Climate - © Foto: Pixabay

Die Natur läßt sich nicht beherrschen

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Blitz und Donner im Jänner, eisige Stürme über Europa: Vorzeichen des Klimawandels und häufigerer Naturkatastrophen? Müssen wir lernen, angemessener mit Naturgewalten umzugehen? Überlegungen anläßlich eines Symposiums.

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Blitz und Donner im Jänner, eisige Stürme über Europa: Vorzeichen des Klimawandels und häufigerer Naturkatastrophen? Müssen wir lernen, angemessener mit Naturgewalten umzugehen? Überlegungen anläßlich eines Symposiums.

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Ohne lang nachzudenken, kommt man leicht zu dem Schluß: In unseren Tagen mehren sich die Katastrophen. Man denke allein an die Verwüstung Mittelamerikas durch den Hurrican Mitch oder an die verheerenden Erdbeben in Taiwan, Griechenland und in der Türkei. Oder an die Sturmkatastrophe vor ein Paar Wochen in Frankreich: Windstärken, die man bisher noch nie in Europa gemessen hatte, eine halbe Million Haushalte ohne Strom, drei Prozent des französischen Waldbestandes am Boden und über 100 Tote.

Ebenfalls im Dezember 1999: Berichte von der ärgsten Katastrophe dieses Jahrhunderts in Venezuela. Sintflutartige Regenfälle hatten Bäche in Sturzfluten verwandelt, Unmengen von Schlamm und Gestein, verheerende Erdrutsche begruben bewohntes Gebiet unter sich. Hunderttausende Obdachlose und tausende Tote waren zu beklagen. Fast harmlos nimmt sich im Vergleich dazu die Lawinenkatastrophe in Galtür im selben Jahr 1999 aus: 38 Opfer und eine Großaktion zur Evakuierung eingeschlossener Urlauber.Zugegeben: Katastrophen mit Toten, Verletzten und gut in Szene zu setzendem Sachschaden sind ein gefundenes Fressen für die Medien. Sie widmen solchen Ereignissen daher besonderes Augenmerk, was sicher dazu beiträgt, den Eindruck entstehen zu lassen, in jüngster Zeit mehrten sich die Katastrophen.

Von Lawinen und Erdrutschen

Dem ist entgegenzuhalten, daß es immer schon zum Los des Menschen gehört hat, mit Bedrohungen und Naturkatastrophen leben zu müssen. Berichte über Lawinenkatastrophen reichen bis ins Mittelalter zurück. Darauf wurde auch bei dem vorige Woche in Wien abgehaltenen Symposium "Living with Natural Hazards", hingewiesen. Allein im Ersten Weltkrieg kamen 60.000 Soldaten in - zum Teil künstlich ausgelösten - Lawinen um. Und die wohl größte Katastrophe auf diesem Sektor war eine Eislawine, die 1970 in den Anden mehrere Dörfer mit insgesamt 18.000 Einwohnern unter sich begrub.

Katastrophenträchtig sind seit jeher auch Geländerutschungen, die nun einmal in gebirgigen Regionen immer wieder auftreten. Sie können beachtliche Ausmaße annehmen wie jener Erdrutsch im Pamir-Gebirge, der 1911 einen mächtigen Damm im Tal bei Usoy aufgeworfen hat, hinter dem sich der Sarez-See bildete. Noch hält dieser "Damm". Er stellt aber eine dauernde Gefährdung für die talabwärts gelegene Region dar. Schwerwiegende Folgen hatte auch ein Erdrutsch in Italien, der das Wasser im Stausee bei Vaiont zum Überfluten des Staudammes brachte. Die zu Tal stürzende Flutwelle tötete mehr als 2.000 Personen. Naturkatastrophen haben also Tradition. Bleibt aber die Frage: Sind sie nun häufiger geworden? Irgendwie widerspricht das der Vorstellung, dem Menschen werde es mit technischen Mitteln früher oder später gelingen, die Natur zu beherrschen - eine Denkweise die jedenfalls bis in die siebziger Jahre vorgeherrscht hatte.

Daß dem nicht so ist, registriert jedenfalls die Versicherungsbranche. Sie führt genau Buch über Schadensereignisse, wird sie ja bei diesen Gelegenheiten zur Kasse gebeten. 1998 lautete etwa die Bilanz der "Münchener Rück": "1998 kamen bei Naturkatastrophen in aller Welt über 50.000 Menschen ums Leben - die vierthöchste Zahl in den letzten Jahrzehnten; 1997 waren es 13.000 gewesen. Im Vorjahr entstanden volkswirtschaftliche Schäden von mehr als 90 Milliarden US-Dollar, im Jahr zuvor 30 Milliarden. Die Schadenssumme von 1998 wird nur durch den Wert von 1995 übertroffen, als - bedingt durch das Erdbeben im japanischen Kobe - Schäden in der Höhe von 180 Milliarden Dollar entstanden waren."

Bei Großschäden: Tendenz steigend

Allein in der letzten Dekade haben jene Ereignisse, die interregionale oder internationale Hilfe erforderten, einen Gesamtschaden von 6,5 Billionen Schilling verursacht - achtmal mehr als in den sechziger Jahren. Seit 1970 steigen die durch Naturkatastrophen verursachten Schäden laufend, wobei es zu einer Anhäufung von Großschäden über 1,2 Milliarden Schilling kommt. Aus diesem Grund nimmt auch die Nachfrage nach Versicherungen zu. Als wesentliche Ursache für diese Entwicklung wird die Klimaveränderung angesehen. Die Erwärmung der Atmosphäre im Gefolge der weiterhin steigende Abgabe von Treibhausgasen (inbesondere von CO2 und Methan) destabilisiert das Wettergeschehen in mittleren Breitegraden. Die Folge: Immer häufigeres Auftreten von Extremereignissen (siehe Dossier in Furche 36/1998).

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