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Um den Schatz der Heimat

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Professor an der Hochschule für Bodenkultur

Österreich hat durch den Krieg und seine Folgen viel verloren; es wird Jahre brauchen, bis es seinen Wohlstand von ehedem auch nur annähernd wieder erreicht hat. Trotzdem ist es ein reiches Land geblieben, denn seine kulturellen Werte und seine geistigen schöpferischen Kräfte, die es bewahrt hat, sichern ihm seine zukünftige Stellung unter den Völkern. Daneben aber birgt unser Land, wie kaum in solcher Fülle ein anderes, auf kleinstem Räume als kostbares Gut die Schönheit seiner Landschaften.

Solcher Besitz verpflichtet. Es kann daher keineswegs gnügen, bei Gelegenheiten immer nur die Schönheit des Landes zu preisen; es muß alles getan werden, diese Schönheitswerte zu pflegen und zu vermehren. Dies wird nur geschehen, wenn das Bewußtsein, eine solche Verpflichtung der Heimat gegenüber zu haben, zu lebendigem Gedankengut geworden ist.

In einer- Zeit, in der durch den Krieg unserer Heimat schwere Wunden geschlagen und das Antlitz der Landschaft durch zerstörte Wohnstätten, Gräben und Befestigungsanlagen, vernichtete Kulturen und zerfetzte Wälder zerwühlt und entstellt ist, bedarf es des guten Willens aller, um diese Spuren so rasch als möglich zu beseitigen. Staat und Länder können wohl im großen richtunggebend wirken, wobei im Augenblick das Hauptgewicht auf rasche Instandsetzung von Wohnhäusern, Verkehrsmitteln, Produktionsstätten und dergleichen gelegt werden muß, aber die Beseitigung der unzähligen kleinen, die Harmonie des Landschaftsbildes störenden Wunden muß der Initiative der untergeordneten Stellen, der Bezirke und Gemeinden und letzten Endes des einzelnen überlassen bleiben. Initiative aber ist der Entschluß zur Tat! Ein Hindernis ist hier oft die Vorstellung, daß es sich um Maßnahmen handelt, die in einer Zeit so großer Ereignisse und weltbewegender. Gegebenheiten als nebensächlich erscheinen werden. An sich mögen sie es sein, in ihrer Gesamtheit sind sie es nicht.

Die Nichtbeachtung der vielen kleinen entstellenden Schäden des Landschaftsbil'des birgt die große Gefahr eines „Sich-Gewöh-nens“, einer Abstumpfung in sich. Davon ist an der Generation, die in den langen Jahren des Krieges so viel an Abstoßendem, an Vernichtung und Zerstörung miterlebt hat, ohnedies genug haften geblieben. Es ist an der Zeit, allmählich den Sinn wieder dem Höheren und Edlen zuzuwenden und unser Herz dem Schönen zu eröffnen. Vor allem aber in der Natur und der Pflege ihres Besitzes.

Verschiedene Gründe sind es, die bisher den Naturschutzgedanken nicht in die Breite und Tiefe des Volkes dringen ließen. Vor allem haben viele das Wesen des Naturschutzes noch nicht erfaßt; und daher auch das Ziel seiner Bestrebungen nicht erkennen können.,. Es umfaßt den Naturschutz im engeren Sinne, der die belebte Natur zum Gegenstand hat, sowie den Landschaftsschutz. Beide lassen sich nicht voneinander trennen und greifen in vielfältiger Weise ineinander über. Beide haben große Aufgaben zu erfüllen, sich aber ebenso auch mit vielen kleinen und kleinsten Dingen zu befassen, die in ihrer Gesamtheit wieder dem Großen dienen. Dies muß eindeutig gesagt werden, denn mancher sieht in seinem kleinen Wirkungskreis nur einen kleinen Ausschnitt aus dem umfangreichen Tätigkeitsgebiet des Naturschutzes und ist geneigt, vom Teil af das Ganze zu schließen.

Dankbar wird jeder es begrüßen, der'ich Schönheitssinn bewahrt hat, wenn sich der Landschaftsschutz dort einschaltet, wo die Verwirklichung ausgedehnter technischer Projekte die Schönheit der Landschaft zu beeinträchtigen droht, und wenn er daran unverrückbar festhält, daß sich das, was Men-

Eenhanä schafft, auch harmonisch m die Umgebung einfügt. Es handelt sich nicht im entferntesten darum, der Weiterentwicklung von Wirtschaft und Industrie Schwierigkeiten zu bereiten, aber es ist nur recht und billig, daß die Interessen von Landschaft und Technik, wenn sie sich einmal überschneiden, aufeinander abgestimmt werden. Es muß sich auch der Landschaftsschutz bei vielen kleineren und an sich weniger wichtigen Fragen zu Worte melden, wenn zum Beispiel allzu geschäftlicher Geist eine landschaftlich reizvolle Bahnstrecke mit schreienden kitschigen Reklametafeln einzusäumen beginnt, die uns bald aus der Mitte einer blumigen Wiese oder aus dem Dunkel eines Hochwaldes oder vom Gemäuer einer altertümlichen Runie entgegenleuchten oder wenn an Ausflugsorten in der Nähe von Großstädten der Blumenflor allmählich von weggeworfenen Papierresten und sonstigem Abfall erdrückt zu werden droht. Solcher Sünden gegen die Landschaft gibt es leider nicht wenige.

Der engere Naturschutz wacht auch nicht nur darüber daß kostbare Naturdenkmale, etwa ein Jahrhunderte alter Baum mit seinem Schönheits- und Seltenheitswert oder eine malerische Baumgruppe, die einer Landschaft ihr Gepräge gibt, nicht dem Unverstand eines holz- oder geldgierigen Besitzers zum Opfer fällt oder daß blumige Wiesen geplündert und zertrampelt werden. Er kämpft für die Sicherung und Erhaltung der letzten Reste ursprünglicher Lebensgemeinschaften mit ihren immer seltener werdenden natür-lidien Pflanzen- und Tierbeständen und versucht, bereits selten gewordene Pflanzen und Tiere vor gänzlicher Ausrottung und Vernichtung zu bewahren. Er bemüht sich um die Erhaltung von Auwäldern, Sümpfen und Mooren und er wirbt für die Errichtung von Naturschutzparken. Er erhebt, leider, noch immer ungehört, seine warnende Stimme gegen die vielen Sünden gegen die Natur, die jetzt gleich wie in vergangenen Zeiten durch Zerstörung von Busch und Wald, durch, hemmungslose Vernichtung von Hecken und Feldrainen schon soviel Unheil angerichtet, die Vogelwelt dezimiert, den Boden seines natürlichen Schutzes und die Luft ihrer Feuchtigkeitsspender beraubt und dadurch zu einer unaufhaltsam fortschreitenden Austrocknung des Klimas und Versteppung der Landschaft geführt haben.

Die Werbung für den Naturschutzgedan-kea kann nur dann zu einem Erfolg führen, wem Verständnis nnd Aufnahmebereitschaft für ihn schon vorbereitet sind. Schon im frühen Kindesalter sollte die Erziehung dafür einsetzen. Aufgabe der Schule ist es, das Verständnis für die Naturschönheit und die Achtung ihrer Gesetze zu wecken. Eine ganz besondere Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang der Schulgarten, der wie kaum eine andere Einrichtung dazu berufen ist, eine enge Naturverbundenheit zu begründen.

In den USA werden am „Arbor Day“, am Tag des Baumes, die Kinder in die freie Natur hinausgeführt, um Bäume zu pflanzen. Schon dem Kinde wird dadurch die vielseitige Bedeutung des Baumes vor Augen geführt und sein Sinn für die Erhaltung des Baumes und' für die Erhaltung und Wieder-aofforstungen des Waldes geweckt. Ein Beispiel, das in geeigneter Form auch bei uns der Nachahmung wert wäre.

In ganz besonderem Maße erwächst hier unseren Hochschulen eine große und vornehme Aufgabe. Alljährlidi gehen aus ihnen viele hunderte Absolventen hervor, die in der Folgezeit führende und einflußreiche Stellungen bekleiden und die daher in einem großen Wirkungsbereich jene Ideen fruchtbar zum Durchbruch bringen können, die ihnen die Hochschule als ' geistigen Schatz mitgegeben hat. Dies gilt im besonderen Maße für alle jene, die sich dem Lehrfache an Mittelschulen als Hauptberuf zuwenden und die dadurch mehr als reichlich Gelegenheit haben, den Naturschutzgedanken in der ihnen anvertrauten Jugend zu verankern.

Der Absolvent der Hochschule für Bodenkultur, der in einem landwirtschaftlichen oder forstlichen Betrieb führend tätig ist, hat die reichlichste Gelegenheit, durch Worte und durch die Tat selbst zu wirken, wenn er seine Maßnahmen den berechtigten Forderungen des Natur- und Landschaftsschutzes unterordnet und das gleiche anch von seinen Untergebenen verlangt. Seine Tat ist Vorbild und Beispiel, seine Stimme ak Fachmann wird jederzeit Gehör finden, wenn er etwa zur Verschönerung einer Ortschaft aufruft, wenn er für den in den letzten Jahrzehnten in manchen Gebieten leider sehr in Vergessenheit geratenen Blumenschmuck an den Fenstern der Bauernhäuser oder für die Ausgestaltung der Vorgärten wirbt oder wenn er in die Weichbilde mancher Orte oft reichlich vorhandenen öd-

steflen o3er ScKuttflächen durch sinngemäße

Bepflanzung zum Verschwinden bringen will, und ebenso auch, wenn er zur Durchsetzung wichtiger Fragen seine ganze Persönlichkeit in die Waagschale wirft.

Es wäre aber falsch, die Pflege des Naturschutzgedankens nur für die naturwissenschaftlich eingestellten Fächer beschränken zu wollen. Wohl sind diese gerade durch ihre fachliche Einstellung und den steten unmittelbaren Kontakt mit der Natur dazu in .erster Linie berufen, doch eröffnen sich jedem naturliebenden und schönheitsempfindenden Menschen Möglichkeiten verschiedenster Art, im Sinne des Naturschutzes zu wirken. Ihre höchste Weihe erhält die schöpferische Kraft eines Ingenieurs schon keineswegs dadurch, daß sie nur nach technischer Vollendung und Höchstleistung strebt. Seine Werke werden erst dann zu vollendeten Meisterwerken, wenn sie von der Erkenntnis getragen sind, daß Landschaft, Bauten, Sied-

lungen und Menschen eine untrennbare Einheit bilden und sich daher gegenseitig anpassen müssen. Und wieder ganz anders kann draußen auf dem Lande der Seelsorger, der Arzt und jeder in seiner Art nnd nach seiner Weise wirken und Dienst an der Heimat leisten.

Das Ziel lohnt wohl, sich näher mit ihm zu befassen, auch dann, wenn es nur um seiner selbst willen geschieht, ohne Rücksicht darauf, daß ein Land, wohl behütet und gepflegt und reich an Reizen der Landschaft und der Natur, auch im Auslande für sich wirbt und willkommene Gäste anzieht.

Die Gemeindeverwaltung von Wien hat in den Jahren nach dem ersten Weltkriege ihre öffentlichen Gärten und Anlagen mit einem bemerkenswerten Motto der Allgemeinheit übergeben: „Diese Anlage ist Eigentum aller, jeder genieße sie, jeder schütze sie!“ Dieser Worte tiefer Sinn wachse aus der Enge einer Großstadt über die ganze Heimat hinaus!

Gruß

Nicht festliche Blumen, nicht bunte Girlanden, Nicht flatternde Fahnen und gold'ne Posaunen, Nicht fröhliches, freudiges, rauschendes Klingen, Kein leuchtendes Glüh'n und kein wiegendes Raunenl Nein, schmucklos, so magst du mich, Heimat, begrüßen, So schmucklos du willst, darfst du ruhig dich zeigen. Denn jubelnd hallt doch ein Willkomm mir entgegen, O Heimat, aus deinem so heiligen Schweigen.

Eduard Fischer

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