Kyoto - © Foto: Bernard Gagnon

Kioto: Noch viele Schlupflöcher

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Die Klimakonferenz: Was wurde eigentlich vereinbart? Wie kam man zu den Ergebnissen? Wie sind sie zu bewerten? Gespräch mit dem Wirtschaftsforscher Stefan Schleicher.

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Die Klimakonferenz: Was wurde eigentlich vereinbart? Wie kam man zu den Ergebnissen? Wie sind sie zu bewerten? Gespräch mit dem Wirtschaftsforscher Stefan Schleicher.

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Die FURCHE: Wie spielt sich eine solche Riesenveranstaltung eigentlich ab?
Stefan Schleicher: Der äußere Rahmen ist fast unbeschreiblich: Da kommen rund 5.000 Personen zusammen, die eine Hälfte Delegierte aus 159 Ländern, die andere Lobbyisten, Medienleute. Das alles konzentriert in einem riesigen Konferenzzentrum. Von früh bis spät gibt es vorbereitende, koordinierende Treffen, Plenarsitzungen, dazwischen Sonderveranstaltungen diverser Interessengruppen - von den Umweltorganisationen bis zur Atomlobby. Ein großes Medienereignis.

Die FURCHE: Wie kommt es da zu Verhandlungsfortschritten?
Schleicher: Durch viele informelle Gespräche, die auf der untersten Ebene der Delegationen beginnen, sich zwischen den Spitzenvertretern der Organisationen fortsetzen. Immer wieder gibt es auch Telephonate mit Spitzenpolitikern ... Eigentlich beeinflussen nur wenige "key players" den Gang der Dinge: die Vertreter der EU, Japans, der USA. Die Japaner hatten als Gastgeber großes Interesse daran, daß ein Ergebnis zustandekommt.

Die FURCHE: War man sich in Kioto darüber einig, daß es den Klimawandel überhaupt gibt?
Schleicher: Die UNO hat eine wissenschaftliche Institution für diesen Fragenkomplex eingerichtet: das "Intergovernemental Panel on Climatic Change" (IPCC), ein Gremium aller Disziplinen, die irgendeinen Beitrag zum Thema Klima liefern. Seit 1990 gehen alle Äußerungen des IPCC dahin: Wir beobachten weltweit eine Klimaänderung, die nicht nur durch die Erhöhung der Durchschnittstemperatur zu beschreiben ist, sondern auch durch Veränderungen regionaler Art: Im Alpenraum scheinen sich die Niederschläge um ein paar Monate ins Frühjahr zu verlagern. Das löste die großen Überschwemmungen in den letzten Jahren aus. Weiters nimmt die Zahl der großen Stürme zu. Die großen Rückversicherungen registrieren dies genau. Daß es eine globale Klimaänderung gibt, wird von der Mehrzahl der Experten bestätigt.

Die FURCHE: Also gab es keine Kontroversen in dieser Frage?
Schleicher: Kleinere über die Ursachen des Klimawandels. Das IPCC vertritt die Meinung, derzeit sei keine andere Ursache dafür zu identifizieren als die Veränderung der Treibhausgase: Kohlendioxid (CO2), Methan und eine neue Gruppe von Gasen, die erst seit kurzem Beachtung finden: Fluorkarbonate, Ersatzstoffe für Gase, die die Ozonschicht gefährden. Die Außenseiter-Meinung bestreitet die Veränderungen in der Atmosphäre nicht, meint aber, eine verstärkte Sonneneinstrahlung setze das reichlich in den Meeren gebundene CO2 frei.

Die FURCHE: Dann wären nicht die Menschen Verursacher des Effekts ...
Schleicher: Richtig. Die Gegner dieser Sicht meinen, diese Freisetzung reiche nicht, um die Klimaveränderungen zu erklären.

Die Furche: Worin bestanden dann die Meinungsunterschiede in Kioto?
Schleicher: Die Positionen der Länder waren zunächt sehr unterschiedlich. Die Nicht-Industrieländer vertraten die Ansicht, die Industrieländer müßten ihren Wirtschaftskurs ändern, um eine Trendwende bei den Treibhausgasen herbeizuführen. Die Dritte-Welt-Länder fühlen sich massiv durch Klimaänderungen bedroht, etwa durch Veränderungen der Monsunregen oder "El-Nin~o"-Phänomene.

Die Furche: Außerdem sind die Industrieländer ja hauptverantwortlich für die Entstehung der Klimagase ...
Schleicher: Bisher jedenfalls für 80 Prozent. Allerdings reagieren sie unterschiedlich: Die EU kam mit dem erklärten Ziel nach Kioto, CO2 im Vergleich zu 1990 bis 2010 um 15 Prozent zu reduzieren. Am anderen Ende der Skala die USA: Sie wollten ihre Emissionen bis 2010 bestenfalls stabilisieren. Aber nicht einmal dieses Jahr war für die USA ein scharfer Zielzeitpunkt.

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