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Landwirt im Katastrophenjahr

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Der ganze Umfang des Schadens, den die österreichische Land- und Forstwirtschaft im Katastrophen jahr 1965 erlitten hat, wird erst bei der Auswertung der statistischen Erhebungen über das abgeschlossene Wirtschaftsjahr in einigermaßen genauen Zahlen auszudrücken sein. Deswegen nur einigermaßen, weil Schädigungen der Bodenfruchtbarkeit und mehrjähriger Kulturen — wie etwa der Weinstöcke — noch weit über das Katastrophen jahr hinaus spürbar, aber nur schwer in ihrem vollen Ausmaß meßbar sein dürften.

Abnorme Witterungsverhältnisse

Es waren nicht nur die großen Hochwasser- katastrophen, die in weiten Teilen Österreichs zu erheblichen Emteverlusten führten. Die abnorme Witterung des Jahres 1965 bedeutete an sich schon eine gewaltige Beeinträchtigung der pflanzlichen Produktion und bewirkte außerdem zum Teil ausgedehnte Totalschaden. Bereits der Frühjahrsanbau verzögerte sich weit über die übliche Zeit hinaus und konnte in vielen Fällen bei verschiedenen Kulturarten überhaupt nicht mehr durchgeführt werden. Ebenso verhielt es sich mit den notwendigen Bearbeitung - und Pflegemaßnahmen. Dies alles zusammen bedingte eine starke Wachstumsbeeinträchtigung und begünstigte das epidemische Auftreten vor allem von Pilzkrankheiten. Darüber hinaus war eine allgemeine Emteverzögerung von mehreren Wochen festzustellen. Aber selbst nach Eintritt der Erntereife konnte vielfach wegen der zu hohen Grundwasserstände die Ernte nicht rechtzeitig eingebracht werden.

Selbst bei vorsichtiger Schätzung und Außerachtlassung wichtiger Sonderkulturen muß der Schaden, der der österreichischen Landwirtschaft aus den abnormen Witterungsverhältnissen des Jahres 1965 erwachsen ist, mit mindestens 20 Prozent des normalen Rohertrages angenommen werden.

Zu diesen Schäden kommen noch die durch Überschwemmungen oder zu hohe Grundwa serstände geschädigten Flächen, deren Ausmaß mit rund 83.000 Hektar zu beziffern sind. Aus all dem ergibt sich ein landwirtschaftlicher Ertragsausfall im Werte von etwa zwei Milliarden Schilling. In dieser Summe sind jene Beträge nicht enthalten, welche durch den witterungsbedingten Mehraufwand an Arbeit und Betriebsmitteln verursacht wurden.

Auch an den sogenannten „Schäden, die am Vermögen privater Personen” durch die Hochwasserkatastrophe entstanden sind, war die Landwirtschaft mit bäuerlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden und anderen Einrichtungen und Anlagen in einem hohen Ausmaß beteiligt.

Bedeutung des Schutzwasserbaues

Eine wichtige Lehre aus den Hochwasserkatastrophen des vergangenen Jahres stellt die Tatsache dar, daß in Gebieten mit entsprechenden Schutzwasserbauten die verursachten Schäden relativ gering waren, ja zum Teil sogar überhaupt vermieden werden konnten. Das ist ein eindeutiger Beweis dafür, daß durch den Schutzwasserbau nicht nur Grund und Boden geschützt werden, sondern auch Siedlungen, Industrieanlagen, Straßen, Eisenbahnen und Brücken. Der Schutzwasserbau liegt somit im gesamtwirtschaftlichen Interesse und ist eine Art Landesverteidigung in friedlicher Form. Es müssen daher die Anstrengungen auf diesem Gebiet tatkräftig gesteigert werden. Neben der Behebung der Schäden ist auch noch ein großer Nachholbedarf zu bewältigen.

Die Hochwasserkatastrophen des Jahres 1965 haben im Bereich des Schutzwasserbaues einen Schaden im Ausmaß von rund 1,5 Milliarden Schilling verursacht. Darüber hinaus wurden auch Anlagen des landwirtschaftlichen Wasserbaues, wie etwa Entwässerungsanlagen und Vorfiutgräben, schwer beschädigt.

Für die Bewältigung der auf dem Gebiet des Schutzwasserbaues zu leistenden Arbeit hat das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen der Bundesländer einen Mehr jahresplan aufgestellt. Außerdem soll durch Schwerpunktbildungen und durch den Einsatz zusätzlicher Maschinen eine Steigerung der Arbeitsleistung im Schutzwasserbau erzielt werden.

Obwohl das Budgetprovisorium der schwierigen Situation, die sich aus den Folgen eines Katastrophenjahres ergibt, kaum genügend Rechnung tragen kann, ist zunächst die Fortführung der notwendigen Maßnahmen im Schutz Wasserbau gesichert. Im ersten Halbjahr 1966 werden insgesamt 184 Millionen Schilling für den Schutzwasserbau zur Verfügung stehen. Mit Hilfe dieser Summe und durch Programmumstellungen und teilweise Verlagerung der Finanzierung auf das zweite Halbjahr wird es möglich sein, die Hochwasserschäden des Jahres 1965 in dem vorgesehenen Ausmaß zu beheben und weitere Vorkehrungen gegen Hochwasserkatastrophen zu treffen.

Die schweren Ertragseinbußen, die die österreichische Land- und Forstwirtschaft im Katastrophenjahr 1965 erlitten hat, beeinträchtigen nicht nur vorübergehend die Marktversorgung, sondern hemmen auch die Investitionstätigkeit, die für die Vorbereitung der bäuerlichen Betriebe auf die verschärften Konkurrenzverhältnisse am europäischen Markt von größter Bedeutung ist. Um so notwendiger erscheint die kontinuierliche Fortführung aller Maßnahmen des „Grünen Planes”, die nachhaltig dazu beitragen sollen, Österreichs Land- und Forstwirtschaft auf die Auswirkungen des größeren europäischen Marktes vorzubereiten.

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