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Wälder statt Felder

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Ein konkretes Projekt zur stärkeren Nutzung von Biomasse für die Energieversorgung hat die steirische Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft entwickelt: „Sobif“ , Abkürzung für Sonnenenergie, gespeichert in Biomasse, genutzt durch Fernwärme.

50 Prozent des voraussichtlichen Wärmebedarfs im ländlichen Raum sollen künftig durch die Verwertung von Holz, Hackgut, Stroh und anderen brennbaren pflanzlichen Produkten abgedeckt werden. Allein die bessere Nutzung der bereits jetzt vorhandenen Ressourcen könnte das Biomasseangebot um rund 50 Prozent steigern. Das allein würde jedoch nicht reichen, um die in Aussicht genommene Wärmemenge bereitzustellen.

Daher wird die Anlage von „Energiekulturen“ vorgeschlagen: Auf derzeit landwirtschaftlich genutzte Flächen (Acker und Wiesen) sollten in Zukunft rasch wachsende Bäume gepflanzt werden. Innerhalb der vorgesehenen Laufzeit des Projekts von 20 Jahren sollten rund 208.000 Hektar, also sieben Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, umgewidmet werden.

„Auch die Anlage von breiteren Streifen mit Bäumen als Hecken, die die Landschaft neu gliedern, ist denkbar“ , schreibt Heinz Ko-petz, der steirische Kammeramts-

direktor, in diesem Zusammenhang. „Die Energieholzkulturen würden in vielen Teilen des Landes zu einer Bereicherung der Landschaft und der Biotope beitragen und zur Verbesserung des Mikroklimas durch zusätzlichen Windschutz.“

Man erhofft sich also positive Umweltfolgen, vor allem auch durch die Herstellung eines Kreislaufs der Stoffe (siehe Abbil-dimg). Um Transportkosten zu vermeiden, sollen die Brennstoffe nämlich aus einem Einzugsbereich von höchstens 15 Kilometern stammen. Das Kohlendioxid und die Asche, die bei der Verbrennung anfallen, kommen wieder den örtlichen Pflanzen zugute.

Mangels ins Gewicht fallender Transportkosten sind die Rohenergiekosten selbst unter heutigen Bedingungen noch etwas günstiger. Weil aber die örtliche Heizzentrale etwa dreimal soviel kostet wie die Anlage mit herkömmlichen Brennstoffen und das Verlegen der Rohrleitungen teuer ist (5000 Schilling pro Meter in Sitzendorf, siehe Seite 14), wird die Forderung nach direkten Zuschüssen und verbilligten Krediten erhoben. „Nur so ist es möglich, die Wärme an die Endverbraucher zu einem konkurrenzfähigen Preis von 70 bis 80 Groschen je Kilowattstunde ohne Mehrwertsteuer abzugeben“ , stellt Ko-petz fest.

Für die öffentliche Hand errechnet das Projekt einen jährlichen Aufwand von 550 Millionen Schilling für die Fernwärmeanlagen und weiterer 100 Millionen für die Anlage von Energiewäldern.

Diesen Aufwendungen stehen j edoch voraussichtlich Einsparungen gegenüber. Denn von diesem Projekt sind nicht nur positive ökologische, • sondern auch positive gesamtwirtschaftliche Folgewirkungen zu erwarten. Die jährlichen Gesamtinvestitionen von Sobif werden nämlich mit 1,625 Milliarden Schilling veranschlagt, die der gesamten Wirtschaft zugute kämen. Eine Input-Output-Rechnung ergibt, daß diese Mittel 3.800 Arbeitsplätze schaffen, von denen die Hälfte voraussichtlich für wiederbeschäftigte Arbeitslose wäre.

Rechnet man weiter, daß jährlich Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 325 Megawatt entstehen, so ist damit zu rechnen, daß sie einen Dauerarbeitsplatz für weitere 700 Personen abgeben. Uber die gesamte Periode entstünden somit 14.000 zusätzliche Arbeitsplätze im ländlichen Raum, wo die Arbeitslosigkeit ohnedies sehr hoch liegt.

Zurück zu den Einsparungen: Auf der einen Seite kommt es also zum Wegfall von Arbeitslosenunterstützungen. Auf der anderen Seite erübrigen sich Agrarsub-ventionen, fällt doch auf den Energiewaldflächen bisher gestützte landwirtschaftliche Uberschußproduktion aus. Diese Einsparungen steigen mit Fortdauer des Projekts von 480 Millionen im ersten auf 2.760 Millionen im 20. Jahr.

Vergleicht man die Gesamtförderung mit den Einsparungen über die Projektdauer, so ergibt sich ein erhofftes Mehr an Einsparungen von 19,4 Milliarden Schilling. „Diese Rechnung zeigt, daß sich das Projekt nachhaltig positiv auf den Staatshaushalt auswirkt, selbst bei den derzeit niedrigen Energiepreisen und hohen Förderungsansätzen“ , resümiert Kopetz.

Um wieviel sinnvoller erscheint Sobif als das in jeder Hinsicht so zweifelhafte Projekt der neuen Elektrolyse in Ranshofen, das über 5 Mrd. S kosten und 1.400 Arbeitsplätze sichern soll.

Für diese fünf Milliarden könnte nämlich die Wärmeversorgung von etwa 100.000 Wohneinheiten durch rund 1.000 kleine Fernheizzentralen sichergestellt werden. Und statt eines Energiefressers hätte Österreich eine Unzahl von Energielieferanten.

Würde Sobif verwirklicht, stiege der Anteil der Biomasse an der österreichischen Energieversorgung von derzeit 8,5 auf 14 Prozent. Das ist etwa jener Anteil, den der Biomasse-Spitzenreiter Schweden heute schon erreicht hat. Dort denkt man allerdings schon weiter: Bis zum Jahr 2020 sollen dort schon eine Million Hektar als Energiewald mit Weiden und Weißerlen bepflanzt sein.

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