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Naturnaher Tourismus erhält uns eine saubere Umwelt

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Knapp nach Lienz zweigt die Straße in Huben nach links ab und führt in weiten Kehren bis hinauf nach Hopfgarten im Defereggental, das auf 1400 Meter Seehöhe liegt. Auf einer gut ausgebauten Straße entlang des Schwarzachbaches erreicht man nach 23 Kilometern St. Jakob. Schon der erste Eindruck ist überwältigend. Steil ragen die Spitzen der Hohen Tauern auf, mehr als 50 Dreitausender blicken ins Defereggental. Links und rechts liegen, hoch über dem Talboden, die charakteristischen Tiroler Bergbauernhöfe, oft in extremer Hanglage gebaut.

„Viele Höfe sind so in den Hang hineingebaut, daß man den Kindern beim Spielen vor dem Haus fast Steigeisen anlegen müßte", beschreibt der heute 90jährige Jakob Jesacher, dessen Hof auf fast 1700 Meter liegt, leicht schmunzelnd eine der Besonderheiten des kargen und entbehrungsreichen Lebens in den Bergen. Den Hof und die angschlossene Gastwirtschaft „Zur schönen Aussicht" führen heute längst die Kinder des Altbauern, der sich noch genau an die ersten leisen Anfänge des Sommertourismus erinnert: „Die ersten Gäste kamen 1930 zur Sommerfrische auf unseren Hof. Sie gingen zu Fuß vom Tal herauf, das Gepäck haben wir mit der Materialseilbahn heraufgebracht." War der Andrang recht groß, mußten alle sieben Kinder in der Stube schlafen, weil jedes Bett gebraucht wurde.

Der Hof der Jesachers zählt zu den ältesten Gebäuden in der Gemeinde St. Jakob, das Familienwappen stammt aus der Zeit um 1600. Das Tal hat eine alte Geschichte. Schon vor 1300 Jahren kamen die ersten Siedler, die den Boden kultivierten und Viehzucht betrieben, über die Bergübergänge von Virgen her. Die Bauern siedelten sich wegen der sonnigen Lage zuerst an den Berghängen an, erst später wurden Gehöfte auch im Tal gebaut. Die Talbezeichnung findet sich erstmals in der Mitte des 12. Jahrhunderts, allerdings unter verschiedensten Formen. Ab 1773 erscheint die heutige Schreibweise „Defereg-gen". Sprachforscher glauben, daß diese Bezeichnung keltischen Ursprungs ist. Die reichen Kupfervorkommen, die um 1500 im Berg entdeckt und abgebaut wurden, sorgten 200 Jahre lang für einen wirtschaftlichen Aufschwung. Als der Erzreich -tum im 18. Jahrhundert versiegte, zogen viele Deferegger als Händler in die Welt. Später kamen sie, bereits wohlhabend, mit Freunden auf Sommerfrische zurück und setzten den Grundstein für den Tourimus im Tal.

Die winterlichen Aktivitäten entwickelten sich aber erst durch die Gründung des Wintersportvereins, der eine Sprungschanze errichtete. 30 Jahre später wurde der erste Lift im Kröllerboden gebaut, dem bald nach der Erschließung der Brunnalm als Sehigebiet vier weitere folgen sollten. Seit damals hat sich die Anzahl der Lifte inklusive der Erschließung des Schigebietes auf dem Staller Sattels lediglich auf acht verdoppelt. „Durch kluges und umweltbewußtes Vorgehen gelang es uns, mit einem Land-schaftsverbrauch von weniger als einem Prozent des Gemeindegebietes zwei absolut schneesichere Skigebiete zu schaffen.

Die Alpenlandschaft blieb in ihrer natürlichen Ursprünglichkeit erhalten", beschreibt Heinz Ladstätter vom Tourismusverband St. Jakob das naturnahe Vorgehen beim Ausbau der Skigebiete. Da die vorhandenen Kapazitäten ausreichen, hat man sich sogar für einen begrenzten Ausbau-stopp auf der Brunnalm entschieden. Der Schutz der Umwelt wird groß geschrieben.

Im Sommer sind Landschaftspfleger im Gelände unterwegs, die sich um Humusbildung und Alpenflora kümmern. Um die Luftgüte zu verbessern, wurde vor mehr als einem Jahr ein Biomasse-Heizwerk mit einer Leistung von 3,5 Megawatt errichtet. Heute sind an das größte Hackschnitzel-Fernheizwerk Tirols fast 90 Haus- beziehungsweise Betriebsbesitzer in St. Jakob angeschlossen. Dadurch wurde nicht nur der Hausbrand drastisch verringert, auch den Bergbauern wurde eine zusätzliche Einnahmequelle geschaffen", freut sich Ladstätter und verweist in diesem Zusammhang auch auf das gute Miteinander von Bauernschaft und Tourismusverband. „In unserer Gemeinde stellt die Landwirtschaft die Basis für den Tourismus dar. Die Bauern bekommen deshalb, was in anderen Fremdenverkehrsorten nicht üblich ist, für ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit von uns eine kleine finanzielle Abgeltung."

85 Prozent der Gesamteinnahmen der Gemeinde stammen aus dem Tourismus. Dafür lassen es sich die Einheimischen auch etwas kosten, um ihr größtes Kapital, nämlich eine weitgehend intakte Natur, zu erhalten und zu pflegen. So kostet alleine die Finanzierung des Gratis-Ski-Bus-systems in St. Jakob und den Nachbarorten - der Bus fährt alle 20 Minuten direkt zur Talstation der Brunnalmbahn - jährlich 1,7 Millionen Schilling. „Der Lokalverkehr wurde stark reduziert, und da die Straße im Winter bei Talschluß bei St. Jakob endet, gibt es auch keinen Durchzugsverkehr", beschreibt Ladstätter eine weitere Maßnahme in Richtung „naturnaher Tourismus". Das Wort „sanft" will er eher vermeiden, „da damit manche immer noch Zimmer ohne Komfort verbinden".

Der Autor ist

Pressesprecher der Diözese Gurk-Klagenfurt

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