschaft

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Die katastrophale Lage in der Energiewirtschaft im Winter 1946/47, die der österreichischen Volkswirtschaft einen Schaden von annähernd 600 Millionen Schilling verursachte, mahnt zu erhöhten Anstrengungen,

.um in Zukunft eine solche Situation zu

Jverhindern.

\ Ein klares Bild der jetzigen Lage zu ge-jwinnen, ist das Haupterfordernis, um daraus {die Möglichkeiten einer Besserung abzuleiten U.nd den Ausweg aus dem bisherigen unhaltbaren Zustand zu finden, j Es muß vor allem festgestellt werden, daß d*er Ausbau an Wasserkraftwerken seit dem J(ahre 1938 allerdings in bedeutendem Umfange aufgenommen wurde, die Fertigstellung un|d Inbetriebsetzung von Kraftwerken — mu- Ausnahme von Vorarlberg, das aber als Stromversorger für das übrige Österreich nicfyt in Betracht kommt — jedoch recht besijheiden ist und nur 120.000 kW Ausbau-leistVung erreicht hat. Dadurch erklärt sich auchi die verhältnismäßig geringe Steigerung der SStromproduktion seit dem letzten Jahr der Selbständigkeit Österreichs. Während 1937 che österreichischen Wasserkraftwerke 2360 Millionen kWh erzeugten, betrug die Produktion 1945 nur 2660 Millionen, die Erhöhunlg innerhalb acht Jahren mithin nur 300 Millionen kWh. Dem steht als Folge der europäischen Kohlenkrise eine Minder-erzeugung! der kalorischen Kraftwerke von 154 Millionen kWh (500 im Jahre 1937 gegen 34/6 im Jahre 1946) gegenüber. Bedenkt mäjn jedoch, daß dagegen der Stromexport vjon 344 Millionen kWh in der gleichen Zleit auf 605 kWh gestiegen ist, so ergibt sichj. daß im Jahre 1946 dem österreichischen , Inlandskonsum- um 100 Millionen kWfti elektrischer Energie weniger zur Verfügung gestanden ist als 1937.

Dagegen sitjid aber eine Reihe von Werken fast fertig, beziehungsweise schon weit ausgebaut, denen! aDer die gesamte oder e i n Teil ihre'r maschinellen Aus-r ü s t u ng f e j h 11, so daß ihr Betrieb nicht, oder doch nicht voll aufgenommen werden konnte. Es sincl dies:

Gerlos (Speicher*-.) mit Ä0.000 kW Ausbauleist. Lavamünd (Lauffor.) mit 11.000 kW „ Dionysen (Laufw:.) mit 11.000 kW „ Latschau (Speicher w.) mit 10.000 kW „ Kaprun (Speicher^.) mit 60.000 kW „ (nach Fertigstellung der Sperre Limberg, derzeitige Ausbauleistung 40.000 kW)

Groß-Raming (Laufw.) mit 54.000 kW Ausbauleist.

Rodund (Speichern.) mit 4,5.000 kW „ (letzter noch fehlender Maschinensatz)

Ternberg (Laufw.) mit 30.000 kW „ Mühlrjding (Laufw.) mit 23.000 kW „ Stanning (Laufw.) mit 22.000 kW „ (noch fehlende Maschinensätze)

Dies ergibt die recht beachtliche Summe von 326.000 kW Ausbauleistung, die etwa einer Vermehrung von 40 Prozent der heute zur Verfügung stehenden Hydroernergie der öffentlichen Versorgung entspricht. Sie fällt um so mehr ins Gewicht, als es sich — mit Ausnahme von Rodund und Latschau — durchaus um Kraftwerke handelt, die für die Versorgung der östlichen Teile Österreichs und insbesondere von Wien maßgebend sind. Gelingt es, in absehbarer Zeit einen Großteil der fehlenden Maschinen zu erhalten, so ist eine entschiedene Besserung schon für den nächsten Winter zu erhoffen. Es ist mithin die Beschaffung dieser maschinellen Ausrüstung die vordringlichste Aufgabe der nächsten Zeit. Bis jetzt scheinen jedoch nur die Maschinen für die Kraftwerke Stanning und Lavamünd gesichert. Die Inbetriebsetzung von G e r 1 o s ist bis Jahresende zu erhoffen.

Der Vollausbau von K a p r u n (nach Fertigstellung des Speichers Moserboden) und die Betriebsaufnahme des Donaukraftwerkes Persenbeug sind aber nicht vor sechs bis zehn Jahren zu erwarten.

Der Energiebedarf in den Wintermonaten ist damit noch keineswegs verläßlich gedeckt, weshalb auf den Einsatz der kalorischen Kraftwerke nicht verzichtet werden kann. Dagegen wird aber im Sommer ein recht beachtlicher E n e r g i e ü b e r s c h u ß anfallen, der vorteilhaft nach Deutschland und der Tschechoslowakei im Kompensationswege gegen Kohle exportiert werden könnte. Ein solches Abkommen ist für beide Teile günstig, da einerseits Österreich seine Überschußenergie, für die im Sommer keine Verwendung besteht, zur Lieferung bringt, die Importländer aber in die Lage kommen, ein oder mehrere kalorische Werke stillzulegen und nicht transportfähige Abfallkohle anzusammeln, die dann im Winter zur Verwendung kommen kann.

Der gleiche Vorgang wäre auch vorteilhaft mit Polen anzustreben, da dieses Land zweifellos eine bedeutende industrielle Zukunft hat und über die riesigen Kohlenvorräte des oberschlesischen Reviers verfügt, ohne jedoch die Möglichkeit zu haben, nennenswerte hydraulische Anlagen zu errichten. Allerdings müßte erst der Anschluß mittels einer 220 kV-Leitung über Lundenburg— Mährisch-Ostrau geschaffen werden.

In der Zeitung werden derzeit viele großzügige Projekte erwähnt, die hauptsächlich Hochgebirgs-Speicherwerke betreffen. Es ist zweifellos richtig, daß ein kohlenarmes Land wie Österreich sidii^nur dann seinen Winterbedarf an elektrischer Energie sichern kann, wenn es über leistungsfähige Winterspeicherwerke verfügt. Der Ausbau solcher Werke im Hochgebirge ist aber nicht nur äußerst schwierig und mit hohen Kosten verbunden, er benötigt vor allem lange Bauzeiten und gründliche Vorbereitung (planmäßige Beobachtung der Niederschläge, der Wasserführung der einzelnen Zubringer, der Lawinenverhältnisse, der Erforschung der Baugrundbeschaffenheit usw.), falls nicht unliebsame Überschreitungen der planmäßig vorgesehenen Baufristen und der Kostenvoranschläge eintreten sollten. Ein lehrreiches Beispiel erleben wir ja leider gerade jetzt bei Kaprun und Gerlos.

Es wäre daher sicher angezeigt, daß das Hauptaugenmerk auf einfach zu erstellende und schnell zu erbauende Werke gelegt würde, deren Betriebsaufnahme rasch-möglichst erfolgen kann.

Ein solches Werk wäre zum Beispiel das Jahresspeicherwerk „M illstädterse e“. Durch Uberleitung* des Lieserflusses und Ausbau eines verhältnismäßig kurzen Druckstollens am Südostende des Sees von zirka 1800 Meter Länge, kann ein Gefälle von 80 Meter genutzt werden, wobei das Werk fast das ganze Jahr in Betrieb gehalten werden kann und mithin sehr ertragreich zu arbeiten vermag.

Weiterhin ist für die Bedarfsdeckung an elektrischer Energie im östlichen Teil Österreichs die Inbetriebnahme der im Bau befindlichen Kraftwerke an der E n n s sowie deren Ergänzung durch noch unausgenützte Staustufen von besonderer Bedeutung. Die geographische Lage inmitten der hauptsächlichsten Verbrauchsgebiete (oberösterreichisches Industriegebiet Wels—Linz, Wiener Becken und steirisches Industriegebiet Leoben —Bruck—Karpfenberg), dann der Export-mögfödibit nach äst, ^Tif&edi^ctoakiej^iicrtqe die äußerst günstige Talgestaltung dieses Flusses, die den Bau von Staustufen ohne Kanalführung ermöglicht, prädestinieren geradezu die Enns zur bevorzugten Kraftwasserstraße.

Allerdings ist ihre Wasserführung, wie ja bei allen unseren Alpengewässern, sehr verschieden, sie sinkt im Winter zu einem bedeutenden Hundertsatz (15 bis 20 Prozent) der Sommerdarbietung ab. Doch läßt sich gerade bei ihr die Wasserführung durch d i e Anlage von Speichern im Zuge der haupsächlichsten Nebenflüsse weitgehend regulieren. So sind drei große Speicher an der steirischen Salza von - der Mündung bis G u ß w er k, dann der Speicher Leopoldsteinersee, ein Speicher am G o 11 i n g b a c h, je drei Speicher am großen und kleinen S ö 1 k b a c h, dann am Schwarzen- und Rissachersee, sowie je ein Speicher am großen und kleinen Talbach bei Schladming und an der Ausseer Salza (Steinklammsperre) mit verhältnismäßig geringen' Kosten und ohne teure Stollenführungen möglich.

Außer den vier im Bau begriffenen Laufwerken an der Enns (Mühlrading, Stanning, Ternberg und Groß-Raming) sind noch weitere adit Staustufen von der Mündung bis Weißenbadi—St. Gallen ausbauwürdig. Das Gesäuse mit seinem bedeutenden Gefälle von über 200 Meter in der Strecke Gesäuse-Eingang bis Weißenbach ermöglicht überdies die Anlage eines Kraftwerkes von 200.000 kW Ausbauleistung. Das Jahresarbeitsvermögen aller Werke der Ennsgruppe von Gesäuse-Eingang bis zur Mündung beträgt etwa zweieinhalb Milliarden Kilowattstunden.

Falls diese Energiemenge zur Gänze exportiert würde, so könnte zuzüglich der schon jetzt jährlich zum Export gelangenden 600 Millionen kWh unser gesamter Bedarf an Steinkohle und Koks von etwa drei Millionen Tonnen damit abgedeckt wer de n.

Dem gleichen Zweck könnte auch die Weiterführung des Ausbaues der ötztaler Gruppe (seit 1945 eingestellt) dienen, die ein Jahresarbeitsvermögen von über e'in-einhalD Millionen kWh besitzt. Das Hauptwerk dieser Gruppe — Haiming— ist mit 560.000 kW Ausbauleistung vorgesehen und übertrifft damit Gofdenberg, das größte kalorische Werk des Kontinents.

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