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Kraft der Sonne

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Die Energieversorgung ist zur Schlüsselfrage der Industriegesell- schaft auf dem Weg ins 21. Jahr- hundert geworden. Der allergrößte Teil unserer Umweltprobleme geht auf die Verfeuerung fossiler Brenn- stoffe zur Energiegewinnung zu- rück. Nur ein radikaler Kurswech- sel kann die drohenden Öko-Infark- te der nächsten Jahrzehnte noch verhindern.

Wenn wir an saurem Regen und sterbenden Wäldern, an der enor- men Belastung unserer Atemluft mit Schadstoffen, an der Aufheizung der Atmosphäre durch jährlich Millionen Tonnen Kohlendioxid, am wachsenden Raubbau der letzten intakten Landschaften und der Vernichtung unserer Trinkwasser- reserven nicht länger festhalten wollen, dann werden wir ein völlig anderes Energienutzungssystem einführen müssen.

Die Energiewende muß auf Ener- giesparen, rationeller, umweltver- träglicher Energienutzung und ei- ner Energieerzeugung auf dezen- traler, angepaßter Grundlage durch verstärkte Nutzung regenerativer Energieträger basieren.

Angesichts der drohenden Klima- katastrophe heißen die Energieper- spektiven nicht Kohle oder Atom und auch nicht Wasserkraft, denn ihr vollständiger Ausbau würde das erforderliche Umdenken nur ver- zögern. Die Frage lautet nicht: Woher bekommen wir mehr Pri- märenergie?, sondern: Wie kommen wir bei steigendem Wohlstand mit weniger Energie aus?. Und: Welche Möglichkeiten des Einsatzes heimi- scher erneuerbarer Energieträger zur Abdeckung dieses verringerten Energiebedarfs bestehen?

Technisch gesehen ist es heute kein Problem mehr, den Verbrauch fossiler Energie bei gleicher Lebens- qualität zu halbieren. Der größte Teil der verbrauchten Primärener- gie geht aufgrund schlechter Wir- kungsgrade ungenutzt verloren. Um dies zu ändern ist ein Bündel politi- scher Maßnahmen zur Förderung der besseren Energienutzung not- wendig.

Was die Nutzung erneuerbarer Energiequellen betrifft, ergeben sich für Österreich im wesentlichen zwei Ansatzpunkte. Die verstärkte Nutzung von Biomasse in dezentra- len Heizwerken, die aus dem jähr- lich nachwachsenden Holz, Gras und Stroh gespeist werden könn- ten. Die Steiermark ist mit 17 in Betrieb befindlichen Holzhack- schnitzelheizwerken europaweit führend.

Die zweite große Chance ergibt sich aus der Nutzung der Sonnen- energie. Auch hier spielt die Steier- mark eine Vorreiterrolle in Euro- pa. Mitteleuropas größte Solaran- lagendichte befindet sich in den vier oststeirischen Bezirken Feld- bach, Fürstenfeld, Hartberg und Weiz.

In dieser Region entfallen auf 61.627 Haushalte rund 4.200 Solar- anlagen mit einer Gesamtkollek- torfläche von 39.000 Quadratme- tern. Das heißt, daß 6,8 Prozent der oststeirischen Haushalte eine So- laranlage zur Warmwasserberei- tung und teilweise auch für Heiz- zwecke installiert haben.

Daß Sonnenenergie auch in Öster- reich wesentliche Anteile zur Ener- gieversorgung beitragen kann, sieht man am oststeirischen Beispiel. Die 4.200 Solaranlagen produzieren jährlich einen Gesamtnutzwär- meertrag von etwa zehn Gigawatt- stunden. Bei Berücksichtigung von Kesselwirkungsgraden entspricht dies einem Öläquivalent von rund 2,75 Millionen Litern, oder anders ausgedrückt, der Jahresleistung eines Murkraftwerks.

Diese hohe Anlagendichte in der Steiermark ist vor allem auf die Aktivitäten der „Arbeitsgemein- schaft Erneuerbare Energie, einem gemeinnützigen Verein, zurückzu- führen, der durch massive Öffent- lichkeitsarbeit, sowie durch neue, zu preisgünstigeren Anlagen füh- rende Marktstrategien - Einkaufs- gemeinschaften und organisierter Selbstbau - einen wahren Solaran- lagenboom auslöste. Diese Arbeit wurde in den vergangenen Mona- ten durch den „Europäischen Umweltschutzpreis" sowie durch den „Österreichischen Staatspreis für Energieforschung" ausgezeich- net.

Die Anzahl der Menschen, die nicht auf eine ökologisch verträgli- che Energiepolitik unserer Regie- rung warten wollen, ist ständig im Steigen begriffen. Dort, wo versucht wird, dieses Potential zu aktivie- ren, können sich die Erfolge sehen lassen. Der Anteil, der von der „Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie" betreuten Baugruppen an der in Österreich installierten Kol- lektorfläche lag im Jahr 1989 bei 57 Prozent.

Ein österreichweiter Durchbruch der Solarenergie scheitert derzeit noch an der so gut wie nicht vor- handenen Förderungs- und For- schungspolitik. Die staatliche For- schung beträgt pro Einwohner 1,39 Schilling. In einem Vergleich der Internationalen Energieagentur unter Mitgliedsländern der OECD steht Österreich damit nahezu als Schlußlicht da. In der BRD ist diese Quote 13 Mal höher.

Wenn man bedenkt, daß in Öster- reich jährlich durch die Verbren- nung fossiler Stoffe Umweltschä- den in der Höhe von 200 Milliarden Schilling entstehen, so könnte man, würde man jede Kilowattstunde aus einer Ölheizung mit einem Schil- ling belasten, enorme Mittel für die Nutzung der Sonnenenergie und der Biomasse bereitstellen. Eine solche Umweltabgabe, die wir alle zu tra- gen hätten, wäre allerdings die wertvollste Investition für die Zu- kunft der Menschheit.

Der Autor ist Obmann der „Arbeitsgemein- schaft Erneuerbare Energie.

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