EU forciert erneuerbare Energie

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Die Energieversorung der EU ist stark von Erdöl- und Erdgasimporten abhängig und daher in Krisenfällen gefährdet. Brüssel versucht gegenzusteuern.

Die letzten Monate des Jahres 2001 brachten für die EU wichtige Signale in Richtung erneuerbare Energie: Im September eine Richtlinie des Ministerrates, die den Anteil an "grünem Strom" bis 2010 auf 22 Prozent anheben soll. Und im November Richtlinienentwürfe für den verstärkten Einsatz von Biotreibstoffen. Ihr Anteil soll bis 2010 schrittweise auf 5,75 Prozent und bis 2020 auf 20 Prozent (inklusive Erdgas und Wasserstoff in Verbindung mit Brennstoffzellen) angehoben werden. Um diese Entwicklung zu fördern, sollen die entsprechenden Treibstoffe steuerlich entlastet werden dürfen.

Das sind ernst zu nehmende Signale aus Brüssel in Richtung erneuerbare Energie. Ihre Hauptstoßlinie: Forcierung von Alternativen im Bereich Strom und Treibstoffe. Die Kommission steht offensichtlich unter dem Eindruck der prekären Situation der EU-Energieversorgung, zurückzuführen auf deren enormer Außenabhängigkeit. So betonte etwa die für Energiefragen zuständige EU-Kommissarin Loyola de Palacio bei einem Vortrag im Oktober 2001 in Wien, die Anschläge in den USA und die Ölpreisentwicklung der vorangegangenen zwölf Monate hätten gezeigt, dass die europäische "Versorgungssicherheit nicht gewährleistet ist".

Tatsächlich deckt die EU derzeit rund 50 Prozent ihres Energiebedarfs aus Importen - vor allem aus politisch instabilen Regionen wie dem Vorderen Orient und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Bei Fortsetzung des bisherigen Weges könnte dieser Anteil im Jahr 2020 sogar auf 70 Prozent ansteigen. Das ergäbe eine Abhängigkeit, die politisch erpressbar macht. Darüber hinaus steht die EU unter dem Druck, ihre Zusagen zur Verringerung der CO2-Emissionen zu verwirklichen.

Kosten fair zurechnen

Die erwähnten Entscheidungen sind wichtige Schritte zur Verwirklichung jener Zielvorgaben, die das EU-Weißbuch "Energie für die Zukunft: Erneuerbare Energieträger" schon 1997 skizziert hatte. Es hält fest: "Wenn es der Gemeinschaft nicht gelingt, im kommenden Jahrzehnt einen deutlich größeren Teil ihres Energiebedarfs durch erneuerbare Energieträger zu decken, entgeht ihr eine bedeutende Entwicklungschance."

Festgehalten wird, dass die Preise der heute dominierenden Energieträger nicht "die vollen Kosten widerspiegeln", vor allem externe Kosten, "die die Allgemeinheit infolge der beim Einsatz solcher Brennstoffe entstehenden Umweltschäden zu tragen hat." Eine im Juli 2001 veröffentlichte Studie der Generaldirektion Forschung bestätigt diese Aussage und kommt zu dem Schluss, "dass die Kosten der Elektrizitätserzeugung aus Kohle und Erdöl sich verdoppeln und im Fall von Erdgas um 30 Prozent ansteigen würden, wenn externe Kosten wie Umwelt- und Gesundheitsschäden in Rechnung gestellt würden."

Daher die Empfehlung: Bis 2010 Verdoppelung des Anteils der Erneuerbaren in der EU auf zwölf Prozent. Die erforderlichen Investitionen für dieses Programm: Beachtliche 165 Milliarden Euro bis 2010.

Folgende konkrete Ziele werden im Weißbuch formuliert:

* Eine Million Photovoltaik-Anlagen, die Sonnenenergie direkt in Elektrizität umwandeln, sollen eingerichtet werden. Die Hälfte davon, also 500.000, sollten auf Dächern und an Fassaden im gesamten EU-Raum, insbesondere an Schulen und öffentlichen Gebäuden, an Fremdenverkehrs-, Sport und Freizeiteinrichtungen installiert werden. Weitere 500.000 Anlagen wären in Dörfer der Dritten Welt zu exportieren, um dort den Startschuss für eine dezentrale Elektrifizierung zu geben. Beide Aktionen müssten durch öffentliche Zuschüsse gefördert werden.

Bei der Photovoltaik gehe es um eine Technologie, die sich rasch entwickelt und um einen heiß umkämpften Zukunftsmarkt.

Fairer Zugang

* Windparks mit einer Gesamtkapazität von 10.000 Megawatt sollen errichtet werden. Diese Kapazität entspräche nur 25 Prozent der realistisch erreichbaren Verbreitung der Windenergie bis 2010, hält das Weißbuch fest. Die Entwicklung der letzten Jahre bestätigt diese Annahme übrigens. Allerdings fließen Investitionen in Windkraftwerke nur, wenn für einen fairen Zugang des von ihnen erzeugten Stroms zu den Netzen gesorgt ist.

"Für den in jüngster Vergangenheit zu verzeichnenden großen Erfolg der Windenergie auf den Märkten der Mitgliedstaaten wie Dänemark, Spanien und vor allem Deutschland (...) sind in erheblichem Maße die Vergütungen verantwortlich, die die Versorungsunternehmen bei Abgabe an das Netz an die Erzeuger von Elektrizität aus Windkraft entrichten müssen", hält das Weißbuch fest.

* 10.000 Megawatt thermische und elektrische Energie sollte aus Biomasse-Anlagen stammen. "Vom Volumen her verfügt die Kraft-Wärme-Kopplung in biomassebefeuerten Anlagen unter allen erneuerbaren Energieträgern über das größte Potenzial. Eine Kampagne zur Förderung und Unterstützung dezentralisierter Biokraftwerke in der gesamten Europäischen Union ist daher unbedingt notwendig." Erfahrungen vor allem aus den skandinavischen Ländern untermauern diese Aussagen des Weißbuches, das als weiteres Ziel formuliert: "Durch Verwertung von Biogas aus Viehzucht, Abwässern aus der Nahrungsmittelindustrie, Abwasserbehandlung und Deponiegasen könnten bis zum Jahre 2010 15 Millionen Tonnen Rohöleinheiten gewonnen werden."

* Umstellung von 100 Gemeinden auf totale Versorgung mit erneuerbarer Energie ist ein weiteres interessantes Projekt, das die Entwicklung konkreter Modelle anregt. 100 Regionen, Städte oder Inseln sollten ganz auf die Versorgung mit erneuerbarer Energie umsteigen. Diese Projekte sollten öffentlich gefördert und "in Bezug auf ihre Größe und ihre besonderen Merkmale möglichst stark voneinander unterscheiden, um glaubhaft ihren Modellcharakter darzustellen."

Damit setzt die EU Akzente in der Energiepolitik, die sich deutlich von jenen unterscheiden, die sich aus den Weichenstellungen des im Vorjahr vorgestellten Energiekonzeptes der Bush-Administration ableiten lassen (siehe Seite 16). Die Verwirklichung dieser Ziele wird enorme Anstrengungen erfordern, die Energieversorgung nicht von heute auf morgen revolutionieren, aber langfristig gute Voraussetzungen für Nachhaltigkeit bieten.

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