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Hoch vom Dachstein an...

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Wo der große Alpenbogen nach Osten hin ausschwingt und die letzten Hügelwogen verebben in sonnenflimmernder Ebene, dort liegt die „grüne Mark“, ein verkleinertes ■ Abbild der Vielfältigkeit österreichischer Landschaft. Von den Felsschroffen im Norden, die an die Dreitausendergrenze langen, über tiefeingeschnittene Täler, kahle Hochflächen bis zum Sulmtal, zum Kainachboden und zum Radkersburger Zipfel knapp an der Zweihundertmetermarke; vom ewigen Eis bis zu fruchtbaren Rebenhügeln und Gärten, die im Frühling ein einziges Blüterimeer sind: dort gibt es in unserer Zeit, die glaubt, alles zu kennen, die vermeint, man müsse nur recht weit reisen, um noch etwas zu entdecken, Ueberraschungen ohne Zahl, die man nicht teuer bezahlen muß. Gerade der Vorfrühling und der Frühling, wenn auf den Felsgipfeln noch der Schnee liegt, in den Tälern das Schmelzwasser schäumt und der laue Wind Blütenflocken mit sich trägt, sind in der Steiermark so schön wie vielleicht nur noch der Spätherbst, wenn die Blätter gilben und die -Traube gekeltert wird.

Das steirische Hochland zu rühmen, ist überflüssig. Wer kennt nicht Namen wie Gesäuse, Totes Gebirge, Dachstein, Niedere Tauern, Eisenerzer Alpen und Hochschwab? Und doch! Selbst in diesen vielbesuchten Gebieten ist es leicht, Orte aufzuzählen, die an landschaftlicher Schönheit ohneweiters mit den Sternen erster Größe wetteifern können. Durch das Gesäuse führt die wichtige Bahnlinie, die nach Salzburg leitet, aber schon die Buchau, zwischen Altenmarkt an der Enns und Adrhont, ist weit weniger bekannt, ob-schon der Postautobus zwischen Pyhrgasgruppe und Großem Buchstein in etwas mehr als einer Stunde die große Ennsschlinge abkürzt. Ueber die Pötschenhöhe fahren in der Hauptsaison die Auto und Autobusse oft im Geleitzug; aber schon im Salzatal beiderseits Mitterndorf kann man nach Herzenslust auf der Straße wandern. Eine verborgene Schatztruhe ist auch das Sölk-tal, in das man von der Bahnstation Stein im Ennstal aus ebenfalls bequem mit dem Postkraftwagen gelangt. In Großsölk teilt sich die Talfurche in das Kleine und Große Sölktal. Großsölk liegt bereits 910 Meter hoch, St. Nikolai, die Endstelle der Postautolinie, hat eine Höhe von 1126 Meter. So wundervoll still wie die Sölktäler ist auch das Donnersbachtal, von Stainach-Irdning aus zu erreichen. Die Irdning führt geradewegs zur Schoberspitze in den Niederen Tauern. Die Donnersbacher Berge sind ein viel zuwenig bekanntes Gebiet. Doriners-bachwald liegt 960 Meter hoch und ist klimatisch besonders bevorzugt. Bei Selzthal, dem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt, grüßt am Eingang zum Paltental von hohem Fels die Burg Strechau. Obwohl durch das Palten- und Liesing-tal die direkte Verbindung zwischen Linz und Graz verläuft, kann man dort höchst geruhsame Tage verbringen. Von Rottenmann und Trieben öffnen sich Zugänge zu den Rottenmanner Tauern. Hohentauern und St. Johann sind hervorragende Höhenkurorte ohne den ansonst unvermeidlichen Trubel. Diese beiden, mehr als tausend Meter hoch an einer schmalen Paßstraße gelegenen Orte sind auch vom Murtal, und zwar von Judenburg aus, zu erreichen.

Steiermark ist nicht reich an großen Seen, aber die wenigen, die es sein nennt, sind von einmaliger Schönheit. Der Name Aussee sagt genug. Ptolomäus berichtet bereits von den vorkeltischen „Alauni“, die im Gebiet zwischen Ischl und Aussee lebten und ebenso nach Salz schürften wie später die Römer, die hier eine Straße bauten. In der Literaturgeschichte ist der Markt Aussee als Geburtsort der Dichter Fraun-gruber und Pollhammer bekannt. Der Grundlsee ist der größte steirische See. Hier, wo es Dampfer- und Motorbootyerkehr gibt bis zum Töplitz- und Kammersee, ist es im Frühling viel ruhiger als im Hochsommer, wo man Seekonzerte mit Seebeleuchtung, Segelregatten und Volksabende mit spezifisch steirischem Einschlag veranstaltet. Ganz anders ist es freilich im Bannkreis des Erzberges bestellt, am grünen Leopoldsteiner See. Im Norden eine fast senkrechte Felsmauer, die anderen Uferseiten mit herrlichen Wäldern gesegnet. Der See macht - besonders bei jähem Lichtwechsel, wie er im Frühjahr oft auftritt — einen überwältigenden Eindruck. Das im allgemeinen recht friedlich aussehende Wasser des 186 Meter tiefen Sees kann bei Sturm einen ungewöhnlich hohen Wellengang bekommen.

Die Eisenerzer Bahn gehört zu den interessantesten Bauten auf österreichischem Boden. Man soll sich die langsame Fahrt nicht verdrießen lassen, und wenn man im Ennstal weilte und hinüber nach Leoben will, die „Eisenerz-Vordernberger“ benützen, von der man überdies einen packenden Einblick in das Getriebe am Erzberg selbst gewinnen kann. Im Bereich des oberen Murtals und seiner Nebentäler verdienen genannt zu werden: Krakaudorf (berühmt durch seinen Samsonumzug, wobei die alte Schützengarde aus der Franzosenzeit ausrückt), St. Peter am Kammersberg, Schöder (prachtvolle Almen in der Umgebung), Seekau (Stift), Turrach und Turracher Höhe (Bereich des steirischen Nockgebiets).

Wer aber einen besonderen Geheimtip in diesem Gebiet wünscht, dem sei nicht nur einer, sondern seien gleich mehrere „Erholungstotozwölfer“ gegeben. Da wäre vor allem die Gegend des Neumarkter Sattels, den unsere eiligen Italienreisenden in der Nacht mit dem D-Zug befahren, ohne zu ahnen, welche Herrlichkeiten östlich und westlich, zwischen Zirbitzkogel und Grebenzeri, ausgebreitet liegen. In der Nähe von Neumarkt, bekannt durch seine Ausgrabungen aus der Römerzeit (Noreja, Schlacht zwischen Römern und Germanen 113 v. Chr.), liegt Wildbad Einöd (radioaktive Thermalbäder). Mariahof, 957 Meter hoch, von dichten Nadelwäldern umgeben, hat eine sehenswerte Pfarrkirche aus dem 11. Jahrhundert mit berühmter Marienstatue. Das Benediktinerstift St. Lambrecht ist. nur rund zwei Stunden Gehweg entfernt. Oest-lich der Seetaler Alpen, die im Zirbitzkogel gipfeln (2397 Meter), liegt ein ebenso wichtiger Paßübergang Wie der Neumarkter Sattel, nämlich der Obdacher Sattel. Ueber Neumarkt gelangt man geradewegs nach Klagenfurt, über Obdach ins Lavanttal nach Kärnten. Ueber die Packstraße kann man vom Grazer Becken aus ins Lavanttal kommen.

Aber es gibt in der grünen Mark Gebiete, die womöglich noch weniger überlaufen sind als alle bisher genannten Orte und Landschaften. Das gilt vor allem für die Täler westlich von Graz: Lieboch, Söding, Kainach (hier in der Nähe das berühmte Gestüt Piber der „Lipizzaner“), ■ Tei-gitsch, dann auch für den Sallagraben. Das “l“raaTchSfi“'Saftra* 'Ist“ ;,enYdyhWm-“ er* zückender Frische“, sagt Hans Kloepfer, und der muß es gewußt haben. Hier, auf den Wegen des einstigen Werkarztes von Köflach muß man sein Heimatbuch „Sulmtal und Kainachboden“ als Feriallektüre mitnehmen. Und noch schnell wenigstens ein paar Hinweise: Stainz, Osterwitz, das Koralpengebiet, St. Oswald, Eibiswald, Glashütten. Eine Landschaft aber von ganz einmaligem Reiz, der sich freilich nicht gleich beim ersten Hinblick erschließt, ist das Sausaler Gebiet zwischen Sülm und Laßnitz, westlich von Leibnitz. Man braucht nicht nach Italien zu fahren: im Sausal gibt es schon Edelkastanien, und der Sylvaner, den der Kellermeister kredenzt, nimmt es mit allen welschen Weinen auf. Die steilen Hänge hinab, überall Obstgärten - steirische Aepfel ein Weltbegriff — und Weinhag an Weinhag. Eine Besonderheit dieser Gegend sind die Windräder („Klapotetz“), deren melodisches Schnurren unvergeßlich bleibt. Man muß sich in die sanften Hügelwellen willig ein- I fügen und nach einigen Tagen sich jenseits aller Zeit finden. Hier, in der West-, der Süd- und auch dann drüben in der Oststeiermark könnte man jahrelang auf Urlaub gehen und doch immer noch Ueberraschungen erleben. Die Verkehrsverbindungen über Graz sind zufriedenstellend.

In das oststeirische Hügelland, also von der Mur gegen Norden über die Raab und Feistritz hinweg, kann man ebenfalls von Graz aus oder auch mit der Aspangbahn nach Hartberg und von da auf der Straße nach Gleisdorf zu gelangen und eine Vielfalt recht preiswerter und gepflegter Erholungsorte finden. Die Oststeiermark hat in den letzten Wochen und Tagen des Krieges viel Hartes mitzumachen gehabt und sich ausgezeichnet herausgearbeitet.

Zwischen Mürz und Lafnitz, südöstlich der Linie Bruck-Mürzzuschlag, nordöstlich begrenzt vom Wechsel, liegt auch ein weniger beachtetes Gebiet: die Fischbacher Alpen und das Jogiland, die Umwelt Roseggers und Kernstocks. In das obere Feistritztal kann mit dem Autobus von Spital am Semmering aus gefahren werden, in das mittlere Feistritztal kommt man am besten mit der Bahn über Graz (über Gleisdorf und Weiz). Gute Zugänge bietet auch die verlängerte Aspangbahn. Hier gelten als Ausgangsorte Friedberg, Rohrbach (Autobus nach Vorau) und Hartberg.

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