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Die Kamptalseen

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Noch selten haben Großbauten eine Landschaft so grundlegend verändert, interessanter und anziehender gemacht, wie die neuen Kraftwerke der Newag im Kamptal. Wo früher Ochsenfahrzeuge mühsam das Holz aus den Wäldern schleppten, parken heute moderne Autos. Die Seenlandschaft, die durch den Bau der drei Kampkraftwerke Thurnberg-Wegscheid, Dobra-Krumau und Ottenstein entstand, ist zu einem beliebten Ausflugsziel geworden. Pittoresk, wie romantische Gemälde, spiegeln sich sagenumwobene Burgruinen in den Stauseen, den steinernen Zeugen einer kriegerischen Vergangenheit stehen die Werke einer schaffensfrohen Gegenwart gegenüber.

Es war nicht leicht, diese Werke zu errichten. Wirtschaftliche Not und Besetzung kennzeichnen die Jahre des Baubeginnes 1949, als Landeshauptmann Steinbock den ersten Spatenstich vornahm. Für Niederösterreich standen keine ausländischen Geldmittel zur Verfügung, wie sie in den westlichen Bundesländern für Energiebauten vergeben winden. Ein Gfoßteil ,des Baubereiches lag im Truppen-

übungsplatz Döllersheim und stand unter fremdländischer Verwaltung. Doch der Rhythmus der Arbeit übertönte den Lärm fremder Geschütze, und neue Werke des Friedens entstanden. Die Kainp-kraftwerke waren die erste Großbaustelle Niederösterreichs, und sie wurden aus eigener Kraft geschaffen. Immer wieder gelang es der Initiative des geschäftsführenden Präsidenten der Newag, Landeshauptmannstellvertreter Müllner, die vielen Schwierigkeiten zu meistern.

Das Ausgleichswerk Thurnberg-Wegscheid wurde Im Jahre 1952 als erste Teilstufe fertiggestellt und von dem damaligen Bundeskanzler Dr.-Ing. Figl eröffnet. Ein Jahr darauf konnte das Spitzenkraftwerk Dobra-Krumau von Bundeskanzler Ing. Raab in Betrieb genommen werden. Das Pumpspeicherwerk Ottenstein begann im Herbst 1956 mit der Stromerzeugung und wurde im darauffolgenden Jahr vollendet. Die energiewirtschaftliche Bedeutung der Kampkraftwerke liegt vor allem in der Erzeugung von Spitzen- und Winterstrom, außerdem tragen sie dazu bei, einen Ausgleich zwischen dem großen Erzeugungspotential des westlichen Österreich und dem Verbrauchsschwerpunkt in den östlichen Bundesländern herbeizuführen. Die drei Kampkraftwerke erzeugen rund 136 Millionen kWh im Jahr. Das größte Staubecken in Ottenstein faßt nahezu ebensoviel Wassermassen wie das hochalpine Kraftwerk Kaprun. Vielleicht ist es dieser Vergleich, vielleicht der mächtige Eindruck, den die martialische, 65 Meter hohe Staumauer hinterläßt, daß Ottenstein auch das „Kaprun des Waldviertels“ genannt wird.

Im Sommer kann man auf den Parkplätzen in der Nähe der Stauseen zahlreiche Autobusse und Wagen sehen; sie kommen aus dem In- und Ausland. Wer einmal die herrliche Seenlandschaft gesehen hat, die im Kamptal von Menschenhand geschaffen wurde, der kann verstehen, warum die Kampkraftwerke zu einem beliebten Ausflugsziel geworden sind. Wie von der Natur geschaffen fügen sich die dunklen Seezungen zwischen bewaldete Hänge und Wiesen, von den Bergen werfen Burgen ihr Spiegelbild auf die glatte Wasserfläche. Die Technik hat den Reiz einer Landschaft noch erhöht. Sowohl die Newag als auch die niederösterreichische Landesregierung bemühen sich, das Gebiet durch gute Straßen zu erschließen, Badegelegenheiten, Campingplätze und Ubernachtungsmöglichkeiten zu schaffen. Vieles ist in dieser Richtung schon unternommen worden. Die neue Trassierung der Horner Bundesstraße überquert in einer kühnen Betonbrücke den Stausee Ottenstein und ermöglicht einen herrlichen Ausblick auf die Seenlandschaft Zahlreiche Boote stehen für eine fröhliche Seefahrt zur Verfügung, und die Gaststätten bemühen sich, den Wünschen der immer zahlreicher eintreffenden Gäste gerecht zu werden. Es muß gerade in dieser Hinsicht noch viel Arbeit geleistet werden, aber an den Kamptalseen riecht es geradezu nach Fremdenverkehr. Um jedoch den Zauber dieser Landschaft vor allen Auswüchsen einer unüberlegten Bautätigkeit zu bewahren und ein Erholungsgebiet zu erhalten, hat die Landesregierung die Seenlandschaft unter Naturschutz gestellt.

Ein Besuch der Kampkraftwerke lohnt sich, nicht nur für den Techniker, sondern auch für den Romantiker. Für Niederösterreich bedeuten diese Staumauern und Kraftwerke jedoch noch mehr, sie sind zu einem Symbol der Bewährung geworden, sie sind ein Denkmal des Aufbauwillens, das unter den härtesten Bedingungen gesetzt wurde, und daran erinnert man sich gerade in jenen Tagen, da die endgültige Befreiung Österreichs gefeiert wird. Auch am Kamp wurde ein Wegstück zu dieser Freiheit zurückgelegt, als auf der verbrannten Erde eines fremdländischen Truppenübungsplatzes friedliche Arbeit begann I

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