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Eine Milliarde Verlust?

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Das verregnete Frühjahr und der an Gewittern reiche Juli haben nicht nur Millionen europäischer Urlauber die Ferien verpatzt, sondern auch die Landwirtschaft in eine katastrophale Mißernte gestürzt. Die Ernte konnte in vielen Gebieten erst in der heißen Vorwoche nachgeholt werden. Daß das lange Liegen des Getreides auf der feuchten Erde nicht gerade positiv für die Ernte ist, ist auch dem Laien klar. Dennoch überrascht das Ausmaß der Schäden.

So wurden etwa in Niederösterreich, dem größten Anbaugebiet Österreichs, etwa dreißig Prozent der Weizenernte vernichtet; bei dem nun verspätet geernteten Getreide ist eine erhebliche Qualitätsminderung zu verzeichnen, die bis zu 80 Prozent reicht. Grund für diesen großen Schaden ist vor allem die lange Regenperiode im Juli. Denn das durch den wolkenbruchartig fallenden Regen zu Boden gedrückte Getreide wurde von Unkraut durchwachsen. Das führte zu größeren Schwierigkeiten bei der Ernte mit den modernen landwirtschaftlichen Maschinen.

Dieses Ernteergebnis hat aber auch für die Mühlen Probleme ergeben: Gewöhnlich kaufen die Mühlen bereits im Vorjahr bei den Bauern eine bestimmte Menge Weizens von vereinbarter Qualität — den sogenannten Kontraktweizen. Dieser Weizen ist aber heuer von sehr schlechter Qualität, in manchen Gebieten sogar von schlechterer als der Futterweizen, der nicht vermählen wird. In den Landwirtschaftskammern scheint man schon zu erwägen, ob man nicht einen Teil des Futterweizens trocknet und zur Vermahlung freigibt. All das wird aber nicht ohne Auswirkungen auf die Preise bleiben.

Neben den Schäden, die durch die starken Niederschläge entstanden sind, stehen aber die Hagelschäden heuer in der vordersten Linie. Sie sind zum Unterschied von den anderen Schäden relativ leicht erfaßbar, da die meisten Landwirte hagelversichert sind und das Ausmaß der Schäden der Hagelversicherung relativ rasch mitgeteilt wird. Gegenwärtig sind in ganz Österreich Hagelschäden im Wert von mehr als 100 Millionen Schilling gemeldet worden, mehr als 45 Millionen allein in Niederösterreich.

Zu Regen und Hagel gesellten sich aber noch mehrere Hochwässer und Überschwemmungen, die vor allem im Süden der Steiermark und im südlichen Burgenland große Schäden anrichteten. In der Steiermark wurden im Raum Fürstenfeld, dem wichtigsten Tabakanbaugebiet Österreichs, etwa 80 Prozent der Tabakernte vernichtet.

Stark gelitten hat in ganz Österreich der Gemüse- und Obstanbau. Gemüse hat vor allem in den Hochwassergebieten, aber auch in den Hagelgegenden große Schäden erlitten. Bei Obst ist die Situation differenzierter: Während alle Bundesländer bei Intensivobstbau gute Ergebnisse für Tafelobst erwarten, durfte die Ernte von Industrieobst (die ja zum überwiegenden Teil erst im September erfolgt), heuer ähnlich katastrophale Ergebnisse bringen wie die Getreideernte. Dies ist sowohl auf den Regen und Hagel im Sommer zurückzuführen als auch auf das schlechte Wetter während der Befruchtungszeit. Die feuchte Witterung des ersten Halbjahres hat aber bei den meisten Kulturen darüber hinaus Pilzerkrankungen gefördert.

Einzig der Weinbau scheint, bis auf Ausnahmen, nicht unter dem Wetter gelitten zu haben — im Gegenteil: die meisten Weinanbaugebiete melden für heuer zu erwartende Rekordergebnisse, die offensichtlich durch die feuchte Witterung veranlaßt sind.

Erste vorsichtige Schätzungen der zuständigen landwirtschaftlichen Stellen über das Ausmaß der Gesamtschäden bewegen sich jedenfalls weit über eine Milliarde Schilling, nicht zu sprechen von den langfristigen Schäden, die durch die Ver-murung und Zerstörung von Anbaugebieten hervorgerufen wurden.

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