Verbotene Energie aus der Tiefe

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In Europa sind lediglich Polen und Großbritannien dem Fracking zugetan. Österreich ist wie die anderen EU-Staaten skeptisch. In Frankreich ist die Methode generell verboten. Deutschland plant derzeit ein Gesetz zum Fracking-Verbot aufgrund des erheblichen Risikopotenzials der neuen Technologie. Tatsächlich ist die neue Technologie zur Energiegewinnung nicht unumstritten: Die eingepumpten Chemikalien könnten zur Gefahr fürs Trinkwasser werden, mitunter verursacht das Herauspressen von Öl und Gas lokale Erdbeben. Die USA sind damit immerhin innerhalb weniger Jahre zum Gasexporteur geworden und verschiffen das verflüssigte Gas (Liquid Natural Gas =LNG) rund um die Welt. "Die LNG-Versorgungsrouten haben sich in den letzten Jahren verdoppelt", sagt Sven Wolf vom deutschen Energieversorger E.ON. In den nächsten vier bis fünf Jahren wird es 30 Prozent mehr LNG-Verflüssigungsanlagen geben."

Globaler Flüssiggasmarkt

Und Stefan Judisch von der Konkurrenz, RWE, ergänzt: "Spätestens 2017 werden wir einen globalen LNG-Markt haben. Ich habe keine Sorge, wir hatten noch nie so viel Gas auf der Welt wie heute", sagt er. Bei Öl sei es ähnlich. Andere Staaten versuchen es den USA nachzumachen. In Südamerika wird Gas als jener Energieträger gesehen, der den wachsenden Energiehunger stillen kann. Aufgrund der neuen Energiemengen ist der internationale Kohlepreis gesunken. In Deutschland haben die subventionierten erneuerbaren Energien Gas aus dem Markt gedrängt. Da dieses nun teurer ist als Kohle, wird mit allgemeiner Unzufriedenheit eine Renaissance der Kohle beobachtet, während alte Gaskraftwerke still stehen, neue nicht gebaut werden. Dennoch stehen die Europäer den Bohrungen aus Umweltschutzgründen zurückhaltend gegenüber. Während es das Fracking sogar in die diesjährige Thronrede der englischen Königin geschafft hat, gehen die Meinungen in Deutschland mitunter heftig auseinander. Beim heurigen Kongress des Bundesverbands der Energieund Wasserwirtschaft (BDEW) wurde auch über das Thema Fracking gestritten.

Kritik an den USA

So kritisierte etwa Eberhard Holstein, Gründer und Geschäftsführer des Berliner Stromanbieters Grundgrün, die Vereinigten Staaten wegen nicht internalisierter Kosten der Gewinnung dieses Shale-Gas genannten Rohstoffs: "Da sind sogar die Chinesen weiter, denn die USA versauen ihre Landschaft mit Fracking", sagte er. "Sie haben genug davon, es ist ihnen völlig egal. Aber es geht um Nachhaltigkeit." Demgegenüber sprach der frühere CDU-Politiker und jetzige Direktor des European Centre for Energy and Resource Security (EUCERS), Friedbert Pflüger, den wirtschaftlichen Aspekt an: "Was wir brauchen, ist Vielfalt, Vielfalt, Vielfalt. Wir müssen offener an das Thema Fracking herangehen, bessere Konditionen auf dem Gasmarkt aushandeln", sagte er. "Die Schieferproduktion hat in Amerika zu einer Reindustrialisierung geführt, was auch eine Gefahr für Deutschland bedeutet. Denn große Firmen werden sich dann nach Amerika orientieren. Wir müssen erkennen, wie klein wir in Deutschland und Europa sind." Es sei ein großer Irrtum zu meinen, "mit unserer Gesetzgebung die Welt zu verändern", sagte Pflüger. Shale-Gas aus Amerika wäre eine Option: "Der Gaspreis kann bei uns nicht doppelt so hoch sein wie in den USA", forderte Pflüger. Die USA haben sich dank Fracking in kürzester Zeit vom großen CO2-Sünder zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz aufgeschwungen. "Mit dem Erdgasboom, haben wir schon Russland überholt", frohlockte John Podesta, der Berater von US-Präsident Barack Obama, als Gastredner beim BDEW-Kongress. "Wir glauben, dass das der richtige Weg ist. Erdgas kann eine gute Brücke zu den erneuerbaren Energien bilden." Die USA wollen bis 2030 ihren CO2-Ausstoß auf das Niveau von 2005 zurückgeführt haben. Die Verstromung von Schiefergas erzeugt nur die Hälfte an CO2 wie jene von Kohle. Immerhin beträgt der Anteil solcher Anlagen in den USA bereits 38 Prozent Dennoch hält Deutschland mit großer Mehrheit an seiner Ablehnung fest. Derzeit gibt es keine Einschränkungen für Fracking. Derartiges befürworten aber alle Parteien. Ein Gesetz soll, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, eine Umweltverträglichkeits-Prüfung vorschreiben und Bohrungen in Wasserschutzgebieten untersagen. Noch in diesem Jahr wollen die Politiker die Bestimmungen in Kraft setzen.

Gesetzespläne

Das gilt für das so genannte unkonventionelle Fracking, wie es die USA anwenden. Konventionelles Fracking wird in Deutschland hingegen schon seit einem halben Jahrhundert betrieben. Der Unterschied: Dabei kommen keine giftigen Chemikalien zum Einsatz, und es handelt sich um Tiefenbohrungen in Gesteinsschichten zwischen 3000 und 5000 Metern unter der Erdoberfläche. Zehn Prozent des deutschen Gasbedarfs werden auf diese Weise, vornehmlich in Niedersachsen, gewonnen. In sensiblen Gewässerzonen soll laut politischen Überlegungen künftig jede Art von Fracking untersagt sein. Bis 2021 werde es ein Moratorium geben, Pilotprojekte bleiben erlaubt -so sieht es der Entwurf des Energieministers vor. Wirtschaftsfachleute halten indes das unkonventionelle Fracking in Deutschland ohnedies für wenig lohnend. "Der Schiefergasboom in den USA war singulär und ist nicht auf Europa übertragbar", resümiert Christian Growitsch vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln. Eine Wiederholung in Europa sei unwahrscheinlich. Das liege an den weit geringeren Platzmöglichkeiten dafür und den höheren Förderkosten. Gas als Beiprodukt der Ölförderung trete, anders als in den Vereinigten Staaten, in Deutschland ebenfalls nicht auf. Schließlich sei auch die Begeisterung dafür in Europa weit geringer als in den USA: "Alles unter dem Boden gehört dort dem Eigentümer, in Europa dem Staat - und das schafft hier ein Akzeptanzproblem", sagt der Wissenschaftler. Eine deutsche Schiefergasproduktion könnte zwar die inländische Wertschöpfung fördern und als Investitionstreiber dienen, aber selbst bei signifikanter Gewinnung wäre der Preiseffekt überschaubar und würde teilweise ins Ausland exportiert, vermutet Growitsch. Bei einer wirtschaftlichen Schiefergasförderung in Deutschland von 20 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2025 hätte das einen Preiseffekt von minus vier Prozent in Deutschland zufolge, hat Christian Growitsch errechnet. Er gibt zu, dass das "überraschend gering" sei. Würden dieselbe Menge neben Deutschland auch Polen und Großbritannien fördern, würde der Preiseffekt in Deutschland, Polen, den Niederlanden und Tschechien bei mindestens minus elf Prozent liegen, in Österreich, Großbritannien, Italien, Belgien, Luxemburg, Ungarn und der Slowakei zwischen neun und elf Prozent und in Frankreich, der Schweiz und auf der Pyrenäen-Halbinsel zwischen sieben und neun Prozent.

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