Neue Erkenntnisse gibt es auch bei der Zusammensetzung von Solarzellen. So hoffen Wissenschafter, dass es demnächst einen Durchbruch mit einer neuen Materialklasse geben könnte.
Bereits vor mehr als 150 Jahren machte der französische Physiker Alexandre Edmond Bequerel eine große Entdeckung: Sonnenenergie lässt sich in elektrische Energie umwandeln. Mithilfe dieses photovoltaischen Effekts entwickelte er die erste Solarzelle der Welt. Der Effekt funktioniert -vereinfacht erklärt - folgendermaßen: Sonnenlicht fällt auf eine Solarzelle, die mit einem Halbleiter, heutzutage meist aus Silizium, ausgestattet ist. Durch die Einstrahlung werden die Elektronen der Solarzelle angeregt und beginnen, sich zu bewegen -Strom entsteht.
Wirtschaftliche Anreize
Solarzellen mit Silizium, wie sie heute in der Massenproduktion hergestellt werden, gibt es etwa seit den 1950er-Jahren. Rund 60 Jahre nach ihrer Entwicklung ist die nachhaltige Technologie so populär wie nie. Vorreiter in der Implementierung ist dabei seit einigen Jahren China. Hier wird kräftig in die Energiegewinnung aus Sonnenstrahlen investiert. Mit sichtlichem Erfolg, denn die Volksrepublik hat ihr Klimaziel, 105 Gigawatt aus Solarenergie bis zum Jahr 2020 zu gewinnen, bereits im letzten Jahr erreicht und sogar überschritten.
Sowohl im Einsatz als auch in der Produktion steht China weltweit an erster Stelle. Laut dem Energiebericht des Netzwerkes für erneuerbare Energien des 21. Jahrhunderts (REN21) kamen im letzten Jahr rund 65 Prozent der globalen Solarzellen-Exporte aus der Volksrepublik. China verzeichnet wirtschaftliche Rekorde - und macht zudem mit Projekten wie der größten schwimmenden Solaranalage in der chinesischen Provinz Anhui Schlagzeilen.
Niyazi Serdar Sariciftci, Leiter des Instituts für Physikalische Chemie an der Johannes Kepler Universität in Linz, bestätigt, dass sich der globale Schwerpunkt der Solarenergie weit nach Osten verschoben hat: "China hat Anfang der 2000er-Jahre die Solarenergie-Produktion als Technologie der Zukunft definiert und den Produzenten günstige Kredite angeboten, die erst Jahre später zurückgezahlt werden mussten. Dadurch kam es zu einem Produktionsboom, der jetzt der ganzen Welt zugutekommt, weil Solarpanele günstiger sind als je zuvor."
Produktionstechnisch hat China keinen besonderen Standortvorteil, da Solarzellen in fast vollautomatisierten Fabriken hergestellt werden, die oft mit deutschen Technologien ausgestattet sind. Europa könnte immer noch nachziehen, müsse aber Chinas derzeitige Vormachtstellung akzeptieren, so Sariciftci. Doch das können nicht alle. Kritische Stimmen meinen, das Land produziere billig und die Produktion sei in Europa nachhaltiger und qualitativ hochwertiger. Dies stimmt zum Teil und lässt sich folgendermaßen erklären: Wie eingangs erwähnt, werden Solarzellen derzeit hauptsächlich mittels Silizium als Halbleitermaterial produziert. Silizium wird aus Siliziumdioxid - also Quarz -reduktiv hergestellt. Diese Reduktion ist ein äußerst energieintensiver Prozess, der viel Strom benötigt.
Und trotz der Vorreiterrolle im Bereich der Solarenergie kommt der Großteil der Energie in China weiterhin aus umweltschädlichen Kohlekraftwerken. "Um Silizium herzustellen, wird sehr viel Energie aus Kohlekraftwerken verwendet. Da wäre es natürlich besser, eine erneuerbare Energiequelle zu verwenden. Mit dem baldigen Überschuss der Solarenergie sollte sich in Zukunft auch die Siliziumherstellung betreiben lassen und würde somit eine positive Spirale ohne CO2-Ausstoß ergeben", sagt Sariciftci. Den Vorwurf der schlechten Qualität kann der Materialwissenschafter nicht bestätigen: Die Qualität hänge nicht vom Standort ab.
Auch Österreich setzt immer mehr auf die Implementierung von Photovoltaik-Anlagen: Im letzten Jahr lag das Wachstum der Wind-und Photovoltaik-Energie bei rund zehn Prozent. Insgesamt nimmt die Solarenergie hierzulande jedoch nur einen kleinen Teil des Energiemix ein. Weniger als ein Prozent des erzeugten Stromes wurde laut Energiebilanz 2016 aus der Sonne gewonnen. Laut Sariciftci sei der Ausbau der Solarenergie für Österreich nicht zwingend notwendig, da das vorhandene Potenzial der Wasserkraft ausreichend genutzt werde und ebenso nachhaltig sei. Chancen durch neue Anlagen sieht er in Europa vor allem im Süden, wobei er teuren Projekten, wie etwa der schwimmenden Solaranlage in China, kritisch gegenübersteht: "Es gibt in Europa viele ungenützte Flächen. Wenn wir etwa die Parkplätze in Griechenland mit Solarzellen überdachen würden, könnte das ganz Griechenland energieautark machen."
Solarzellen auf Gewächshäusern
Generell macht Sariciftci sich für die Nutzung bereits bestehender Infrastruktur stark. So sieht eines seiner wissenschaftlichen Projekte die Abdeckung von Gewächshäusern in Spanien vor. Es sei bereits möglich, Solarzellen so zu bauen, dass sie das für die Pflanzen notwendige Licht durchlassen würden und andere Wellenlängen zur Energiegewinnung absorbieren, so der Gründer und Leiter des Linzer Instituts für organische Solarzellen (LIOS).
Doch auch Solarenergie birgt Schwierigkeiten: So entsteht der Strom durch Sonneneinstrahlung, gebraucht wird er allerdings auch während anderer Wettergegebenheiten. Um diese natürlichen Schwankungen zu umgehen, muss Solarenergie gespeichert werden -und dies ist oft nicht ganz einfach. Zurzeit beschäftigt sich die Forschung mit verschiedenen Varianten der Rückführung von Solarenergie in synthetisches Erdgas. Eine davon ist "power-togas", zu deutsch: Energie zu Gas. Das CO2 soll dabei aus der Luft herausgenommen werden und mit Wasser durch Solar-oder Windenergie zurück zu synthetischem Erdgas, "synthetic natural gas"(kurz: SNG), geführt werden.
Erdgas durch Solarenergie
"Wenn Sonnen-oder Windenergie in chemische Energie umgewandelt wird, kann die Energie in der Form von Erdgas gespeichert werden", erklärt der Wittgenstein-Preisträger des Jahres 2012. Anlagen, die dies umsetzen, gibt es bereits zu kaufen. Momentan sei dies die am besten ausgereifte Technologie in diesem Bereich, erläutert Sariciftci, der mit seinem Team nun daran arbeitet, die Umwandlung von Sonnenenergie in chemische Energie mittels Recycling von CO2 zu verbessern. Und damit eine große Vision verfolgt: Denn wenn es gelingt, dies großflächig zu implementieren, sodass jeder selbst Erdgas durch Solarenergie herstellen kann, könnte dadurch etwa der gesamte Verkehr CO2-neutral gestaltet werden.
Neue Erkenntnisse gibt es auch bei der Zusammensetzung von Solarzellen. So hoffen Wissenschaftler, dass es demnächst einen Durchbruch mit einer neuen Materialklasse geben könnte. Perowskite ist ein organisch-anorganisches Hybridmaterial, das zur Herstellung von Solarpanelen dienen soll. Prototypen weisen eine Effizienz von über 20 Prozent auf -und sind damit genauso effizient wie Silizium-Solarzellen. In der Herstellung hätten Perowskite-Solarzellen den Vorteil, dass diese auch mit einer Druckmaschine produziert werden können, nicht durch energieintensive Prozesse wie bei der Herstellung von Silizium.
Und wie sieht die Forschung im fernen Osten aus? Laut der Einschätzung von Sariciftci steht diese den wissenschaftlichen Standards in Europa um nichts nach; im Bereich der Solarzellenproduktion arbeite man an denselben Schwerpunkten. Derzeit sieht es also nicht so aus, als müsse China demnächst seine Vormachtstellung abtreten. Dies bestätigt auch ein im Februar vorgelegter Energieausblick des britischen Energiekonzerns BP. Demnach wird China, zusammen mit Indien, auch in Zukunft der größte Treiber sein und mehr Zuwachs bei alternativen Energien verzeichnen als alle OECD-Staaten zusammen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!