"Die Forschergemeinschaft wachrütteln"

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Sonnenenergie verspricht eine friedliche, grüne und demokratische Zukunft, sagt der Physiker Niyazi Serdar Sariciftci. Über die Lehren aus der Ukraine-Krise, Afrikas gigantisches Energiepotenzial und die Verbindung von Wissenschaft und Spiritualität.

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Sonnenenergie verspricht eine friedliche, grüne und demokratische Zukunft, sagt der Physiker Niyazi Serdar Sariciftci. Über die Lehren aus der Ukraine-Krise, Afrikas gigantisches Energiepotenzial und die Verbindung von Wissenschaft und Spiritualität.

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Als Niyazi Serdar Sariciftci 1996 an die Universität Linz berufen wurde, brachte er ein wegweisendes Thema mit: Seit seinem USA-Aufenthalt beim späteren Nobelpreisträger Alan Heeger forscht er zur Nutzung der Solarenergie - ein Thema, das einen Lösungsansatz für die globalen Energiesorgen verspricht.

DIE FURCHE: Die "Künstliche Photosynthese", bei der Sonnenlicht in chemische Energie umgewandelt wird, nährt große Hoffnungen. Wie sieht es mit dem Entwicklungsstand dieses Verfahrens aus?

Niyazi Serdar Sariciftci: Die Nachahmung der Photosynthese ist derzeit der "Heilige Gral" der Wissenschaft, die nächste ultimative Grenze, die es zu erreichen gilt. In den Pflanzen beobachtet man eine dermaßen sanfte und perfekte Chemie, dass wohl jedem Wissenschafter der Mund weit offen bleibt. Man will nun auch die Bedingungen der natürlichen Photosynthese nachahmen, das heißt bei Raumtemperatur, ohne hohen Druck und ohne explosive Gase die Spaltung des Wassers und die organische Bindung des Wasserstoffs erreichen. Heute erfolgt die Künstliche Treibstoffherstellung noch bei hohen Drücken und Temperaturen um 300 Grad Celsius, also gewissermaßen sehr brutal.

DIE FURCHE: Photovoltaik, die Stromgewinnung aus Solarenergie, wurde zur Erfolgsgeschichte. Gibt es hier noch technologischen Verbesserungsbedarf?

Sariciftci: Verbesserungen ergeben sich anhand des Dreiecks aus Effizienz, Lebensdauer und Kosten, und das je nach Anwendungsbereich: Ein Outdoor-Silizium-Solarpark etwa braucht eine Lebensdauer von zumindest 30 Jahren, in die Kleidung integrierte Solarzellen eines Soldaten oder Bergsteigers hingegen müssen nur den jeweiligen Einsatz überdauern. Tatsächlich wächst die weltweite Photovoltaik-Installation unbeeindruckt von allen Krisen jedes Jahr um circa 20-30 Prozent.

DIE FURCHE: Mit dem "Fracking" wurde es möglich, im Gestein gebundene Gas- und Ölvorkommen zu fördern. Was halten Sie davon?

Sariciftci: Fracking basiert auf fossilen Energiequellen, wobei Kohlendioxid in die Atmosphäre freigesetzt wird. Diese Einwegnutzung von Kohlendioxid ist im Hinblick auf den Klimawandel problematisch. Abgesehen davon ist das Fracking eine invasive und teure Technologie: Erdformationen müssen unterirdisch gesprengt werden, damit das Gas dort herausgesaugt werden kann, und das durch Bohrungen an mehreren Stellen.

DIE FURCHE: Die Ukraine-Krise hat Europas Abhängigkeit von Erdgas verdeutlicht. Kann die Solarenergie hier Abhilfe schaffen?

Sariciftci: Aufgrund der Versorgungssicherheit wäre es dringlich, Europa durch Ausbau von Solarund Windenergie auf eigene Beine zu stellen. Die Solarenergie ist vor allem für wirtschaftlich angeschlagene Länder wie Griechenland, Zypern oder Spanien relevant, deren Außenhandelsbilanz durch Energie-Importe kaputt gemacht wird. Mit anfänglichen Investitionen könnte man diese Länder zu Energie-Exporteuren machen: Hierfür müsste etwa Zypern einige Giga-Watt an Solar-Energie produzieren; dazu bräuchte man insgesamt wohl 6-7 Milliarden Euro. Damit aber wäre Zypern aus der Schlinge. Heute schickt Europa 12-15 Milliarden nach Zypern, um dort marode Banken zu retten. Wir sollten stattdessen Solarpanele schicken, das wäre eine viel intelligentere Lösung!

DIE FURCHE: Sie haben in Afrika ein Netzwerk für Solarenergie initiiert. Wie kam es dazu?

Sariciftci: Als ich 2009 erstmals Äthiopien besucht habe, war es schockierend für mich, dass die Benzinpreise an den Tankstellen sogar höher waren als in Österreich. Äthiopien zahlt den Weltmarktpreis für Erdöl, die ökonomische Situation aber ist desaströs. Einmal Volltanken entspricht dem Monatsgehalt eines Universitätsprofessors. Das zeigt, wie die Afrikaner unter der aktuellen "ErdölOligarchie" leiden. Zugleich gibt es in Afrika soviel Sonne, dass es weite Teile der Welt mit Solarenergie versorgen könnte. Angesichts dessen haben wir in Linz 2011 mit AN-SOLE ein wissenschaftliches Netzwerk (www.ansole.org) gegründet, um die weltweite Forschergemeinschaft wachzurütteln. Heute ist es in allen Ländern Afrikas aktiv.

DIE FURCHE: Wären nicht die Länder des Nordens beim Umstieg auf Solarenergie gegenüber dem sonnenreichen Süden benachteiligt?

Sariciftci: Wirtschaftlich gäbe es eine Nord-Süd-Differenz hinsichtlich des "Return of Investment": Wenn Sie heute eine Million Euro in Solarenergie investieren, käme dies in Zypern in fünf bis sechs Jahren zurück, in Norddeutschland erst in 20 Jahren. Aber die nördlichen Ländern sind ohnehin reicher und könnten längerfristige Investitionen leichter verkraften. Und im Norden gibt es ja viel Wind als komplementäre Energiequelle.

DIE FURCHE: Wie bewerten Sie die Lage der Grundlagenforschung?

Sariciftci: Ich vergleiche sie gern mit einem Apfelbaum. Es ist absurd, dass jeder Äpfel haben will, aber nur wenige den Apfelbaum pflegen wollen. Ebenso will jeder Technologie-Entwicklung, das bedeutet ökonomischen Vorsprung, Standort- und Arbeitsplatzsicherung. Aber Technologie gedeiht auf dem Boden der Grundlagenforschung. Die Früchte der Wissenschaft werden zu technologischen Anwendungen. In Österreich haben wir doch schöne, alte Apfelbäume: Die Unis haben eine stolze Tradition - schade, dass das nicht ausreichend wahrgenommen wird. Um technologisch vorne dabei zu sein, sollten wir unsere Apfelbäume gebührlich pflegen, sonst muss Technologie zunehmend importiert werden.

DIE FURCHE: Sie sind in Konya geboren, der Wirkungsstätte des Rumi, einer zentralen Figur im Sufismus. Sehen Sie eine Verbindung von Wissenschaft und Religion?

Sariciftci: Spiritualität ist keineswegs in Konflikt mit dem wissenschaftlichen Intellekt, wie manche Forscher eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben. Johannes Kepler etwa hat hermetische Spiritualität mit seiner wissenschaftlichen Tätigkeit verbunden, nachzulesen in seinem Werk "Harmonices Mundi". Ich jedenfalls habe ein offenes Herz für diese Verbindung.

Am Puls: "Erneuerbare Energie: Speichern als Herausforderung"

Vortrag im A. Schweitzer Haus, Wien Di, 24.6.2014, ab 18 Uhr

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