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Die Zukunft der Energieversorgung

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Erdöl und Erdgas werden knapp, ihre Substitution ist das große Problem für Wissenschaft und Technik. Realistische Chancen liegen in den erneuerbaren Energien.

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Erdöl und Erdgas werden knapp, ihre Substitution ist das große Problem für Wissenschaft und Technik. Realistische Chancen liegen in den erneuerbaren Energien.

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Die Chancen für eine auch in Zukunft gesicherte und darüber hinaus auch ökologisch verträgliche Energieversorgung sind aus heutiger Sicht keineswegs optimistisch zu beurteilen. Zahlreiche technische, wirtschaftliche und auch organisatorische Barrieren stehen einer endgültigen und langfristigen Lösung im Wege.'

Die derzeitige Energieversorgung basiert zum überwiegenden Teil auf nicht-erneuerbaren Roh-

Stoffen. Ein Vielfaches mehr an Energierohstoffen wird heute benötigt, als die Natur nachzuliefern in der Lage ist. Die Energiewirtschaft hat sich von einer Kreislaufwirtschaft weit entfernt, Erdöl und Erdgas werden knapp, ihre Substitution ist das große Problem für Wissenschaft und Technik.

Als kurzfristige Alternativen für Erdöl und -gas bieten sich einige, wenn auch nicht problemlose Möglichkeiten an.

Eine forcierte öl- und Gasgewinnung mit neuartigen Methoden wie etwa zur Ausbeutung von Ölschiefer oder Teersanden könnte unter Inkaufnahme von wesentlich höheren Förderkosten die Energiebedarfsdeckung kurz- bis mittelfristig hinausschieben. Eine langfristige Lösung ist mit diesen Methoden nicht zu erreichen.

Auch eine Umstellung der Energiewirtschaft auf Kohle ist mittel- und langfristig vom Standpunkt der Kohlevorkommen technisch zwar möglich, und das Schwefelproblem wird durch neuartige Feuerungen und weitgehende Rauchgasreinigung auch beherrschbar sein. Es bleibt aber das globale Kohlendioxidproblem, das sich in einem weiteren exponentiellen Anstieg des Kohlendioxidgehaltes der Atmosphäre darstellt mit der Möglichkeit einer Erhöhung der Luft- und Oberflächentemperatur auf der Erde.

Die heutigen Kernkraftwerke, deren typischer Vertreter der Leichtwasserreaktor ist, können nur eine kurz- bis mittelfristige Lösung darstellen. Auch fortgeschrittenere Technologien sind von ihrer Brennstoffbasis her ebenfalls als begrenzt anzusehen.

Im Zusammenhang mit der zukünftigen Energieversorgung ist nicht nur die in den nächsten Jahrzehnten zu erwartende Steigerung des Energiebedarfes gewaltig. Auch die Investitionskosten für neue Kraftwerke, für Energieumwandlung und für Energieverteilung werden noch wesentlich stärker zunehmen als die Gewinnung an sich. Dies aus mehreren Gründen:

• Die billigen Energiequellen wie öl und Gas, die gleichzeitig billige Wärmekraftwerke ermöglicht haben, gehen allmählich zu Ende.

• Es werden daher nicht nur teure Neuinvestitionen zur Deckung des steigenden Bedarfes erforderlich, sondern in zunehmendem Maß auch Investitionen für die Substitution.

• Die meisten Zukunftsmöglichkeiten (Kernfusion, Sonnenenergie) haben im Gegensatz zu den bisherigen Kraftwerken die Besonderheit geringer laufender, aber sehr hoher Investitionskosten.

• Der Transport und die Verteilung von Energie werden kostspieliger. Sonnenkraftwerke zum Beispiel in Ländern mit intensiver Sonneneinstrahlung bringen das Problem des Transportes beziehungsweise der Umwandlung in künstliche Brennstoffe.

• Die Energieerzeugung muß umweltverträglich sein. Strengere Umweltauflagen erfordern einen höheren Kapitaleinsatz.

Wie immer daher im einzelnen die in den nächsten 50 bis 100 Jahren einzuschlagenden Wege der Energiegewinnung, -Umwandlung und -Verteilung sein werden, eines kann mit Sicherheit prognostiziert werden: die erforderlichen Investitionen werden gigantisch sein und einen bedeutenden Teil der Bruttoinlandsprodukte fordern.

Kleintechnologien wie Kleinwasserkraftwerke, Solartechnologien zur Erzeugung von Wärme, Verwertung von Biomasse etc. werden in Zukunft ohne Zweifel ihre Bedeutung haben. Aber auch diese Verfahren führen im allgemeinen zu höheren Kosten und erfordern außerdem neue Organisationsformen in der Energiewirtschaft.

Aus heutiger Sicht bieten sich für eine Großversorgung nicht allzu viele Alternativen an:

• weiterer Ausbau der Wasserkraft;

• Nutzung nuklearer Energie auf der Basis der Kernfusion;

• Nutzung von Umweltenergie wie Sonne und Umweltwärme;

• Wind- und geothermische Energie;

• Nutzung des Meeres.

Die Wasserkraft ist in vielen Ländern noch ausbaubar.

Die Verwendung nuklearer Energiequellen ist derzeit durch Kernspaltung technisch realisierbar, jedoch auch von den Ressourcen begrenzt.

Der Einsatz von Umweltenergie zum Beispiel durch Solaranlagen oder Wärmepumpen ist heute bereits technisch möglich. Im letzten Jahrzehnt konnte auf der Basis praxisorientierter Forschung und Entwicklung auch eine Reihe von Komponenten und Systeme zur Nutzbarmachung der „erneuerbaren“ Umweltenergie so weit entwickelt werden, daß eine Markteinführung möglich wurde. Solar- und Wärmepumpen-Anlagen zur Warmwasserbereitung, Raumheizung, Wärmerückgewinnung und Schwimmbädererwärmung sind heute anerkannte Methoden.

So zeigen die Verkaufszahlen für Kollektoren und Solaranlagen seit 1975 zunehmende Tendenz. Bis Ende 1985 wurden in Österreich etwa 180.000 Quadratmeter Kollektoren installiert, davon rund 35 Prozent zur Schwimmbädererwärmung.

Eine Möglichkeit mit Zukunftschancen ist das Sonnenkraftwerk. Ein großtechnischer Einsatz der Sonnenenergie wird wahrscheinlich aber auch nur möglich sein, wenn es gelingt, die reichlich vorhandene Sonnenenergie langfristig (saisonal) zu speichern oder an geeigneten Standorten wie zum Beispiel in der Sahara in speicherbare und leicht transportierbare Sekundärenergie umzuwandeln. Das Wunschziel ist hier die Erzeugung von Wasserstoff über Sonnenoder Windenergie.

Die Vorteile des Wasserstoffes sind unbestritten:

• Der Rohstoff Wasser ist unbegrenzt vorhanden;

• Wasserstoff kann im Bereich der Energiewirtschaft für alle Dienstleistungen (Bereitstellung von Wärme, Kraft und Strom) eingesetzt werden;

• er belastet kaum die Umwelt, da im Gegensatz zu fossilen Energieträgern bei seiner energetischen Nutzung nahezu keine Schadstoffe entstehen;

• ermöglicht eine Kreislaufwirtschaft, da bei der Verbrennung wieder Wasser als Rohstoff entsteht;

• die vorhandenen Infrastrukturen aus der Nutzung von Erdöl und -gas könnten übernommen beziehungsweise mitverwendet werden. Das Hauptproblem hegt derzeit in der Frage, aus welchen Energiequellen Wasserstoff hergestellt werden soll (FURCHE 32/ 1986).

Viele Experten sehen heute in der Sonnenenergie die beste Möglichkeit zur Gewinnung des Wasserstoffes. Technisch möglich ist dies bereits durch thermische Sonnenkraftwerke (indirekte Stromerzeugung über einen Wärmeprozeß) und andererseits durch die direkte Umwandlung der Sonnenenergie über Solarzellen in Wasserstoff (photovoltai-scher Effekt). Vernünftige und diskutierbare Möglichkeiten einer großtechnischen Nutzung gibt es ebenfalls wie beispielsweise Sonnenenergie-Plantagen in sonnenreichen Gebieten. Als Handelsgut könnte in weiterer Folge der Wasserstoff über Pipelines oder Tankschiffe in die Verbraucherzonen geleitet werden.

Der Realisierung einer globalen solaren Wasserstoff-Energiewirtschaft steht heute allerdings noch eine Vielzahl von technischen, organisatorischen und vor allem finanziellen Problemen im Wege. Sollte ein solches Projekt aber realisiert werden, müßte die Weichenstellung schon heute geschehen.

Der Autor ist Leiter der Abteilung Sonnenenergie der Osterreichischen Gesellschaft für Sonnenenergie und Weltraumfragen (ASSA).

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