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Eine Tat des österreichischen Aufbauwillens

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Sanfte, bewaldete Hügel umschließen eine stille, weit ausgestreckte Wasserfläche. Doch nicht die Natur hat diesen dunklen See, der wie ein Stüde von ihr selbst in die Landschaft gebettet ist, geschaffen. Es waren Menschenhände, ein Werk der Technik, ein Werk von Arbeitern der Stirne und der Faust, zum Segen und zum Wohlstand der Menschen, die hier leben und darüber hinaus des ganzen Heimatlandes.

Wir stehen auf der 20 m hohen und 51 m langen Betonstaumauer der Sperre in Thurnberg. Daran schließt sich ein etwa 200 m langer Erddamm von 17 m Höhe. Hier werden rund 2,5 Millionen Kubikmeter Wasser gestaut. Der Stausee erstreckt sich bis nach Krumau, das sind 4 km, und umfaßt eine Fläche von 400.000 m’-. Durch einen 800 m langen Stollen fließt das gestaute Wasser durch den Berg und in die beiden Turbinen des Kraftwerkes Wegscheid. Die höchste Leistung de Werkes beträgt 2800 kW. Das Jahresarbeitsvermögen beträgt zwölf Millionen kWh, wovon 70% in den Wintermonaten erzeugt werden können. Durch die regelmäßige Wasserversorgung, die durch den Bau des Staues gegeben ist, werden nunmehr auch die am Unterlauf des Kamp gelegenen zwei Kraftwerke und die 16 Mühlen ihre Leistungsfähigkeit erhöhen und somit insgesamt über 15 Millionen kWh im Jahr gewonnen werden können. Neben den Werksanlagen wurde für das Betriebspersonal ein Wohnhaus für sechs Familien errichtet.

Die Stufe in Thurnberg — Wegscheid stellt nur einen Teil, und zwar das Ausgleichswerk für die im Ausbau begriffenen, beiden größeren Werke in Dobra- Krumau und Ottenstein dar. Die Staumauer in Dobra hat teilweise schon ihre endgültige Höhe von 52 m erreicht. Das kommende Jahr wird auch hier die Inbetriebnahme bringen. Die Gesamtleistung aller drei Werke wird 75,3 Millionen kWh betragen, davon 51,4 Millionen kWh im Winter.

Als die NEWAG diese Werke in Angriff nahm, herrschte in der Öffentlichkeit und auch in Fachkreisen vielfach Unklarheit über die Ziele, die mit diesem Bau verfolgt werden sollen. Das Unternehmen stand daher von Anfang an ohne größere Unterstützung vor der aufopferungsvollen Aufgabe, die es sich gestellt hatte. Diese Aufgabe bestand nicht in einer mengenmäßig hohen Stromerzeugung, sondern in der Erzeugung eines qualitativ hochwertigen Stromes, nämlich des besonders teuren Spitzen- nd Winterstromes. Man ging hiebei von der richtigen Erkenntnis aus, daß nur durch die Schaffung derartiger Werke im Konsumzentrum die Möglichkeit gegeben erscheint, die Stromerzeugungskosten und damit die Strompreise zu senken. Die NEWAG wird mit Hilfe dieser Werke einen großen Teil des Winterstromes und ihre Belastungsspitzen selbst decken können. Dadurch wird nicht nur für das Unternehmen selbst eine finanzielle Erleichterung eintreten, sondern auch das Verbundnetz entlastet. Diese Werke haben also nicht nur im engeren Bereiche der NEWAG ihre Aufgaben zu erfüllen, sondern darüber hinaus in der gesamten Verbundwirtschaft. Dieses Wort soll hier nicht nur in energiewirtschaftlicher Beziehung seine Bedeutung erfüllen, sondern darüber hinaus in seinem ideellen Gehalt wirken, So wie diese Werke es ermöglichen, daß nunmehr in erhöhtem Maße elektrischer Strom bis in das entlegenste Dorf und den einsamsten Bauernhof im Waldviertel fließt und die Menschen untereinander verbindet, so legt damit Niederösterreich erneut ein Bekenntnis zur Einheit unseres ganzen Heimatlandes Österreich ab. Niederösterreich ist stolz, dieses Werk aus eigener Kraft, ohne ERP- Mittel, die den westlichen Bundesländern zur Verfügung stehen, vollbracht zu haben. Wir wollen aber gerade im Zusammenhang darauf hinweisen, daß dieses durch Kriegs- und Nachkriegszeit besonders schwer heimgesuchte Land der Hilfe aller bedürftig und wert ist.

So ist der 9. Juli, der Tag der Eröffnung dieses Werkes, wirklich zu einem Tag geworden, „an dem wir wieder mit neuem Mut, mit neuer Kraft und Zuversicht in die Zukunft blicken können“, wie der bei der Inbetriebnahme anwesende Bundeskanzler Dr. h. c. Ing. Figl feststellte. „Dieses Werk, das nunmehr eröffnet wird, ist ein stolzes Bekenntnis für den Aufbauwillen der Heimat. Es wird Licht und Kraft für die Wirtschaft und die Bewohner dieses Landes spenden und unsere Gemeinschaft im Kampfe um unsere Freiheit noch enger schließen.“

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