Der Wandel wird kommen …

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Die UN-Klimakonferenz auf Bali sollte wegweisend für das neue Abkommen nach Kyoto werden, Reduktionsziele kommen aber nur in Fußnoten vor.

Beim Thema Klimaschutz gehen mittlerweile die Emotionen hoch. Die Weltklimakonferenz auf Bali lieferte ein gutes Abbild der derzeitigen weltweiten Befindlichkeiten. Ein klares politisches Bekenntnis zur Reduktion von Treibhausgasen liegt als Ergebnis von Bali auf dem Tisch. Nur über die Aufteilung der einzelnen Reduktionsverpflichtungen wird wohl noch lange gestritten werden. Und in der Praxis wurden auch die bisherigen, ohnehin sehr bescheidenen Reduktionsziele noch bei weitem nicht erreicht. Im Gegenteil, die Emissionen steigen weiter und über bloße Lippenbekenntnisse hinaus sind erst sehr wenige aktive Maßnahmen gesetzt worden.

Eines ist klar, der Energiehunger der Menschheit und die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen steigt, und fossile Rohstoffe werden weiterhin für den größten Teil der Weltenergieversorgung unverzichtbar sein.

Unabhängig von jeder weiteren technologischen Entwicklung wird sich der Weltenergiebedarf bis zum Jahr 2050 in etwa verdoppeln. Unter unveränderten Rahmenbedingungen steigt auch der Gehalt an Treibhausgasen in der Atmosphäre so weit an, dass die Auswirkungen der Klimaveränderung nicht mehr kontrollierbar sein werden. Diese Problematik ist schon seit langem bekannt. Im Jahr 1994 haben deshalb 191 (!) Staaten der Erde die so genannte United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) unterschrieben, mit dem Ziel, weltweit wirkungsvolle Maßnahmen und gemeinsame Strategien gegen die Klimaerwärmung zu entwickeln. Eine Fortsetzung und teilweise Verschärfung der Konvention stellt das 1997 abgeschlossene Kyoto-Protokoll dar, worin für die so genannten Annex I Staaten (41 Industrienationen, u.a. USA, EU, Russland, die rund 60 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verursachen) verbindliche Reduktionsziele festgelegt wurden. Die gemeinsam festgelegten Reduktionsziele belaufen sich dabei auf minus fünf Prozent vom Stand 1990 bis 2012. Die USA haben bis heute das Protokoll zwar unterschrieben, aber nie ratifiziert. Australien holte diesen Umstand im Dezember 2007 kurz nach dem Regierungswechsel nach.

EU hinkt hinterher

Die Daten der Entwicklung der Treibhausgasemissionen seit 1990 liegen nunmehr bereits vor: Laut dem "UNFCCC National Greenhouse Gas Inventory" vom Oktober 2007 gingen die Treibhausgasemissionen von 1990 bis 2005 bei den Annex I Staaten um 2,8 Prozent zurück (unter Berücksichtigung von Kohlenstoffsenken wie Landnutzung und Forstwirtschaft um 4,6 Prozent). Das mag auf den ersten Blick sehr erfreulich wirken, bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch bald Ernüchterung ein. Der Löwenanteil der Reduktionen entfällt auf die Länder des ehemaligen Ostblocks einschließlich Russland durch den Wegfall unrentabler energieintensiver Industriebetriebe. Die westlichen Industrienationen (mit wenigen Ausnahmen) weisen demgegenüber ein Plus von elf Prozent bei den Emissionen auf . De facto ist von Treibhausgasreduktionen durch aktive Maßnahmen noch weit und breit nichts zu sehen. Und die boomenden Schwellenländer stehen mit ihrer Entwicklung hin zu energieintensiver Industrie und massenhaft Verkehr erst am Anfang und sind auch von Reduktionszielen noch nicht erfasst.

Unerreichte Ziele

Immerhin kann zumindest die EU (als Bestandteil der Annex I Staaten) eine kleine Erfolgsgeschichte vermelden. Innerhalb der EU-15 sind die Emissionen seit 1990 bis 2005 um 1,5 Prozent zurückgegangen, vom erklärten Ziel einer Reduktion um acht Prozent ist aber auch die EU noch weit entfernt. Österreich als Teil der EU-15 wiederum kann auf ein sattes Plus bei den Treibhausgasemissionen verweisen, mit steigender Tendenz. Das angepeilte Ziel einer Reduktion um 13 Prozent wird derzeit mit 24,5 Millionen Tonnen zusätzlicher Emissionen oder mit einem Plus von 36 Prozent glorios verfehlt. Österreich kämpft derzeit vergeblich gegen einen weiteren Anstieg von Treibhausgasemissionen und hat noch nicht einmal die Trendwende beim Ausstoß von Treibhausgasen geschafft.

Bereits im Jahr 1996 wurde bei einer Tagung des europäischen Rates für Umwelt eine Stabilisierung der Konzentration von CO2 in der Atmosphäre auf einem Niveau, das dem Doppelten der Zeit vor der Industrialisierung entspricht als unerlässlich angesehen. Nach jüngsten Forschungsergebnissen ist eine Stabilisierung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre auf 450 ppm (Maßeinheit: Teile pro Million) notwendig, um das Ziel einer maximalen Erwärmung um zwei Grad Celsius einhalten zu können.

Um diese Minimal-Anforderung zu erfüllen, dürfen in diesem Jahrhundert die künftigen jährlichen durchschnittlichen CO2-Emissionen den gegenwärtigen globalen Durchschnitt nicht übersteigen und müssen gegen Ende des Jahrhunderts und danach bedeutend geringer werden.

Dementsprechend sind massive Emissionsreduktionsverpflichtungen notwendig, die in erster Linie von den entwickelten Ländern eingegangen werden müssen. Im März 2007 wurde diesbezüglich vom europäischen Rat die Vorreiterrolle der entwickelten Länder betont und die Notwendigkeit zu massiven Emissionsreduktionen hervorgehoben. Die entwickelten Länder sollten dafür ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 gemeinsam in einer Größenordnung von 30 Prozent gegenüber 1990 verringern. Bis 2050 sollte dafür eine Emissionsreduktion um 60 bis 80 Prozent (!) gegenüber 1990 erfolgen. Bis jetzt konnten Treibhausgasemissionen in den entwickelten Ländern unter optimistischen Annahmen um nicht einmal drei Prozent verringert werden.

Verpflichtungen fehlen

Über die notwendigen Emissionsreduktionen war man sich auch bei der am 15. Dezember 2007 auf Bali zu Ende gegangenen UN-Klimakonferenz einig. Verbindliche Verpflichtungen oder Ziele zur Senkung der Treibhausgasemissionen - wie dies von der EU anvisiert worden war - wurden von den USA und anderen Ländern aber abgelehnt. Der Text des Abschlussdokuments erklärt, die Parteien werden sich auf "messbare, berichtspflichtige und überprüfbare, national angemessene Verpflichtungen oder Maßnahmen zur Milderung des Klimawandels einigen". Hierzu zählen quantitativ bestimmte Emissionsbegrenzungen und Reduktionsziele, zu denen sich alle Industrienationen verpflichten müssten. Das Ziel (Emissionsreduktion um 25 bis 40 Prozent in den entwickelten Ländern bis 2020 und Stabilisierung des Gehalts an Treibhausgasen in der Atmosphäre auf 450 ppm) wurde immerhin in einer Fußnote des Abschlussdokuments untergebracht. In vier nachfolgenden Verhandlungssitzungen müssen nun die konkreten Reduktionsziele ausverhandelt werden, um 2009 ein Nachfolgeabkommen für das Kyotoprotokoll zustande zu bringen. Wie schwierig es ist, über Grundsatzentscheidungen hinaus aktiv Maßnahmen zu setzen, und wie schleppend aktive Maßnahmen vorangehen, kann derzeit an zwei Beispielen eindrucksvoll demonstriert werden:

* Senkung der CO2-Emissionen bei Neuwagen in der EU: Rund ein Viertel bis ein Drittel aller CO2-Emissionen wird vom Verkehr verursacht. Deshalb hat der europäische Rat bereits 1996 (!) beschlossen, den durchschnittlichen CO2-Emissionswert für neu zugelassene Autos auf 120 g/km zu beschränken. Im Jahr 2005 sollte dieses Ziel erreicht werden. Was bisher als freiwillige Selbstverpflichtung der Autoindustrie gegolten hat und lediglich für einen Durchschnittswert von 160 g/km gereicht hat, soll nun per Gesetz von der EU bis 2012 durchgesetzt werden. Besonders in deutschen Landen ist der Aufschrei groß und Politiker aller Couleur laufen gegen den Gesetzesvorschlag Sturm. Faktum bleibt, dass Emissionsreduktionen wiederum erst mit massiven Verspätungen eintreten werden.

* Ökostromgesetz-Novelle in Österreich: Österreich hat sich verpflichtet, den Anteil erneuerbarer Energieträger am Bruttostromverbrauch von 70 Prozent (Basis 1997) auf 78,15 Prozent im Jahr 2010 zu erhöhen. Das Rückgrat dafür sollte ein Ökostromgesetz bilden, das 2002 zum ersten Mal erlassen wurde. In der Zwischenzeit ist durch das immense Stromverbrauchswachstum der Anteil erneuerbarer Energieträger am Stromverbrauch auf 57,5 Prozent gefallen. Neben dem massiven Verbrauchswachstum stellt insbesondere die Schlechterstellung im Bereich der Ökostromförderung seit 2005 den Grund für diesen Rückgang dar. Einem wahren Boom an Ökostromanlagen in den Jahren 2003 bis 2004 (durch das wesentlich förderungsfreundlichere Ökostromgesetz 2002) steht eine Flaute ab 2005 gegenüber. Zum Beispiel wurden in Oberösterreich in den Jahren 2003 bis 2004 insgesamt 47 neue Biogasanlagen genehmigt. Drei waren es vom ersten Oktober 2006 bis Ende Dezember 2007. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Biomasseanlagen. Den im Zeitraum von 2003 bis 2004 neu gebauten zwölf Anlagen zur Biomasseverstromung steht eine Anlage von 2006 bis 2007 gegenüber. Vollends zum Erliegen kam der Ausbau der Ökoenergie mit der Ökostromgesetz-Novelle 2006. Die Stimmung am Ökoenergiesektor ist derzeit so schlecht, dass 2007 nur zwölf Prozent der Fördermittel für Ökoenergieanlagen abgeholt wurden. Widerstand regt sich daher allerorten. Durch die geplante Novelle sehen Anlagenbetreiber keine Verbesserungen gegenüber der Novelle 2006 und fordern deutliche Verbesserungen wie Erhöhung der Planungs- und Investitionssicherheit, Erhöhung der Tariflaufzeit auf 20 Jahre und ein schnelles und wirksames Programm zur Rettung von Anlagen mit gestiegenen Rohstoffkosten.

Genug der Worte

Ständig steigender Energieverbrauch, hohes Wirtschaftswachstum und eine Klimaschutzpolitik der schönen Worte lassen sich derzeit nicht mit den notwendigen Maßnahmen zum Klimaschutz vereinigen. Dem weltweiten Trend folgend, werden auch in Österreich schöne Reden geschwungen und signalisieren die Politiker tiefe Betroffenheit darüber, was da auf die kommenden Generationen zukommen mag. Wirkungsvoll gegensteuern vermochte allerdings auch Österreich bisher noch nicht. Und dies obwohl hierzulande die besten Voraussetzungen gegeben wären. Österreich weist neben hohen Ressourcen an regenerativen Energieträgern wie Wasserkraft oder Biomasse zudem eine außergewöhnlich aufgeschlossene Bevölkerung auf, was den Einsatz von erneuerbaren Energieträgern betrifft.

Dennoch, gedämpfter Optimismus ist angebracht. Die Konferenz auf Bali hat gezeigt, dass der internationale Klimaschutz ernsthaft wahrgenommen wird. Wer es ernst meint mit dem Klimaschutz, ist in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mit gravierenden technologischen Veränderungen und sicherlich auch mit einem Wertewandel innerhalb der westlichen Gesellschaft konfrontiert. Dieser Wandel sollte jedoch als Chance begriffen werden, sowohl in ökologischer, ökonomischer als auch gesellschaftlicher Hinsicht. Der Wandel wird kommen, es liegt an jedem Einzelnen, diesen aktiv mitzugestalten oder viel später nur mehr ohnmächtig zu reagieren.

Der Autor ist Mitarbeiter der oberösterreichischen Umweltanwaltschaft.

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